Gedenkstein für Pfarrer Johann Frey
(gest. 1636) an der Pfarrkirche Illerberg
Der Verfasser beschäftigte sich im ersten und zweiten Teil dieses Beitrags mit der Zielsetzung dieser Arbeit, den Universitätsmatrikeln im allgemeinen, den ersten Oberstdorfer Studenten in Leipzig und Tübingen und Erscheinungen aus dem Studienbetrieb der damaligen Zeit. Ernannte dann die Oberstdorfer an den hohen Schulen zu Freiburg und zu Dillingen (16. Jh.) und erklärte dazwischen das Brauchtum der Deposition.
Johannes Hefelin - ein Oberstdorfer
Es schien uns, daß der Studiosius Johannes Hefelin, der sich am 22. April 1588 an der Universität Dillingen immatrikulierte, kein Oberstdorfer war. Diese Ansicht erwies sich als nicht zutreffend. Der Name zeigt zwar eher in das Gebiet der Pflege Markt Oberdorf oder nach Kempten, Johannes Hefelin war aber der Bruder des ältesten, bis jetzt bekannten Oberstdorfer Schulmeisters, des Lorenz Hefelin. Dieser ist z. B. in einer Originalurkunde im Pfarrarchiv Oberstdorf (Schuldbrief) bezeugt: „Lorenz Häfele, schulmaister zue Oberßdorff, nimmt ein Darlehen auf und belastet damit Haus, Hofstatt und Würzgarten. Sein Bruder Johannes wird 1602 als "„Konventuale und Großkellner im Kloster Salem genannt.
Es liegt der Schluß nahe, daß Lorenz Hefelin in der 2. Hälfte des 16. Jahrhunderts von Kempten, wo der Name schon deutlich früher nachgewiesen werden kann, nach Oberstdorf zog und dabei seinen (um etliche Jahre jüngeren?) Bruder Johannes mitnahm. Von Oberstdorf aus ging Johannes dann an die hohe Schule zu Dillingen. Im Jahre 1613 ist der Name Hefelin (Hefele) im „Muster Register... der Herschafft Röttemberg" unter Oberstdorf nicht mehr zu finden.
Johann Frey - fundator
Zu den Oberstdorfer Scholaren, die sich noch im 16. Jahrhundert in Dillingen immatrikuliert haben, gehört Johann Frey. Seine Einschreibung erfolgte am 17. Juni 1579.
In der Matrikel ist außerdem vermerkt, daß er zu den „pauperes", zu den Armen gehörte. Diese zahlten keine Einschreibe-
gebühren. Bedürftige Studenten hat es zu allen Zeiten gegeben, in früheren Jahrhunderten natürlich mehr als heutzutage. Betteln war keine Schande, sondern eine „aus dem Mittelalter überkommene Einrichtung". Nicht wenige pflegten das sog. Umsingen oder Gassensingen vor den Häusern, "„daß sie einen Heller oder Bissen Brot erlangten. Ob auch Johann Frey dazu gezwungen war, um sich vielleicht auf diese Weise seinen Studentenmantel zu beschaffen, wissen wir nicht. Besser ist es ihm wohl erst im letzten oder vorletzten Studienjahr ergangen, als erzürn päpstlichen Alumnus aufgestiegen ist und damit im Konvikt (Heim) Wohnung und Kost erhielt.
In Dillingen bestand das päpstliche Alumnat seit 1585, war von Gregor XIII. gestiftet worden und sollte mit der Heranbildung von Geistlichen zur „Erhaltung des katholischen Glaubens in Oberdeutschland, wo die Häresie (Ketzerei) schon so große Fortschritte gemacht" hatte, dienen. In dieses Alumnat konnten junge Männer aufgenommen werden, „welche die Humaniora (Gymnasium) und die Dialektik (Logik) absolviert hatten”. Die 20 bis 25 Alumnen waren zu den akademischen Graden verpflichtet.
Am 7. April 1587 wurde Johann Frey an der artistischen Fakultät der Universität Dillingen zum Bakkalaureus promoviert. Nach seiner Priesterweihe im folgenden Jahr erhielt er die Pfarrei Tamberg, dann die Pfarrei Ellzee (nordöstl. Weißenhorn) und im Jahre 1590 wurde er Pfarrer in Illerberg. Diese Pfarrei leitete er zweiundvierzig Jahre lang bis 1632, achtundzwanzig Jahre war er gleichzeitig Dekan des Kapitels Weißenhorn. Dann resignierte er auf die Pfarrei zugunsten seines Neffen Johann Frey aus Oberstdorf. Am 27. November 1636 ist er in Illerberg gestorben.
An der südlichen Außenseite der wunderschön gelegenen Pfarrkirche St. Martin in Illerberg ist eine Sandsteinplatte in die Wand eingelassen. Oberhalb der Inschrift kann man im Relief eine Halbfigur und ein kleines Wappen sehen. Der lateinische Text fordert den Besucher zunächst auf, zu verweilen und zu trauern und preist dann den Oberstdorfer Johann Frey als Zuflucht der Armen, Trost der Freunde, der ein goldenes Jahrhundert verdient hätte und doch den Kriegsgott erleben mußte. Im 78. Lebensjahr ist er verstorben.
Einigen an der Oberstdorfer Heimatgeschichte interessierten Personen ist Johann Frey bekannt als „fundator", als Stifter von Stipendien. Auch auf der Sandsteinplatte ist vermerkt, daß er ein Mäzen der Studenten wegen der gestifteten Stipendien war. Am 14. April 1616 Unterzeichnete „Johann Frey, von Oberstorff, uß dem Algew, Augspurger Bistumbs, pfarrer zue Illerberg, und dechant des Capitels zue Weissenhorn”' eine zehn Seiten lange Stiftungsurkunde.
Er war zu einer größeren Geldsumme gekommen und stiftete mit 3000 Gulden zwei Stipendien „Tür zwen Junge Studenten”, so ihm „mit verwandtnus und sipschaft zuegethan, uff der Universität zue Dillingen” oder für „Ehrlicher Leüth Kinder” aus seinem „geliebten Vatterland”, also aus Oberstdorf. Diese Zöglinge, die im Alumnenbau des Konvikts wohnten und in den geistlichen Stand eintreten mußten, hießen Stipendiati Freyani. Im Laufe der vielen Jahrzehnte hat so mancher junge Oberstdorfer ein Studium finanziert bekommen, das ihm seine Eltern nicht ermöglichen konnten und das er sich sonst vielleicht hätte erbetteln müssen. Deshalb verdient die soziale Tat des Obertdorfers Johann Frey, Pfarrer in Illerberg, auch heute noch unsere volle Bewunderung.
16./17. Jahrhundert: Martin Leubenstain, Johann Brutscher, Bernhard Frey - drei bedeutende Oberstdorfer
Aus der Reihe der Oberstdorfer an hohen Schulen im 16. und 17. Jahrhundert ragen drei besonders heraus: Martin Leubenstain, Johann Brutscher und Bernhard Frey. Alle drei waren Priester und gehörten dem Jesuitenorden an, alle drei waren markante Persönlichkeiten, die erfolgreich im öffentlichen Leben ihrer Zeit wirkten.
Der Studienweg, den der junge Martin Leubenstain gegangen ist, hat sich von der akademischen Ausbildung der meisten seiner Zeitgenossen erheblich unterschieden. Er begann seine Studien im Jahre 1547 an der Universität Prag, sicher an dem der Karlsuniversität angeschlossenen Gymnasium. Er war damals erst vierzehn Jahre alt. Schwer vorstellbar ist es, daß die Eltern den Buben allein in die böhmische Metropole ziehen ließen.
Martin Leubenstain ist wahrscheinlich 1533 in Oberstdorf geboren. Bei diesem Oberstdorfer haben wir ein besonderes Glück: Es sind nämlich Aufzeichnungen von seiner eigenen Hand erhalten. Leubenstain hat hier Antworten auf Fragen gegeben, die ihm bei Visitationen vorgelegt wurden. Über seine Herkunft schreibt er selbst: „Sum natione Suevus ex Oberstorff, quod paret in spiritualibus et temporalibus episcopo Augustano”. Ich bin dem Stamme nach ein Schwabe aus Oberstdorf, welches in geistlichen und weltlichen Dingen dem Bischof von Augsburg untertan ist. Bei anderer Gelegenheit, viele Jahre später, nennt er sich: "„Almangauus ex Obersdorf
Allgäuer aus Oberstdorf.
Der Name „Leubenstain” läßt sich für Oberstdorf im 16. Jahrhundert mehrfach nachweisen. Er taucht aber schon früher in unserem Dorf auf. Im 15. Jahrhundert wird ein Peter Lubbenstain als Fischer für den Geißalpsee (in Diensten des Grundherrn) genannt.
„In frühesten Jugend litt ich”, so schreibt Martin Leubenstain (in der Übersetzung), „an einem Fuße, und da gelobte mich meine Mutter in der Kirche zum hl. Leonhard, die in der Nähe meines Geburtsortes liegt. Es könnte sich dabei um die katholische Filialkirche St. Leonhard in Berghofen (Pfarrei Sonthofen) handeln.
War schon der erste Studienort, nämlich Prag, etwas ungewöhnlich, so war es der zweite, die freie Reichsstadt Nürnberg, nicht weniger: 1524/25 war dort die Reformation eingeführt worden. Im Jahr darauf gründete die Stadt „unter beratender Mitwirkung Philipp Melanchthons in den Räumen des ihm übergebenen Egidienklosters ein Gymnasium”.
Je zwei Jahre erhielt Leubenstain eine Gymnasialbildung in Prag und in Nürnberg. Im Jahre 1551, am 13. Oktober, wurde „Martinus Leibmstain” an der Universität Wien in die Matrikel eingetragen.
Er hatte sich damit eine der altehrwürdigen Universitäten in Europa herausgesucht. Nach Prag war sie die zweite Akademiegründung im damaligen Kaiserreich. Herzog Rudolf IV., der Stifter, der sie 1365 gegründet hatte, wollte das Ansehen seiner Residenzstadt mehren, gerade im Hinblick auf die Prager Konkurrenz. Von Kaiser Maximilian I. (gest. 1519) stark gefördert, erlebte sie in der Zeit des Humanismus eine neue Blüte. Als der junge Leubenstain nach Wien kam, war davon freilich wenig zu spüren. Nicht nur Kriegsnöte und Seuchen hatten einen Verfall verursacht, sondern auch die konfessionellen Konflikte. Zu dieser Zeit war ein großer Teil der Wiener Bevölkerung lutherisch, der Einfluß der Protestanten auf die hohe Schule beachtlich. Während der Studienzeit Leubenstains versuchte König Ferdinand L, der eine Ausbreitung des Protestantismus in Österreich eindämmen wollte, eine Universitätsreform (1554). Und nach Leubenstains Weggang von Wien brach jener schwere Konflikt zwischen der Universität und den Jesuiten aus, der in manchem an die Vorgänge in Ingolstadt erinnert.
Über seine ersten Studienjahre schreibt Martin Leubenstain: „Als Student führte ich ein unbeaufsichtigtes freies Leben, studierte wenig, verbrauchte viel Geld, da mein Vater wohlhabend war”. In Wien freilich scheinen die „großen Auslagen” aufgehört zu haben. Er mußte, wie in der Matrikel nachzulesen ist, keine Gebühren bezahlen. Die Matrikeltaxen zählten „zu den Haupteinnahmsquellen der Universität... neben den Kollegiengeldern und Prüfungsgebühren”. Deshalb galt diese Gebührenbefreiung fast ausschließlich für die pauperes, für die Armen.
Das wichtigste Ereignis in den Wiener Studentenjahren war für Martin Leubenstain der Eintritt in den Jesuitenorden im Januar 1556. Er habe sich früher „immer wieder mit Gewalt dazu zwingen” müssen, das Studium fortzuführen, schrieb er später. Nach der Erkenntnis aber, daß er sich Wissen und Bildung aneignen müsse, um sich „den Häretikern (gemeint sind die Lutheraner) entgegenstellen zu können”, habe er sein Leben geändert. So begründete er selbst seinen Ordenseintritt.
Nach viereinhalb Jahren verließ Leubenstain die Universität Wien. Die Ordensoberen schickten ihn zur Fortsetzung der humanistischen Studien nach Loreto und Perugia (Universität 1200 gegründet). Je vier Monate hielt er sich in diesen bekannten italienischen Orten auf. 1558 kam er nach Coimbra in Portugal. Anfang des vierzehnten Jahrhunderts war die Universität von Lissabon dorthin verlegt worden. Im Oktober und Dezember 1559 erscheint der „Martinus Germanus” als Rhetoricus, als Schüler der obersten Gymnasialklasse. In den nächsten Jahren betreibt er philosophische und theologische Studien. Wahrscheinlich wurde er in Coimbra mit dem Titel Magister artium ausgezeichnet. Anfangs 1565 ist er als Student der Theologie in Rom eingetragen. Im selben Jahr empfing er in dieser Stadt die Priesterweihe.
Wenn man die Reihe der Studienorte sich vor Augen hält, dann kann man über die Entfernungen, die Leubenstain in Europa zurückgelegt hat (meistens zu Fuß), nur staunen. Es fällt freilich auch auf, daß sein gesamter Studiengang wenig planvoll aufgebaut war.
Im Oktober 1565 trat er sein Amt als Rektor des bedeutenden Jesuitenkollegs von Ingolstadt an. Es war schon etwas ungewöhnlich, daß ihn der neue Ordensgeneral Franz Borgia dazu gleich bestellt hatte. Leubenstain kam hier unmittelbar in die Auseinandersetzung mit der Ingolstädter Universität hinein.
„Ende 1568 taucht eine der spärlichen Nachrichten über die familiären Verhältnisse Leubenstains auf. Seine Mutter war in Not geraten und begehrte die Hilfe des Sohnes. Der Bischof von Augsburg verwendete sich dann für sie, wofür Leubenstain seinen Dank aussprach”.
1570 geht er für zwei Jahre nach Dillingen, um seine theologischen Studien zu vollenden. Zugleich war er aber Minister des Kollegs, also mit verschiedenen Verwaltungsaufgaben beschäftigt.
Zu jener Zeit (1571) wollte der Provinzial P. Paul Hoffaeus (Amtsnachfolger des P. Petrus Canisius seit 1569) durchsetzen, daß P. Martin Leubenstain zum Doktor der Theologie promoviert wird. Als dieser davon hörte, wandte er sich an den Ordensgeneral und verwahrte sich gegen dieses Vorhaben; denn das sei „unstatthaft ... errege Ärgernis, weil ihm, Leubenstain, einfach die Voraussetzungen dafür fehlen”. Die Promotion fand dann nicht statt. - Eine solche Ehrlichkeit und Bescheidenheit ist nicht gerade alltäglich.
Vom August 1572 bis Juni 1574 war er erfolgreicher Prediger an der Kirche St. Moritz in Augsburg. Hier erreichte ihn auch der Auftrag für die Mission in Luzern. Damit beginnt das eigentliche Lebenswerk des P. Martin Leubenstain SJ, „dem er die folgenden zweiundzwanzig Jahre bis zu seinem Tode widmen sollte”. Er baute als erster Rektor unter großen Schwierigkeiten das Jesuitenkollegium mit der dazugehörigen Schule auf. Im Dienst der Pestkranken ist er am 29. Dezember 1596 in Luzern gestorben. Als erster wurde er in der neuen Michaelskirche bestattet.
Der Oberstdorfer Martin Leubenstain war „eine in Luzern hochgeachtete und populäre Persönlichkeit”, „ein hochgeschätzter Vertrauensmann führender Männer” in der Schweiz. Ein Luzerner Historiker schrieb: „P. Leubenstain erwarb sich sein Ansehen bei uns mehr durch seinen Charakter als vermöge seiner Tätigkeit auf der Kanzel, wenn er auch ein gern gehörter Redner war”. Er hat ein Werk grundgelegt und aufgebaut, welches das geistige und religiöse Leben Luzerns geprägt hat auf Generationen hinaus”, urteilte ein anderer.
(Fortsetzung folgt)