Oberstdorf vor 100 Jahren

von Ingrid Weitenauer am 01.06.1996

1895

Januar

  • Im Hotel Mohren findet am 31. Januar das alljährliche Kaffeekränzchen statt.
  • Die Weideverpachtungen in Oberstdorf ergaben folgende Beträge: Sennalpe Söller: 41 Kuhweiden a 34 - 37 Mk, je 12 Mk Verrichtgeld und 2 Handtagwerke; Sennalpe Eschbach: 24 Kuhweiden je 35 Mk und 12 Mk Verrichtgeld; Sennalpe Schlappold: 9 Kuhweiden a 41 - 43Vz Mk, 12 Mk Verrichtgeld und 2 Handtagwerke oder 5 Mk bar; Sennalpe Warmatsgund: 7 1/3 Kuhweiden a 20 Mk, Verrichtgeld 12 Mk und 5 Mk als Ersatz für 2 Handtagwerke; Preis pro Weide in den Galtalpen: 37 - 40 Mk.

Februar

  • Zur Zeit herrscht eine strenge Winterkälte, und zwar in allen Weltteilen.
  • Am 21. Februar stirbt hier der Veteran von 1866 - 70/71 Thaddäus Oswald, nachdem er 17 Jahre lang ununterbrochen auf dem Krankenbette hat liegen müssen.

März

  • Am 11. März ist eine Mondfinsternis.

April

  • Am 1. April feiert Fürst Otto von Bismarck seinen 80. Geburtstag.
  • Repartition (Verteilung) der Umlagen des Distrikts Sonthofen für das Jahr 1895: Steuerbetrag mit Ausschluß der Einkommensteuer 9.350,25 Mk, 19,5 % Umlage 1.823,30 Mk, Steuerbetrag mit Einschluß der Einkommensteuer 9.752,69 Mk, 2,5 % Umlagen 243,80 Mk, Gesamtumlagen: 2.067,10 Mk.
  • Wie in der »Allgäuer Zeitung« aus dem Oberallgäu geschrieben wird, ist man zur Zeit mit den Projektierungsarbeiten für eine Fabrik in Reichenbach und Schöllang beschäftigt. Der Gaißalpsee soll zu dieser Fabrik die Wasserkraft stellen.
  • Bei der Milchversteigerung werden folgende Angebote gemacht: Sennalpe Söller von 54 Kühen mit Vorweide 90 Mk pro Tausend, Sennalpe Warmatsgund von 90 Kühen 85 Mk, Sennalpe Eschbach von 25 Kühen 87 1/2 Mk, Sennalpe Schlappold von 92 Kühen, auf der Vorweide von 64 Kühen 90 Mk und 10 Mk Trinkgeld, Sennalpe Vordere Seealpe von 56 Kühen 92 Mk, Sennalpe Dietersbach von 56 Kühen mit Vorweide 93 Mk und 5 Mk Trinkgeld.

Juni

  • An der Nürnberger Landes- und Industrieausstellung wird die Oberstdorfer Stahlschleiferei M. Besler sich beteiligen.

Juli

  • Es ist jetzt auch die 2. und 3. Fremdenliste der heurigen Saison erschienen. Sie weist 1.191 Personen in 691 Partien auf.
  • Im Herbst soll eine Volksmission stattfinden.
  • Eine Neuerung, die von den Touristen mit Freuden begrüßt wird, ist eingetreten: Der Wirt Tannheimer von Spielmannsau hält jeden Samstag zum letzten Zug, der in Oberstdorf abends um 9 Uhr 38 Minuten anlangt, ein Fuhrwerk am Bahnhof für seine Gäste bereit.
  • Die 6. Fremdenliste weist 2.442 Personen in 1.296 Partien auf.
  • Am letzten Sonntag, dem 28. Juli, ist am östlichen Gehänge des den Himmelschrofen und die Mädelegabel verbindenden Gebirgskammes der 20 Jahre alte Senn Joh. Martin von St. Lorenz, bedienstet bei den Pächtern der Alpe Anatberg, beim Edelweißpflücken verunglückt.

August

  • Die Fremdenliste Nr. 7 weist 2.771 Personen in 1.487 Partien auf, das Nebelhornhaus 800 Personen.
  • Die zwischen den beiden Orten Oberstdorf und Tiefenbach neu errichtete Telefonverbindung ist am 1. August in Wirksamkeit getreten.
  • Seine Durchlaucht Herr Fürst Fugger hat am 6. des Monats sein Schloß in Babenhausen verlassen, um den Rest des Sommers in Oberstdorf zu verbringen.
  • Die 8. Fremdenliste weist 3.661 Personen in 1.942 Partien auf. Im Nebelhornhaus sind es 993 Personen.
  • Die 9. Fremdenliste weist 4.064 Personen in 2.170 Partien auf.
  • Am Sonntag, dem 25. August, feiert Geistlicher Rat Pfarrer Alois Heinle sein 25jähriges Priesterjubiläum.
  • Seine Kgl. Hoheit der Prinzregent wird noch bis Ende dieser Woche in Hohenschwangau verbleiben und dann das Jagdlager in den Jagdbezirk Oberstdorf verlegen.
  • Wie bereits berichtet, kommt die Mission mit 6 Kapuzinerpatres nach Oberstdorf. Die Gnadenzeit dauert also vom Palmsonntag, dem 23. März 1896, bis incl. Ostermontag, dem 6. April 1896.

September

  • Die Fremdenliste vom 6. September weist 4.928 Personen in 2.716 Partien auf. Im Nebelhornhaus sind es 1.700.
  • Die Fremdenliste vom 20. September weist 5.236 Personen in 2.916 Partien auf.
  • In Oberstdorf verstirbt nach kurzer Krankheit, im 67. Lebensjahr, der Förster Josef Schwarzkopf.

Oktober

  • Die Fremdenliste weist 5.438 Personen in 3.065 Partien auf, dies sind gegenüber dem Vorjahr 670 Personen mehr.
  • Die hiesige Viehzuchtgenossenschaft hält am 14. Oktober ihre 1. Genossenschaftsschau ab. Es heißt: „Möge sich dieselbe von Seiten der Landwirte aus der Umgebung und anderen Interessenten eines großen Besuches erfreuen.”

November

  • Das Neueste auf dem Gebiete der Volksschule ist ein regelrechter Schulstreik, wie ihn die Schulkinder der Schule Birgsau, Gemeinde Oberstdorf, durchgeführt haben. Sie haben, mit Zustimmung ihrer Eltern, sich verschworen, bei dem jetzigen Lehrer unter keiner Bedingung mehr in die Schule zu gehen, und sind gesonnen, so lang zu streiken, bis ein neuer Lehrer kommt. So ist es tatsächlich geschehen im November 1895, in der südlichsten Schule des Deutschen Reiches.
  • Am 20. November ist die Beerdigung des weithin bekannten Kaufmanns Joseph Anton Vogler. Ein Leichenzug, wie man ihn sonst nur bei ganz hochgestellten Persönlichkeiten gewohnt ist, bewegt sich vom Trauerhause über den Marktplatz zum Grabe.
    Marktverwaltung, verschiedene Vereine, u. a. auch der Verschönerungsverein nehmen teil an der Beerdigung. Am Abend findet ein Fackelzug ans Grab statt. Vor dem Kriegerdenkmal am Marktplatz werden die Fackeln zusammengeworfen.

Dezember

  • Kein Jägerlatein, sondern Tatsache: Am Sonntag, dem 15. Dezember, hören Gäste des Bahnhofshotels nacheinander ein Gepolter an der hinteren Zimmertüre, welche zum hinteren Hauseingang führt. Als die Wirtin nachschaut, springt ein scheues Reh ins Zimmer. Nach kurzer Verfolgungsjagd kann das Tier gefangen werden. Man bringt es in den Stadel, wo es dem Förster übergeben wird.

Quelle: Allgäuer Anzeigeblatt, Jahrgang 1895

Kontakt

Verschönerungsverein Oberstdorf e.V.
1. Vorsitzender
Peter Titzler
Brunnackerweg 5
87561 Oberstdorf
DEUTSCHLAND
Tel. +49 8322 6759

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Seit Februar 1982 werden die Hefte der Reihe "Unser Oberstdorf" zweimal im Jahr vom Verschönerungsverein Oberstdorf herausgegeben und brachten seit dem ersten Erscheinen einen wirklichen Schub für die Heimatforschung. Mehr

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