Glasfenster von Johann Schraudolph für den Vatikan in Rom

von Elgin Vaassen am 01.05.1983

Der Maler Johann Schraudolph (1808 - 79), gebürtiger Oberstdorfer, war von
 Anbeginn seiner Laufbahn mit der Geschichte der Münchner Glasmalereianstalt,
 die König Ludwig I. 1827 ins Leben rief, verbunden.

So malte er selber an den ersten Fenstern für den Dom zu Regensburg (1828), zeichnete Kartons zusammen mit dem ebenfalls aus Oberstdorf stammenden Johann 
Anton Fischer für die neugotische Maria-Hilf-Kirche im Münchner Vorort Au (1834
- 44) und für eine kleine Kirche im englischen Kilndown (1840), ferner für ein großes 
Fenster, das der Augsburger Bischof Peter Richarz für den dortigen Dom bestellte 
(1852), für die Kathedrale in Glasgow (1861). Auch seine beiden Brüder waren in
 diesem Metier tätig. Bis auf Kilndown sind alle Fenster, an denen er mitwirkte, zerstört.

In Salzburg haben sich bei Nachfahren des Historien- und Glasmalers Heinrich Ainmiller (1837 - 92), Sohn des Architektur- und Glasmalers Max E. Ainmiller, zwei
 kleine Farbskizzen, 13 × 25 cm groß, erhalten, die auf der Rückseite signiert und da
tiert sind: „Gezeichnet 10. März 1858 Joh. Schraudolph”. Dargestellt sind auf
 ihnen die beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus, jeder unter einer rundbogigen 
Arkade stehend, welche durch ein umlaufendes, farbiges, hell gerahmtes Ornamentband gebildet wird. Das Band ist im Ansatz des Bogens und unten durch eine waagerechte Unterteilung gegliedert. Auf rotem Grund bilden gegenständige Blätter und 
blauweiße sowie grünweiße Rosetten und Blüten das Muster. Die Standplatte der 
Figuren ist durch einen hellgrauen Balken angedeutet. Schwache Schatten zeichnen 
sich darauf ab.

Petrus, in leichter Schrittstellung, trägt eine hellblaue Ärmeltunika, die an Hals und
 Saum mit rostroten Streifen abgesetzt ist. Der Gürtel ist von gleicher Farbe, ebenso
 der um die rechte Schulter und die Hüften geschlungene mantelartige Überwurf, der
 auf der Innenseite ein helles Futter erkennen läßt. Die Füße stecken in Sandalen. 
Der Apostel hält ein mit zwei Schließen verschlossenes Buch und die Schlüssel-
Zeichen der ihm verliehenen Gewalt - in der Rechten, die Linke ist erhoben, mit
 ausgestrecktem Zeigefinger, in der Geste eines antiken Redners. Petrus ist grauhaarig und bärtig, aber mit den Gesichtszügen eines Mannes mittleren Alters dargestellt, den Betrachter frontal anblickend. Sein Nimbus trägt seinen Namen. Der 
Grund hinter der Figur ist grisailleartig mit einem Muster aus Kreuzen, Rhomben
 und Kreisen überzogen. - Paulus, in leichter Schrittstellung nach links, trägt die gleichen Sandalen wie Petrus. Er wendet seinen Kopf nach rechts (d. h. für den 
Beschauer schaut er nach links), womit die Anordnung der beiden Figuren zueinander bereits bestimmt ist, ins Dreiviertelprofil. Isabellfarben ist sein Gewand mit
 den dunklen Punktmustem an Hals und Saum, von dunklem Rosa der um den Leib
 geschlungene Mantel.

Glasfenster - Heft 3

St. Peter und St. Paul
Aquarellierte Bleistiftzeichnung
15 × 25 cm
Salzburg, Privatbesitz

Paulus streckt die rechte Hand in unterweisender Gebärde
 nach vorn, mit seiner linken hält er ein Buch und das Schwert, das - als Hinweis auf sein Martyrium - weit über seinen Kopf ragt. Auch er ist trotz grauer Haare und lang
wallendem Bart kein alter Mann. Als Paulus Märtyrer weist ihn der Heiligenschein 
aus. Bei diesem Blatt ist der Hintergrund leergelassen.

Rahmenunterteilung und Hintergrundmuster deuten darauf hin, daß diese Skizze
 für Glasfenster gedacht waren. Beide Aquarelle liegen in sorgfältig geschnittenen
 Passepartouts, sind sogar an den Kanten vergoldet, waren also auf Repräsentanz
 angelegt. Für wen, da Heinrich Ainmiller nicht als Sammler von Zeichnungen 
befreundeter Zeitgenossen seines Vaters gelten kann? Der Auftraggeber war König 
Max II., der Sohn Ludwigs I. Er bestellte 1858 zwei gemalte Fenster in der Glasmalereianstalt, die seit 1851 durch Max E. Ainmiller auf Privatrechnung geführt wurde, 
als Geschenk für Papst Pius IX.

Durch die genau geführten Kabinettskassenbücher des Königs, ferner durch das
 „Tagebuch für die kgl. Glasmalerei”, das Ainmiller seit dem 1. Oktober 1851 (dem
 Tag der Übernahme auf Privatrechnung) schrieb, durch die Korrespondenz König 
Ludwigs I. mit seinem Beauftragten in Rom sowie durch Briefe ehemaliger Angestellter der kgl. Glasmalereianstalt u. a., lassen sich Ablauf der Arbeit an diesen 
Fenstern und die Anteile der daran mitwirkenden Künstler nachvollziehen.

Im Juni 1858 erhielt Johann Schraudolph „für die Kartons und Farbenskizzen zu
 dem Fenster für Seine Majestät den König Max nach Rom” 400 Gulden von Ainmiller. In den folgenden Monaten vermerkte dieser in seinem Tagebuch Zahlungen
 für seine Glasmaler. Es erhielten: Theodor Mayr für das Malen des Paulus 200 fl, 
Heinrich Burkhardt für den Petrus 230 fl, die Brüder Max und Ludwig Daree, die die
 Verzierungen und eine kleine Rosette herstellten, 110 bzw. 117 fl, J. Kitzinger für 
Schrift 10 fl, Glaser Knoll 350 fl und nochmals 16 fl im April 1895 für Verpackung.


Zuletzt bekam Leonhard Faustner im Dezember 1859 für vier Wappen 80 fl. - Im 
November wurde Ainmiller von der kgl. Kabinettskasse eine erste Abschlagszahlung von 3000 fl geleistet, im Februar 1859 der Rest von 4000 fl beglichen. Unter
 dem 11. Februar 1861 vermerkte die Kasse Auslagen Ainmillers in Höhe von 71 
Gulden und 12 Kreuzern „auf Verpackung der nach Rom bestimmten Glasmalereien”. Diese ist übrigens im „Duplikat der Hauptrechnung” genau spezifiziert: 
„Ainmiller für eine Kiste und eine Überkiste mit eisernen Bünden für diese Fenster, 
für die Verpackung derselben und für die zur Einsetzung in Rom nötigen Eisenteile,
 als Schienen, Windstangen p.p. 71 fl 12 x”.

Peter Schöpf, der seit Martin von Wagners Tod die Berichterstattung für König Ludwig I. aus Rom übernommen hatte, berichtete im Juni 1858 dem abgedankten Monarchen: „... auch freut man sich hier, daß zwei Glasgemälde, wozu Herr Schraudolph mit den Kartons beschäftigt ist, nach Rom” kommen. Im Februar des Folgejahres betonte er noch einmal: „... ich freue mich sehr darauf, wenn die Glasgemälde nach Schraudolphs Zeichnungen hier ankommen, die werden gewiß sehr gefallen”. Doch erst am 10. Februar 1862 teilte er König Ludwig mit, der Glasermeister
 Knoll sei „mit den Kisten der Glasgemälde für die Treppe im Vatikan” angekom
men. Sogleich seien von Seiten des bayer. Gesandten und des Kardinals Antonelli
 Anstalten getroffen worden, Knoll die Fenster einbauen zu lassen, von denen „der 
Paulus, welchen ich heute sah, vollendet aufgestellt ist und einen prachtvollen Effekt
macht und großen Beifall findet. Bello, bellissimo, soll sich Kardinal Antonelli. .
geäußert haben, und man kann es kaum erwarten, auch den St. Petrus zu sehen, welcher bis in drei Tagen aufgestellt sein wird”.

Sogar in den diplomatischen Berichten, 
die der Gesandte v. Verger nach München schickte, wurden die Fenster erwähnt: am
18. Februar ist die Rede von „allgemeiner Bewunderung” und am 21. d.M. vom 
„Dank des Papstes” für dieses Geschenk . Am 4. März hatte Knoll seine Arbeit
 beendet, und Schöpf schrieb nach München: Die Fenster „ gefallen ungemein wohl,
 und so wie ich höre, ist S. Heiligkeit darüber sehr erfreut”. Der Papst schenkte Knoll 
2000 francs „ und eine silberne Medaille, um an der Brust zu tragen, worüber derselbe außerordentlich erfreut, sogleich nach München abreiste. Wahrscheinlich
 werden auch noch an die beteiligten Münchner Künstler... Orden ... zugesendet 
worden sein”.

Tatsächlich wurden laut Schreiben der bayer. Gesandtschaft vom 2. 
März an Heinrich Maria v. Hess (?) und Ainmiller für diese Arbeit das Ritterkreuz 3.
 Klasse des Piusordens verliehen. Im Mai erfuhr Max E. Ainmiller, daß er mit Bewilligung des Königs diesen Orden annehmen und tragen dürfe. Aus der Neuen
 Münchner Zeitung ist zu entnehmen, weshalb die Glasgemälde erst 1862 nach 
Rom transportiert wurden. Sie waren wegen Schwierigkeiten der Übersendung in 
München geblieben, und König Max hatte sie bei seiner Reise nach Nizza selbst 
mitnehmen lassen, um sie von Marseille aus nach Civita Vecchia und von dort nach 
Rom zu schicken.

Eine Pulverexplosion vor der Porta Portense am 23. April 1891 zerstörte die Stiftung
 des Königs. Papst Leo XIII. bestellte die Fenster zur Neuanfertigung; Prinzregent 
Luitpold machte sie ihm zum Geschenk. Die Ausführung lag dieses Mal in den
 Händen der Firma Zettler in München, denn die kgl. Glasmalereianstalt war kurz
 nach dem Tode Ainmillers aufgelöst worden. Aus dem Nekrolog Heinrich Ainmillers geht hervor, daß seine letzte künstlerische Arbeit die zwei „Kolossalfiguren” der Apostel Petrus und Paulus gewesen waren, „die ehemals in der kgl.
Glasmalerei ausgeführt waren und durch die Pulverexplosion in Rom zugrunde 
gingen”.

Glasfenster - Heft 3

St. Petrus
Vatikan, Rom,
Neuanfertigung 1891

In der Festschrift zum 40jährigen Bestehen
der Firma Zettler ist eines der beiden Glasgemälde, der hl. Petrus, abgebildet . Die
 Gegenüberstellung von Farbskizze und
 Foto zeigt, daß Heinrich Ainmiller sich getreu an die Vorlage Schraudolphs gehalten
 hat. Möglich auch, daß er nur die (noch)
 vorhandenen Kartons überarbeitete, von
 denen etliche bei der Auflösung der kgl. 
Glasmalereianstalt von der damals gerade 
neu gegründeten Firma Zettler übernommen worden waren. Verändert gegenüber
 den Skizzen sind die Bordürenarkade und
 das Hintergrundmuster. Daß auch in den
 ersten Glasgemälden Wappen vorhanden
 waren - vermutlich die des Königs Max 
und des Papstes Pius IX. je zweimal - be
wies die Zahlung an L. Faustner. Im neuen
 Petrusfensterrahmen - entsprechend den 
Inschriften - die Wappen beider Päpste das 
jenige des Königreichs Bayern. „PIO IX
 PONTIFICE MAXIMO MAXIMILIANUS
 II REX BAVARIAE FECIT A.
 MDCCCLIX” ist links, „LEONE XIII P M
 FELICITER REGNANTE LUITPOLDUS
 PRINCEPS BAVARIAE REGNUM REGENS RESTITUIT A MDCCCLXXXXI”
 rechts zu lesen.

Im Depot des Deutschen Museums in München befindet sich eine große Schautafel
 mit Musterstücken von Glasmalereien quer durch die Jahrhunderte. Neben Proben 
der Benediktbeurer Hütte, die für die kgl. Glasmalereianstalt Glas geliefert hatte,
 sieht man auch eine Tafel mit der Bezeichnung „Ainmiller 1859”. Sie enthält ein
 Paar große Männerfüße in Sandalen. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich
 dabei um einen Rest der ursprünglichen Fenster für Rom, der beim Neueinsetzen 
1891 mit zurückgenommen worden war.

Zuletzt sei noch auf eine Variante zu den 
Farbskizzen hingewiesen: Im Oberstdorfer 
Heimatmuseum verwahrt man ein kleines undatiertes und unsigniertes Ölbild, das 
beide Apostel zusammen darstellt. Die 
unübersehbaren Schwächen in der Proportionierung der Figuren lassen eine 
Zuschreibung an Johann Schraudolph 
selbst jedoch fraglich erscheinen.

Glasfenster - Heft 3

Farbskizze: Oberstdorfer

Heimatmuseum,
Umkreis Schraudolph

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1. Vorsitzender
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