St. Peter und St. Paul
Aquarellierte Bleistiftzeichnung
15 × 25 cm
Salzburg, Privatbesitz
Der Maler Johann Schraudolph (1808 - 79), gebürtiger Oberstdorfer, war von Anbeginn seiner Laufbahn mit der Geschichte der Münchner Glasmalereianstalt, die König Ludwig I. 1827 ins Leben rief, verbunden.
So malte er selber an den ersten Fenstern für den Dom zu Regensburg (1828), zeichnete Kartons zusammen mit dem ebenfalls aus Oberstdorf stammenden Johann Anton Fischer für die neugotische Maria-Hilf-Kirche im Münchner Vorort Au (1834 - 44) und für eine kleine Kirche im englischen Kilndown (1840), ferner für ein großes Fenster, das der Augsburger Bischof Peter Richarz für den dortigen Dom bestellte (1852), für die Kathedrale in Glasgow (1861). Auch seine beiden Brüder waren in diesem Metier tätig. Bis auf Kilndown sind alle Fenster, an denen er mitwirkte, zerstört.
In Salzburg haben sich bei Nachfahren des Historien- und Glasmalers Heinrich Ainmiller (1837 - 92), Sohn des Architektur- und Glasmalers Max E. Ainmiller, zwei kleine Farbskizzen, 13 × 25 cm groß, erhalten, die auf der Rückseite signiert und da tiert sind: „Gezeichnet 10. März 1858 Joh. Schraudolph”. Dargestellt sind auf ihnen die beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus, jeder unter einer rundbogigen Arkade stehend, welche durch ein umlaufendes, farbiges, hell gerahmtes Ornamentband gebildet wird. Das Band ist im Ansatz des Bogens und unten durch eine waagerechte Unterteilung gegliedert. Auf rotem Grund bilden gegenständige Blätter und blauweiße sowie grünweiße Rosetten und Blüten das Muster. Die Standplatte der Figuren ist durch einen hellgrauen Balken angedeutet. Schwache Schatten zeichnen sich darauf ab.
Petrus, in leichter Schrittstellung, trägt eine hellblaue Ärmeltunika, die an Hals und Saum mit rostroten Streifen abgesetzt ist. Der Gürtel ist von gleicher Farbe, ebenso der um die rechte Schulter und die Hüften geschlungene mantelartige Überwurf, der auf der Innenseite ein helles Futter erkennen läßt. Die Füße stecken in Sandalen. Der Apostel hält ein mit zwei Schließen verschlossenes Buch und die Schlüssel- Zeichen der ihm verliehenen Gewalt - in der Rechten, die Linke ist erhoben, mit ausgestrecktem Zeigefinger, in der Geste eines antiken Redners. Petrus ist grauhaarig und bärtig, aber mit den Gesichtszügen eines Mannes mittleren Alters dargestellt, den Betrachter frontal anblickend. Sein Nimbus trägt seinen Namen. Der Grund hinter der Figur ist grisailleartig mit einem Muster aus Kreuzen, Rhomben und Kreisen überzogen. - Paulus, in leichter Schrittstellung nach links, trägt die gleichen Sandalen wie Petrus. Er wendet seinen Kopf nach rechts (d. h. für den Beschauer schaut er nach links), womit die Anordnung der beiden Figuren zueinander bereits bestimmt ist, ins Dreiviertelprofil. Isabellfarben ist sein Gewand mit den dunklen Punktmustem an Hals und Saum, von dunklem Rosa der um den Leib geschlungene Mantel.
Paulus streckt die rechte Hand in unterweisender Gebärde nach vorn, mit seiner linken hält er ein Buch und das Schwert, das - als Hinweis auf sein Martyrium - weit über seinen Kopf ragt. Auch er ist trotz grauer Haare und lang wallendem Bart kein alter Mann. Als Paulus Märtyrer weist ihn der Heiligenschein aus. Bei diesem Blatt ist der Hintergrund leergelassen.
Rahmenunterteilung und Hintergrundmuster deuten darauf hin, daß diese Skizze für Glasfenster gedacht waren. Beide Aquarelle liegen in sorgfältig geschnittenen Passepartouts, sind sogar an den Kanten vergoldet, waren also auf Repräsentanz angelegt. Für wen, da Heinrich Ainmiller nicht als Sammler von Zeichnungen befreundeter Zeitgenossen seines Vaters gelten kann? Der Auftraggeber war König Max II., der Sohn Ludwigs I. Er bestellte 1858 zwei gemalte Fenster in der Glasmalereianstalt, die seit 1851 durch Max E. Ainmiller auf Privatrechnung geführt wurde, als Geschenk für Papst Pius IX.
Durch die genau geführten Kabinettskassenbücher des Königs, ferner durch das „Tagebuch für die kgl. Glasmalerei”, das Ainmiller seit dem 1. Oktober 1851 (dem Tag der Übernahme auf Privatrechnung) schrieb, durch die Korrespondenz König Ludwigs I. mit seinem Beauftragten in Rom sowie durch Briefe ehemaliger Angestellter der kgl. Glasmalereianstalt u. a., lassen sich Ablauf der Arbeit an diesen Fenstern und die Anteile der daran mitwirkenden Künstler nachvollziehen.
Im Juni 1858 erhielt Johann Schraudolph „für die Kartons und Farbenskizzen zu dem Fenster für Seine Majestät den König Max nach Rom” 400 Gulden von Ainmiller. In den folgenden Monaten vermerkte dieser in seinem Tagebuch Zahlungen für seine Glasmaler. Es erhielten: Theodor Mayr für das Malen des Paulus 200 fl, Heinrich Burkhardt für den Petrus 230 fl, die Brüder Max und Ludwig Daree, die die Verzierungen und eine kleine Rosette herstellten, 110 bzw. 117 fl, J. Kitzinger für Schrift 10 fl, Glaser Knoll 350 fl und nochmals 16 fl im April 1895 für Verpackung.
Zuletzt bekam Leonhard Faustner im Dezember 1859 für vier Wappen 80 fl. - Im November wurde Ainmiller von der kgl. Kabinettskasse eine erste Abschlagszahlung von 3000 fl geleistet, im Februar 1859 der Rest von 4000 fl beglichen. Unter dem 11. Februar 1861 vermerkte die Kasse Auslagen Ainmillers in Höhe von 71 Gulden und 12 Kreuzern „auf Verpackung der nach Rom bestimmten Glasmalereien”. Diese ist übrigens im „Duplikat der Hauptrechnung” genau spezifiziert: „Ainmiller für eine Kiste und eine Überkiste mit eisernen Bünden für diese Fenster, für die Verpackung derselben und für die zur Einsetzung in Rom nötigen Eisenteile, als Schienen, Windstangen p.p. 71 fl 12 x”.
Peter Schöpf, der seit Martin von Wagners Tod die Berichterstattung für König Ludwig I. aus Rom übernommen hatte, berichtete im Juni 1858 dem abgedankten Monarchen: „... auch freut man sich hier, daß zwei Glasgemälde, wozu Herr Schraudolph mit den Kartons beschäftigt ist, nach Rom” kommen. Im Februar des Folgejahres betonte er noch einmal: „... ich freue mich sehr darauf, wenn die Glasgemälde nach Schraudolphs Zeichnungen hier ankommen, die werden gewiß sehr gefallen”. Doch erst am 10. Februar 1862 teilte er König Ludwig mit, der Glasermeister Knoll sei „mit den Kisten der Glasgemälde für die Treppe im Vatikan” angekom men. Sogleich seien von Seiten des bayer. Gesandten und des Kardinals Antonelli Anstalten getroffen worden, Knoll die Fenster einbauen zu lassen, von denen „der Paulus, welchen ich heute sah, vollendet aufgestellt ist und einen prachtvollen Effekt macht und großen Beifall findet. Bello, bellissimo, soll sich Kardinal Antonelli. . geäußert haben, und man kann es kaum erwarten, auch den St. Petrus zu sehen, welcher bis in drei Tagen aufgestellt sein wird”.
Sogar in den diplomatischen Berichten, die der Gesandte v. Verger nach München schickte, wurden die Fenster erwähnt: am 18. Februar ist die Rede von „allgemeiner Bewunderung” und am 21. d.M. vom „Dank des Papstes” für dieses Geschenk . Am 4. März hatte Knoll seine Arbeit beendet, und Schöpf schrieb nach München: Die Fenster „ gefallen ungemein wohl, und so wie ich höre, ist S. Heiligkeit darüber sehr erfreut”. Der Papst schenkte Knoll 2000 francs „ und eine silberne Medaille, um an der Brust zu tragen, worüber derselbe außerordentlich erfreut, sogleich nach München abreiste. Wahrscheinlich werden auch noch an die beteiligten Münchner Künstler... Orden ... zugesendet worden sein”.
Tatsächlich wurden laut Schreiben der bayer. Gesandtschaft vom 2. März an Heinrich Maria v. Hess (?) und Ainmiller für diese Arbeit das Ritterkreuz 3. Klasse des Piusordens verliehen. Im Mai erfuhr Max E. Ainmiller, daß er mit Bewilligung des Königs diesen Orden annehmen und tragen dürfe. Aus der Neuen Münchner Zeitung ist zu entnehmen, weshalb die Glasgemälde erst 1862 nach Rom transportiert wurden. Sie waren wegen Schwierigkeiten der Übersendung in München geblieben, und König Max hatte sie bei seiner Reise nach Nizza selbst mitnehmen lassen, um sie von Marseille aus nach Civita Vecchia und von dort nach Rom zu schicken.
Eine Pulverexplosion vor der Porta Portense am 23. April 1891 zerstörte die Stiftung des Königs. Papst Leo XIII. bestellte die Fenster zur Neuanfertigung; Prinzregent Luitpold machte sie ihm zum Geschenk. Die Ausführung lag dieses Mal in den Händen der Firma Zettler in München, denn die kgl. Glasmalereianstalt war kurz nach dem Tode Ainmillers aufgelöst worden. Aus dem Nekrolog Heinrich Ainmillers geht hervor, daß seine letzte künstlerische Arbeit die zwei „Kolossalfiguren” der Apostel Petrus und Paulus gewesen waren, „die ehemals in der kgl. Glasmalerei ausgeführt waren und durch die Pulverexplosion in Rom zugrunde gingen”.
In der Festschrift zum 40jährigen Bestehen der Firma Zettler ist eines der beiden Glasgemälde, der hl. Petrus, abgebildet . Die Gegenüberstellung von Farbskizze und Foto zeigt, daß Heinrich Ainmiller sich getreu an die Vorlage Schraudolphs gehalten hat. Möglich auch, daß er nur die (noch) vorhandenen Kartons überarbeitete, von denen etliche bei der Auflösung der kgl. Glasmalereianstalt von der damals gerade neu gegründeten Firma Zettler übernommen worden waren. Verändert gegenüber den Skizzen sind die Bordürenarkade und das Hintergrundmuster. Daß auch in den ersten Glasgemälden Wappen vorhanden waren - vermutlich die des Königs Max und des Papstes Pius IX. je zweimal - be wies die Zahlung an L. Faustner. Im neuen Petrusfensterrahmen - entsprechend den Inschriften - die Wappen beider Päpste das jenige des Königreichs Bayern. „PIO IX PONTIFICE MAXIMO MAXIMILIANUS II REX BAVARIAE FECIT A. MDCCCLIX” ist links, „LEONE XIII P M FELICITER REGNANTE LUITPOLDUS PRINCEPS BAVARIAE REGNUM REGENS RESTITUIT A MDCCCLXXXXI” rechts zu lesen.
Im Depot des Deutschen Museums in München befindet sich eine große Schautafel mit Musterstücken von Glasmalereien quer durch die Jahrhunderte. Neben Proben der Benediktbeurer Hütte, die für die kgl. Glasmalereianstalt Glas geliefert hatte, sieht man auch eine Tafel mit der Bezeichnung „Ainmiller 1859”. Sie enthält ein Paar große Männerfüße in Sandalen. Aller Wahrscheinlichkeit nach handelt es sich dabei um einen Rest der ursprünglichen Fenster für Rom, der beim Neueinsetzen 1891 mit zurückgenommen worden war.
Zuletzt sei noch auf eine Variante zu den Farbskizzen hingewiesen: Im Oberstdorfer Heimatmuseum verwahrt man ein kleines undatiertes und unsigniertes Ölbild, das beide Apostel zusammen darstellt. Die unübersehbaren Schwächen in der Proportionierung der Figuren lassen eine Zuschreibung an Johann Schraudolph selbst jedoch fraglich erscheinen.