Oberstdorfs Bergführer - ihnen vertrauten sich Generationen von Touristen an (Teil 1)

von Eugen Thomma am 01.12.1997

„Bergführer”, eine Wortschöpfung, auf welche die deutsche Sprache nicht gerade mit besonderem Stolz blicken kann. Wer wird denn geführt - der Berg? Aber überlassen wir solche Betrachtungen lieber den „Schriftgelehrten” und wenden uns denen zu, die als Bergführer bezeichnet wurden. Wer waren sie und wie kam es zu Dienstleistungen dieser Art?

Obwohl noch nicht einmal 180 Jahre vergangen sind, fehlen schon die Namen der Betroffenen, und nur mit großer Mühe läßt sich das Geschehen von vor 100 Jahren ermitteln. Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich versuchen, ein wenig Licht in das Dunkel der Vergangenheit zu bringen. Nun, wie heißt es in einer Fernsehwerbung so schön: „Packen wir’s an, es ist viel zu tun!”

Gekrönte Häupter, Kirchenfürsten, Prinzen, Grafen und andere Angehörige von Adelsgeschlechtern übten über Jahrhunderte bei uns das Jagdrecht aus. Dorthin, wo diese Herren am leichtesten zum Schuß kommen sollten, wurden sie von ihren Jägern geleitet. Die Jäger standen als Forst- und Wildhüter im Dienste dieser Herren, und die Tätigkeit des Führens war nur ein geringer Teil ihrer Aufgabe, ein Mittel zum Zweck der Jagd. Sie waren nicht als Führer angeworben, das blieb späteren Generationen Vorbehalten.

Erst im 19. Jahrhundert waren Führer gefragt, die auch bereit waren in höhere Regionen vorzudringen, als dies Landwirtschaft und Jagd erforderten. In den Gästebüchern der drei damaligen Oberstdorfer Gasthöfe »Löwen«, »Mohren« und »Sonne« sind im Jahre 1.830 rund 140 „Übernächtler” eingeschrieben. Bis auf drei Reisende haben alle Oberstdorf aus beruflichen Gründen aufgesucht. Bei den freiwilligen Übernachtungsgästen ist in der Spalte des Reisezwecks „Lustreisende” eingetragen. In späteren Jahren sprach man von „Sommerfrischlern” und „Hearrelidd” (Herrenleut’).

Als aber in der Mitte des vorigen Jahrhunderts immer mehr dieser Sommerfrischler Oberstdorf und seine Täler besuchten, verspürten nicht wenige den Wunsch, einmal die Pracht von oben zu sehen. Einmal einen der Gipfel zu besteigen und dort allein in der herrlichen Natur Gott näher zu sein. Die einen lockten die mannigfaltige Flora, die Fauna und die Geologie in die Alpenwelt, während wiederum andere zur Befriedigung ihrer Abenteuerlust oder ihres Geltungsbedürfnisses in die Berge stürmten.

Wege und Stege gab es nur insoweit, wie sie Hirten, Bergheuer, Waldarbeiter und Jäger benötigten. Diese kannten die Pfade auch genau. Die Bergheuer, Hirten und Jäger kannten nicht nur die Wege. In ständiger Fühlung mit den heimischen Bergen wußten sie auch um deren Tücken und Gefahren. Ihr Broterwerb erforderte von ihnen, daß sie sich mit der harten Natur befaßten und ihr unter größten Mühen und oft auch Gefahren den kargen Lebensbedarf abrangen. Was lag also näher, als daß jene, die einen Berg besteigen wollten, sich so einen wegekundigen Einheimischen als Führer und Träger des Gepäcks mitnahmen. Waren diese Führer und Trägerdienste anfänglich aus Gefälligkeit gegenüber einem im Hause oder in der Nachbarschaft wohnenden „Herrn” gegen ein Trinkgeld geschehen, so entwickelte sich daraus bald eine Erwerbsquelle.

Aus so einer Verbindung profitierten beide Partner: Während der Tourist das Risiko seiner Exkursion verringerte, konnte sich der wegekundige Begleiter einige Kreuzer verdienen. Sicher sprach es sich bald herum, wer in diesem Gebiet oder in jenem besonders kundig war und wer auch als besonders guter und sicherer „Gendar” (Geher, Kletterer) galt. Diese Leute wurden dann eben öfters als „Führer” angeworben.

Bergführer - Heft 31 (Teil 1)

Der Gasthof zur »Sonne« vor dem Brand 1865.

Als der bayerische König Max I. Joseph „zur gerechten Besteuerung Meiner Unterthanen” die Vermessung des Königreiches anordnete, könnte er den Grundstein für das Bergführerwesen in Bayern gelegt haben. Nach den Befreiungskriegen (1813-1815) wurde die Armee auf Friedensstärke reduziert. Dabei wurde auch eine Menge sog. Genieoffiziere (Artilleristen, Pioniere, Festungsbauer) entlassen. Diese waren aber alle im Vermessungswesen ausgebildet. Nach heutigem Sprachgebrauch war es also eine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme (ABM), als man diese Offiziere bis in die hintersten Winkel des Königreiches schickte. Als Landvermesser hatten sie hin bis zum letzten Krautgarten die Fläche Bayerns zu ermitteln und in Karten festzuhalten. Es war wohl kein Zufall, daß fast gleichzeitig die Vermessung im Kaiserreich Österreich lief. Auch dieses Land hatte nach dem Kriege zuviel Offiziere.

Im Rahmen der Vermessung - in Oberstdorf erfolgte sie zwischen 1818 und 1820 - sind eine Reihe von Bergen, z. B. Biberkopf, Höfats, Hochvogel, Mädelegabel, Schneck, Großer Wilder und andere erstiegen worden. Ob es bei einzelnen Erstbesteigungen waren, wissen wir nicht. Auf den Gipfeln wurden Signalstangen gesetzt. Den Weg zu diesen hochgelegenen Vermessungspunkten haben den königlichen Landvermessern einheimische Bergheuer, Hirten und Jäger gewiesen.

Wie hätten die landfremden Geometer, die sicherlich noch aus dem Flachland kamen, die günstigsten Anstiege zu den Gipfeln finden sollen? Es gab keine Wege, keine brauchbaren Karten, keine Routenbeschreibungen. Für die Vermesser war alles Neuland, wenn man so will, ein weißer Fleck auf der Landkarte. Nun standen sie vor den Bergen, auf deren Häupter sie Vermessungspunkte setzen mußten, um zusammen mit anderen Fixpunkten die Triangulierung des Landes zu erreichen. Ihre Wegweiser, ihre Begleiter, das dürften Oberstdorfs erste „Bergführer” gewesen sein. Leider sind uns ihre Namen nicht überliefert.

Es ist kaum anzunehmen, daß diese „Führer” zusammen mit den Geometern selbst erstmals auf den Gipfeln oder zumindest in deren Nähe waren. Wer selbst schon Hirte, Bergheuer oder Jäger war, der weiß, daß gelegentlich die Neugierde, „wie es wohl drüben aussieht”, einen zum Grat oder Gipfel treibt. So haben jene „Führer” ihre Ortskenntnisse erlangt. Es ist doch sehr leicht denkbar, daß z. B. der Heuer vom oberen „Rote Tenne” im Laufbach oder der Hirt von „Hinterseealp” das Stückchen bis zum Grat, zum Laufbacher Eck, zum Schochen usw. hinaufgestiegen ist, weil er „is Hinderschdui”, ins Hintersteiner Tal, schauen wollte. Oder ist es so undenkbar, daß es den Schäfer, dessen windiges Hüttlein am Älpelesattel stand, einmal zur Höfats hinaufgezogen hat? Er wollte halt einmal da oben sein und schauen, wie’s weitergeht. Eines ist sicher, wegen der Edelweiße, deretwegen später so viele hinaufgestiegen sind, war er bestimmt nicht oben. Diese Blume hat erst später ihren Nimbus als die Alpenblume erlangt. Sie galt in früheren Zeiten nicht mehr als eine Margerite.

Als erste alpine Tat von Einheimischen, die der Nachwelt als Erstbesteigung in unserem Bereich überliefert wurde, gilt die Ersteigung der Trettach durch die Gebrüder Alois, Mathias und Urban Jochum aus der Birgsau im Jahre 1855. Nur das Märchen in der alpinen Literatur, daß sie einer Gemse folgten und so auf den Gipfel kamen, das glaube ich nicht. So dumme Gemsen, die dorthin gehen, wo kein Hälmchen Gras zu finden ist, kommen bei uns nicht vor.

So wie die Gebrüder Jochum dürften vor ihnen schon viele aus Neugierde und „Spaß an der Freud’” den Großteil unserer Berge bestiegen haben. Keine Zeitung, keine Illustrierte, kein alpines Fachorgan hat diese Taten festgehalten. Ganz im Gegenteil, die Besteiger waren gar nicht daran interessiert, daß ihre Ausflüge bekannt wurden. Welcher Jäger, Hirt, Senn oder Schäfer will schon ausplaudern, daß er während der Zeit, wo er eigentlich andere Arbeiten zu verrichten gehabt hätte, irgendwo „herumgeklummen” war? Ja selbst später, als Wissenschaftler und Touristen „Erstbesteigungen” durchführten, werden die Namen ihrer Führer, die ja die Hauptarbeit geleistet haben, schamhaft verschwiegen. Der Führer war hier nur Mittel zum Zweck.

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Urban Jochum, der mit seinen Brüdern Alois und Mathias als erster die Trettach bestiegen hat.

Erstmals im Jahre 1836 wird uns ein Name übermittelt. Da führte der Oberstdorfer Jäger Ignaz Dorn, der Vater des später als „Adlerkönig” bekannt gewordenen Jägers Leo Dorn, einen Herrn auf den Hochvogel. Es war dies anscheinend noch eine solche alpine Großtat, daß - wahrscheinlich der Geführte - ein ca. 40 cm hohes Kreuz aus einer Kupferlegierung fertigen ließ, das folgende eingravierte Inschrift trägt:

„Denkzeichen"
Von dem Rentmeister F. A. Bizzenberger in Minksroth in Würtenberg welcher den Hochvogel in Begleitung des Ignatz Dorn von Oberstdorf am [Lücke im Original] ten July 1836 bestiegen hat.

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Das Kreuzchen, das wohl auf den Gipfel des Hochvogel gesetzt werden sollte, weist keinerlei Bearbeitungs- oder Werkzeugspuren auf. Es sind auch keine Anzeichen von Verwitterung sichtbar. Das Kreuzchen hat also seinen vorgesehenen Standort nie erreicht. Heute zeugt es im Oberstdorfer Heimatmuseum von den Anfängen des Alpinismus im Allgäu.

Ob Ignaz Dorn, von dem wir wissen, daß er eine Zeitlang im Montafon als Jäger im Dienst stand, auch weiterhin als Führer tätig war, kann ich nicht belegen, aber es ist sehr wahrscheinlich. Laut Aussage seines Sohnes Leo haben Ignaz Dorn und Ignaz Metzler - der „Schwäblar” - schon 1834 den Hochvogel bestiegen. Dem Hersteller des Kreuzchens bzw. dem Graveur war der genaue Tag der Hochvogelbesteigung nicht bekannt, und das spätere Einsetzen des Datums unterblieb aus unerklärlichen Gründen. Im Schaft des Kreuzchens hat sich der unbekannte Meister mit seinem Zeichen (zwei gekreuzten Schlüsseln) verewigt.

Joseph Ignaz Dom war am 3. März 1790 in Oberstdorf geboren worden, verheiratete sich am 26. Januar 1835 mit der Metzgerstochter Genofeva Schmelz von Ruben (Rubi) und ist am 26. November 1845 in Chur, Kanton Graubünden, verstorben. Der Familie Dom gehörte das Anwesen Nr. 97, das etwas nördlich vom heutigen Geschäftshaus des Franz Ohmayer an der Metzgerstraße stand. Beim großen Brand von 1865 wurde auch dieses Haus vernichtet.

Wie schon beschrieben, waren um 1820 die Landvermesser in Oberstdorf tätig. Die nächste Personengruppe, die Führer in unseren Bergen benötigte, waren die Wissenschaftler. Geologen und Botaniker erforschten unsere nähere Heimat. In diesem Zusammenhang werden wieder Namen von einheimischen Führern genannt. Wir hören da, daß der nachmalige Professor Carl Wilhelm von Gümbel bei der geognostischen Durchforschung der Allgäuer Alpen (1854) von dem Oberstdorfer Träger Seelos begleitet war. Nachdem es bei uns damals den Begriff „Bergführer” noch nicht gab, ist dieser Träger Seelos als der Führer des Gelehrten zu bezeichnen. Es ist bekannt, daß von Gümbel 1854 die Krottenspitze und die Öfnerspitze erstiegen hat. Mit Sicherheit hat ihn Seelos dorthinauf geleitet.

Obwohl keine weiteren Hinweise auf „den Seelos” in der alpinen Literatur zu finden sind, kann es sich nur um den am 11. Dezember 1812 in Oberstdorf geborenen Söldner Johannes Seelos gehandelt haben. Seelos lebte auf dem Anwesen Hs. Nr. 262 (heute Windgasse 5, Titscher), war unverheiratet und starb am 6. September 1868 in Oberstdorf.

Der Botaniker Otto Sendtner durchstreifte Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre im vorigen Jahrhundert einige Sommer lang die Allgäuer Alpen. Geführt wurde er von dem Oberstdorfer Jagdgehilfen Franz Schafhittel. Als „treu, wortkarg und aller Wege kundig” bezeichnete der Gelehrte seinen Begleiter. Jener hatte aber nicht nur diese Eigenschaften, er war auch ein sehr mutiger Mann. Er bewies dies u.a. dadurch, daß er sich an einem Seil in die Tiefe ließ und aus Adlerhorsten die Jungvögel ausnahm. So ein „Adlerfang” war jedesmal ein kleines Volksfest, so auch im Jahre 1854 im Oytal. Schon eine Woche zuvor war im ganzen Allgäu der genaue Zeitpunkt des Spektakels bekanntgegeben und zur Teilnahme eingeladen worden, der Zuschauerstrom war entsprechend. Aber lassen wir doch einen Augenzeugen, den Oberstdorfer Arzt Dr. Joseph Groß, selbst erzählen: „Bereits Vormittags füllte sich die Thalebene unter der Adlerwand mit schaulustigem Publikum. Improvisierte Wirthschaften schlugen ihr Geschäft in einem Fichten Wäldchen auf und die Blechmusik Oberstdorf spielte in den Zwischenräumen lustige Weisen. Gegen Mittag mochten wohl anderthalbtausend Zuschauer versammelt seyn und immer mehrte sich die Menge noch durch Zuzüge aus nah und fern, aus Sonthofen, Immenstadt und Kempten.”

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Der Jagdgehilfe Franz Schafhittel.

Der Adlerfang sollte also im Rahmen eines richtigen Volksfestes erfolgen, und ein solches wurde es auch. Nach Abschuß des Altadlers und als das Publikum die Spannung kaum mehr ertragen konnte, begann pünktlich 3 Uhr nachmittags die „Vorstellung”. Doktor Groß berichtet weiter: „Oben auf dem Kamme der Wand erblicken die Fernrohre und auch ein unbewaffnetes scharfes Auge den Mann des Wagnisses, den Jägerburschen Franz Schafhittel, in weißes Linnen gekleidet, um ihn an der dunklen Wand besser unterscheiden zu können.

Er setzte sich auf das Querholz am Ende des Taues und es begann langsam und bedächtig die Fahrt in die grausige Tiefe. . . . Noch eine kleine halbe Stunde und der Jägerbursche erschien unter den Zuschauern im Thale mit dem geraubten jungen Adler.“ - Franz Schafhittel war hier also der Held des Tages! Wie oft Schafhittel an solchen „Adlerfängen”, die mehr als ein dutzendmal stattfanden, beteiligt war, wissen wir nicht. Mit Sicherheit wissen wir aber, daß er im Jahre 1865 aus der Anatssteinwand im Birgsautal zwei Jungadler auf einmal ausgenommen hat. Franz Schafhittel war aber auch sonst in alpinen Kreisen kein Unbekannter.

Bereits 1851 geleitete er seinen „Chef’, den in Oberstdorf eingesetzten königlichen Förster Joseph Schwarzkopf, sowie Forstmeister Goldmaier und den Jagdgehilfen Brandner, beide aus Burgberg, auf den Bockkarkopf. Im Jahre 1854 hat Franz Schafhittel auch ein Fräulein Anna (Familienname und Namen evtl, weiterer Begleiter fehlen) auf die Höfats geführt. Wir wissen auch über die Führertätigkeiten Schafhittels am Biberkopf. Da die Herren Dr. Sendtner und von Gümbel auch den Widderstein bestiegen haben, ist anzunehmen, daß sie auch dorthin von den jeweiligen Führern Seelos bzw. Schafhittel geleitet worden sind.

Interessant im Zusammenhang mit dem Widderstein ist eine Aufzeichnung Dr. Schnors aus dem Jahre 1856: „Auf der Spitze des Widdersteins - so geht die Sage - lag vor nicht langer Zeit ein zugehauener Balken, ein Stück der Arche Noah; den dazugehörigen Anker will man auf einem Berg bei Telfs im Oberinnthale gefunden haben.” - Was eine halbverfaulte Signalstange von der Landvermessung aus den Jahren 1816 bis 1820 doch alles für Mären in Umlauf bringen konnte!

Franz Schafhittel (auch Schaafhittl geschrieben) war am 15. Januar 1812 in Oberstdorf geboren. Als Berufe sind uns überliefert: Söldner, Bauer, Taglöhner, Jäger und Bergführer. Er verehelichte sich am 25. Februar 1862 mit Theresia Zeller und nach deren Tod am 25. Februar 1878 mit Maria Leopoldina Wüstner. Die Eheleute lebten auf dem Anwesen Hs. Nr. 282 (heute Blumengasse 4, Huber). Am 17. Februar 1881 endete das Leben von Franz Schafhittel.

Für die Höfats hatte sich Professor Sendtner einen speziellen Führer auserkoren, den „Schwäblar”, der mit bürgerlichem Namen Ignaz Metzler hieß. Metzler war im Hauptberuf Nagelschmied und betrieb auch eine kleine Landwirtschaft.

In der »Allgemeinen Zeitung« vom 1. September 1853 schrieb Prof. Sendtner in seinem Artikel über das Allgäu: „Wer das Herz hat mit einem verwegenen Gesellen einen Gang zu tun und die Kraft es mit ihm aufzunehmen, dem darf ich die Höffats mit ihren vier Spitzen empfehlen. Dazu braucht er den Ignaz Metzler von Oberstdorf, genannt Schwäbler. Schwäbler und die Höffats gehören zusammen. Sie wetteifern an Schlankheit, Grazie und Härte. Vor Zeiten, als er noch jung war, hat Schwäbeler da mit den Gemsen sein Wesen getrieben. Jetzt wird er alt. Die Höffats bleibt dieselbe. Geht es auch, wie er sich ausdrückt, mit seinen Kräften ,litzel’, so muß man doch, wenn man nicht blos gut, sondern schön steigen sehen will, dem Schwäbler an der Höffats zuschauen.

Da kann man sehen, was dem menschlichen Fuß erreichbar ist, wenn man von ihren Zinnen die ,Schnur’ vom Oytal nach der ,Scharte’ und die Stiege betrachtet, eine senkrechte Felswand an der Nordseite. Da freut es immer noch den Alten die Gemsen zu höhnen, denen seine Pfade unzugänglich sind. Ignaz Metzler ist der beste Führer für die Besteigung dieses Berges. Doch wächst jetzt ein junges furchtloses Geschlecht von Führern heran, mit dessen Rath und Hilfe, hat Schwäbler nicht Muße, man den Gefahren der Höffats trotzen darf.” Soweit die Ausführungen des Gelehrten über seinen alpinen Begleiter. Auf dem Westgipfel der Höfats meinte der Professor pathetisch, er „stehe auf einem schmalen Stein” in dieser luftigen Höhe, worauf der Schwäbler ernüchternd sagte: „Dea Gipfl isch so groaß, do kinnd ja a Küeh hiflacke.“ Der Bergführer war zu der Zeit, als Sendtner über ihn schrieb, bereits 58 Jahre alt.

Der Vater des Ignaz Metzler, Sylvest Metzler, war um 1780 als Nagelschmied vom „Hochfürstlich Thurn & Taxisschen Flecken Dürmentingen”, Kreis Marbach, also „aus dem Schwäbischen”, zugezogen, daher der Name „Schwäblar”. Ignaz Metzler war am 29. Mai 1795 in Oberstdorf geboren, heiratete am 19. September 1831 Maria Rosa Übelhör und wirkte auf dem Anwesen Hs. Nr. 174 in der heutigen Nebelhornstraße und später auf Hs. Nr. 217 in der Zobelsgasse (heute Fischerstraße). Beide Häuser brannten 1865 ab. Das Leben des legendären „Schwäblars” endete am 1. Mai 1871.

Als kühner, ja als verwegener Führer aus der Mitte des 19. Jahrhunderts wird uns an verschiedenen Stellen der alpinen Literatur der Jagdgehilfe Thaddäus Blattner geschildert. Als etwa zwanzigjähriger Bursche soll er 1846 oder 1847 das erste Gipfelkreuz auf den 2.268 Meter hohen Schneck gesetzt haben. Der junge Bursche sei zu jener Zeit „in der Nähe” des Schneck als Schafhirte tätig gewesen und habe diesen Berg mehrmals „zum Spaß” bestiegen. Die Gratschneide, die von den meisten späteren Besteigern im Reitsitz gemeistert wird, habe Blattner natürlich mit der Stange für den Gipfel aufrecht überschritten.

Später, als Blattner Jagdgehilfe bei seiner Kgl. Hoheit Prinz Luitpold von Bayern war, gehörte die Höfats in sein Revier. Was heute noch, trotz entsprechender Ausrüstung und Klettertechnik, ansehnliche Touren sind, schaffte damals der Jäger mit Rucksack, Bergstock und Gewehr. Blattner war wohl in erster Linie gemeint, als Professor Sendtner im Zusammenhang mit dem alternden Schwäbler schrieb, daß jetzt ein „junges furchtloses Geschlecht von Führern” heranwächst, mit dem man den Gefahren der Höfats trotzen kann. Anton Spiehler schreibt in dem Buch »Die Erschließung der Ostalpen« im Abschnitt über die Höfats: „Der Übergang vom Rauhen Hals ins Kleine Loch führt auf der Seite des Ersteren über eine aus glatten überhängenden Schrofen gebildete schwierige Stelle, die im Naturzustand nur Leuten von Blattner’s Nervenkraft’ bewältigbar und auch für Gemsen unpassierbar war.”

Thaddä Blattner war aber nicht nur Höfatsspezialist. Er führte z. B. am 27. August 1857 den Memminger Bezirksarzt Dr. August Holler auf den Biberkopf. Es war dies die Erstbesteigung des 2.599 Meter hohen Felsgipfels von der Salzbichlseite, also von der bayerischen Seite aus. Dr. Holler befaßte sich in unserem Raum insbesondere mit Bryologie (Mooskunde).

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Der Jagdgehilfe Thaddäus Blattner und später der erste Gastwirt am Kühberg.

Am 24. Oktober 1824 in Oberstdorf geboren, wuchs Blattner in seinem Elternhaus Hs. Nr. 19 in der Oberen vorderen Gasse (heute Oststraße 30, Anwesen Eberle/Vögler) auf und führte ein Leben mit Höhen und Tiefen. Er heiratete am 15. November 1858 Barbara Schratt. Die Eheleute erwarben den »Kühberg« und richteten dort eine Sommerwirtschaft (heute Gasthof Kühberg) ein. Bauer, Jäger und Wirt sind uns als seine Berufsbezeichnungen überliefert. Nach dem Verkauf des Kühbergs lebte Thaddä Blattner bis zu seinem Tode, am 17. März 1895, auf Hs. Nr. 134 1/2 (heute Pfarrstraße 12, Korneß).

In Einödsbach, am Fuße der Mädelegabelgruppe, war da noch der Vincenz Schraudolph, der als besonders tüchtiger „Mädeli-Führer” geschildert wird. Als Sohn der Eheleute Joannes Schraudolph und Maria Bürgerin war er am 5. April 1801 in Einödsbach geboren. In den Bergen groß geworden und mit ihren Gefahren vertraut, wurde er trotzdem ihr Opfer. Am 21. Juni 1858 verunglückte er tödlich. In der Sterbematrikel des Oberstdorfer Pfarrarchivs ist zu lesen: „Verunglückte durch einen Fall über einen steilen Berg, und fiel in ein Wasser, wo er erst nach 3 Tagen gefunden wurde.” Der damalige Ortsgeistliche Pfarrer Borgias Heller setzte noch folgende Anmerkung hinzu: „Vincenz Schraudolph v. Einödsbach, von Jugend auf als Hirt, Bauer und Gemsjäger an den steilen Wänden des Mädli umkletternd, galt als bester Besteiger und Führer auf die Mädeli-Gabel. Holz fällend glitt er im Grase aus und stürzte bei Einatsbach über mehr als 200’ [Anm.: 200 Fuß = ca. 60 Meter] hohe Wände in den durch die Stillach gebildeten Einatsbacher Zwing, worin er zerschmettert im Wasser gefunden wurde.” Vincenz Schraudolph war unverheiratet und hatte ein Jahr vor seinem Tode das Anwesen Hs. Nr. 90 (heute Oststraße 10, Foto Müller) von Dr. Joseph Groß erworben.

Als weiteren Führer finden wir in der Literatur immer wieder einen „Ruedorfer”. Ein Ruedorfer ist aber in jener Zeit in keinem Kirchenbuch verzeichnet und auch sonst nicht feststellbar. Es gab zwar um und vor 1850 einen Hausnamen „Ruedolfar”. Er galt für die Familie Hindelang auf Hs. Nr. 173. Eine Bergführertätigkeit ist bei jener aber nicht überliefert. Mit Sicherheit handelt es sich bei dem ”Ruedorfer” um einen Hör- oder Schreibfehler, und es müßte „Lüedorfer” heißen. ”Lüedorfer ist aber wiederum ein Hausname, und dessen Träger führen den bürgerlichen Namen Weitenauer. Wendelin Weitenauer und dessen Söhne Alois und Wendelin jun. werden wir später als autorisierte Bergführer kennenlernen.

Der Großvetter des Wendelin sen., der Jäger Thaddäus Weitenauer, das könnte besagte „Rüedorfer" gewesen sein, d.h. ich bin mir sicher, daß er es war. Diese Annahme wird durch eine Aufzeichnung des Immenstädters Franz Glötzle allein schon fast zur Sicherheit. Unter dem 24. August 1855 hat Glötzle in sein Skizzenbuch eingetragen, daß er zusammen mit dem Lehrer Caflisch und weiteren sieben Männern die Mädelegabel bestiegen hat. Diese Männergesellschaft wurde aufgelockert durch die Anwesenheit der „Jungfer Johanna Weitenauer” aus Oberstdorf. Da die damals 19 Jahre alte Johanna erst später die Ehefrau des Bergführers Ignaz Zobel wurde, hätten es ihre Eltern nie erlaubt, daß ein junges Rädchen ohne entsprechenden Schutz (Vater oder Bruder) mit einer Reihe fremder Männer auf einer Alphütte (Obermädele) übernachtet hätte.

Weil aber der Führer „Ruedorfer” der Vater des Mädchens war, war für Ruf und Tugendhaftigkeit gesorgt. Übrigens hatte die mutige Johanna schon 1853 mit ihrem Vater die Höfats bestiegen. Es ist daher anzunehmen, daß der Jäger Weitenauer vorher schon öfters auf der Höfats war. Für eine Klettertour, wo er sich hätte selbst erst den Weg suchen müssen, hätte er bestimmt nicht seine damals siebzehnjährige Tochter mitgenommen. Bei der Höfatstour war auch der Bader Thaddäus Tauscher, der unmittelbare Nachbar Weitenauers, mit von der Partie.

Bauer, Schuster und Jagdaufseher sind uns als Berufe des Thaddä Weitenauer überliefert. Der am 22. Oktober 1803 in Oberstdorf Geborene heiratete am 19. November 1827 Theres Fürstenhäuser aus Rubi. Sein Anwesen Hs. Nr. 144 in der Pfarrgasse (heute Pfarrstraße 2a, Supermarkt »Plus«) brannte 1865 ab und wurde nicht mehr aufgebaut. Thaddä Weitenauer war aber schon am 14. Mai 1860 verstorben.

Unter der zehnköpfigen Touristengruppe, die am 24. August 1855 die Mädelegabel bestiegen hat, soll auch der Oberstdorfer Hafner Joseph Hipp gewesen sein. Er habe den Anstieg zur Mädelegabel erkunden wollen, weil auch er gelegentlich Touristen geführt hat. In der zweiten Auflage seines »Handbuchs für Reisende durch Algäu, Lechthal & Bregenzerwald«, die 1866 bei Tobias Dannheimer in Kempten erschien, schreibt Joseph Buck zur Besteigung der Mädelegabel: „Als verläßiger Führer ist N. Hipp von Oberstdorf zu empfehlen, er hat den Berg schon 68mal erstiegen und weiß über Bergnamen, Pflanzen ect. genügend Bescheid; man bezahlt für diese Tour 3 bis 4 fl [Anm. Gulden] und freie Zehrung an den Haltestellen.

Nehmen mehr als 8 Personen an einer solchen Bergtour Theil, so ist sehr zu rathen, einen zweiten Führer mitzunehmen. Theils wegen des Gepäcks, nochmehr, weil der einzelne Führer bei der sehr verschiedenen Gangart der Theilnehmenden die Caravane ohne Zeitverlust unmöglich zusammen zu halten vermag und daraus oft die unangenehmsten Zwischenfälle entstehen können.” Soweit Joseph Buck, der in den fünfziger und sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts als Maler, Zeichner und Reiseschriftsteller Oberstdorf mehrmals besuchte.

Joseph Hipp war ursprünglich Hafner (Ofensetzer, Töpfer) und übte den Bergführerberuf nebenbei aus. Er muß aber ein sehr gefragter Führer gewesen sein, denn an anderer Stelle wird bereits 1867 von seiner 78. Führungstour zur Mädelegabel berichtet.

Am 29. Juli 1869 führte Hipp wieder einen Touristen auf die Mädelegabel, als er auf der benachbarten Trettach zwei Gestalten sah. Es waren dies keine Geringeren als der Freiherr Hermann von Barth mit seinem Führer Johann Baptist Schraudolph aus Einödsbach. Schraudolph hatte darauf bestanden, daß der Großteil des Gepäcks am Einstieg zurückgelassen wurde, aber die „Kaffeebereitungsmaschine” mußte mitgenommen werden. So schlürften Hermann von Barth und Johann Baptist Schraudolph auf dem Gipfel der Trettach ihren heißen Mocca, während ihnen Führer Hipp und sein Tourist vom Gipfel der Mädelegabel kräftig mit Kirschgeist zuprosteten.

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Hermann Freiherr von Barth, Rechtspraktikant
am Kgl. Landgericht Sonthofen.
(Fotografie ca. 1869)

Wie es sich denken läßt, war Hipp eine erhebliche Konkurrenz für den Mädelegabelführer Johann Baptist Schraudolph. Hipp hatte gegenüber seinem Konkurrenten einen großen Vorteil: Der Anstieg über Spielmannsau, den Hipp nutzte, mit der Nächtigungsmöglichkeit auf der Alpe Obermädele, bot auch etwas schwächeren Steigern die Chance der Mädelegabelbesteigung.

Dieser Nachteil für Schraudolph wurde erst 1875 durch den Bau des Waltenbergerhauses wettgemacht (Schraudolph hat sich um diesen Bau sehr bemüht).

Als Folge eines Sturzes vom „Tiefenbacher Steg” ins Flußbett der Breitach hatte Hipp in späteren Jahren einen gelähmten Arm. Im Rahmen eines Interviews erzählte Schraudolph dem Schriftsteller Modlmayr, der Sturz sei im Rausch geschehen. Ich werte das als Beweis, daß sich Schraudolph und Hipp nicht ganz grün waren.

In späten Jahren verdiente sich Hipp als Gemeindediener, Flurwächter, Krämer und Nachtwächter seinen Lebensunterhalt. Er war am 29. November 1804 in Oberstdorf geboren, verheiratete sich am 8. Januar 1824 mit Agnes Berktold und lebte mit seiner Familie auf dem Anwesen Hs. Nr. 228 (heute Weststraße 13, Eisen-Zobel). Joseph Hipp starb am 24. Mai 1877 in Oberstdorf.

Da war auch noch der Freund des Thaddäus Blattner, der Jagdgehilfe Leo Dorn, der Sohn des uns schon bekannten Joseph Ignaz Dorn. Leo Dorn und Thaddä Blattner trieben sich gegenseitig - insbesondere an der Höfats - immer zu neuen alpinen Taten an. Am 19. August 1875 setzte dann Dorn mit einigen Helfern „ein 12 bis 14 Fuß hohes Kreuz” auf den Schneck. Leo Dorn, der später als des Prinzregenten Oberjäger tätig war, erlegte im Verlaufe seines langen Lebens 78 Steinadler, was ihm den Titel „Adlerkönig” einbrachte. Laut Überlieferungen soll er gelegentlich Touristen geführt haben. Bisher konnte ich dafür allerdings keine schriftlichen Beweise finden.

Der „Adlerkönig” war am 16. Januar 1836 in Oberstdorf geboren worden. Er verehelichte sich am 23. Oktober 1862 mit Crescentia Dornacher aus Hindelang und verzog dorthin. Am 15. November 1915 ward ihm das letzte Halali geblasen.

Bergführer - Heft 31 (Teil 1)

Der „Adlerkönig" Leo Dorn.

Die „Dritte gänzlich umgearbeitete Auflage” des Reiseführers von Joseph Buck, 1878 als »Wegweiser durch das Algäu, Lechthal und Bregenzerwald« erschienen, beinhaltete auch den Bergführertarif von Oberstdorf. Fälschlich war dieser als Bergführerordnung überschrieben.

Bergführer - Heft 31 (Teil 1)
Bergführer - Heft 31 (Teil 1)
Bergführer - Heft 31 (Teil 1)

Alle innerhalb des Tarifwerkes nicht aufgeführten Touren waren der freien Vereinbarung zwischen Tourist und Führer überlassen. Joseph Buck veröffentlichte in diesem Buch nicht nur den Führertarif, sondern meines Wissens auch erstmals eine Aufstellung der Oberstdorfer Führer. Wir lesen da: „Führer für Bergtouren sind: Alex Köcheler, Max Kappeler jun., Thimot. Kappeler, Schraudolph in Einödsbach für Mädelegabel.” Die alte Garde der Führer wie Seelos, Schafhittel, Metzler, Blattner, Vincenz Schraudolph, Thaddä Weitenauer und Hipp war schon abgetreten. Einige deckte schon der grüne Rasen. Die Jungen mußten sich jetzt Sporen verdienen.

Über Alex Köcheler schrieb Hans Modlmayr in seinem Buch »Bunte Blätter aus dem oberen Allgäu« das nieder, was ihm im Jahre 1902 Johann Baptist Schraudolph bei einem Gespräch in Einödsbach erzählt hat: „Der Bergführer Xaver [Anm.: richtig Alexander] Köcheler hat die Kräuter besser gewußt (als ich) und sie auch gesucht und dann vom Apotheker Oskar von Kolb aus Kempten bestimmen lassen.

Köcheler war ein Bauernbursch, so ein halb verlassener, der im Winter die paar Gulden wieder aufbrauchte, die er im Sommer verdiente.” In dem hervorragenden Werk »Die Erschließung der Ostalpen« überliefert uns Anton Spiehler eine Besteigung des Hochvogels. Alex Köcheler hat demnach zusammen mit dem Hintersteiner Führer Fügenschuh und dem Oberstdorfer Träger Karl Brutscher im Jahre 1879 die Herren Alfred und Edmund Probst vom Oytal aus geführt. Laut dem vom Alpenverein herausgegebenen »Verzeichnis der autorisierten Führer« von 1886 hat Köcheler, der ab 1876 autorisiert war, besonders die Touren Mädelegabel, Krottenkopf, Hochvogel, Hoher Ifen und Widderstein geführt.

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Bergführer Alexander (Xander) Köcheler (links)
mit einem seiner Touristen.

Alexander Köcheler war der Sohn des Feilenhauers Alex Köcheler und dessen Ehefrau Maria Anna, geb. Jörg. Der Junge wuchs im elterlichen Anwesen Hs. Nr. 209 (heute Weststraße 5, Gerstmair) auf. „Lonzars Xandr”, wie er im Volksmund hieß, war am 24. Januar 1835 in Oberstdorf geboren und blieb unverheiratet. Er arbeitete als Taglöhner (teils im Gasthof »Zum Mohren«) und lebte zuletzt im Anwesen Hs. Nr. 86 (heute Oststraße 12, Bierstedt) bei Norbert Brutscher. Köcheler war der erste Oberstdorfer Führer, der aus dem Unterstützungsfond für invalide Bergführer, den der Deutsche und Österreichische Alpenverein eingerichtet hatte, eine - wenn auch ganz geringe - Rente erhielt. Erst 58 Jahre alt, starb Alex Köcheler am 13. Mai 1892 in Oberstdorf.

Weit weniger als über Köcheler wissen wir über die Führertätigkeiten der beiden Kappeler. Lediglich das „Verzeichnis der autorisierten Führer” von 1887 sagt aus, daß Timotheus Kappeler seit 1876 autorisiert war und Touren auf das Nebelhorn, die Mädelegabel und den Hohen Ifen geführt hat. Von Timotheus Kappeler sind uns Bilder überliefert. Er muß eine interessante Gestalt gewesen sein. In einer Notiz im Jahresbericht 1890 der Sektion Allgäu-Immenstadt heißt es, daß . . dem bisherigen Führer Thimoteus Kappeler dort, dem die Bewirthschaftung seines Anwesens die jederzeitige Abkömmlichkeit nicht ermöglicht, die Eigenschaft als autorisierter Führer entzogen werden mußte.”

Timotheus Kappeler war am 9. Oktober 1843 als Sohn der Eheleute Franz Kappeler und Maria, geb. Spiß, in Oberstdorf geboren. Er lebte auf dem Anwesen Hs. Nr. 129 (heute Obere Bahnhofstraße 3, Hans Huber), arbeitete als Schuhmacher und verehelichte sich am 4. Februar 1874 mit Josepha Höfler. Im Jahre 1876 erwarb er das Haus mit der Hs. Nr. 90, das einst Vincenz Schraudolph gehört hatte. Am 25. August 1909 erfüllte sich Timothä Kappelers Leben.

Bergführer - Heft 31 (Teil 1)

Bergführer Timotheus Kappeler,
„Aliselars Mothes”

Bei dem Max Kappeler jun. muß es sich um den jüngeren Bruder des Timotheus gehandelt haben. Ich konnte bisher allerdings keinerlei Aufzeichnungen über Touren, Touristen, Autorisierung oder dergl. auffinden. Aber 1878 war sonst kein Max Kappeler da, auf den die Beifügung „Junior” gepaßt hätte. Vor allem aber spricht sein späteres Tun dafür, daß er sich fürs Alpine interessierte.

Besser bekannt war Max Kappeler unter dem Hausnamen „Alieselars Mäxele” oder kurz ,,‘s Mäxele”. Er war 1896/97 der Erbauer des Oytalhauses und von da bis 1912 dessen Wirt. Auch der Ausbau des Gleitweges 1898 geht auf ihn zurück. Am Gleitweg, unweit des Seealpsees, stand einst eine von ihm errichtete Unterstandshütte. Der Platz heißt heute noch „Mäxeles Egg”. In Oberstdorf erbaute Max Kappeler die Pension »Maxheim« (heute Bachstraße 2, Schölderle). Als Berufsbezeichnungen finden wir bei ihm Schuhmacher und Gastwirt. Er war am 27. November 1850 in Oberstdorf geboren und verheiratete sich mit Ludwina Enzensperger aus Sonthofen. Sein Leben endete am 12. September 1919 in Oberstdorf.

Bergführer - Heft 31 (Teil 1)

Max Kappeler, „Aliselars Mäxele”,
der spätere Erbauer des Oytalhauses
und dessen erster Wirt.

Bei dem in Bucks Reiseführer genannten „Schraudolph in Einödsbach” handelte es sich um den später bekannten Johann Baptist Schraudolph, „Bachars Babischd”. Er, der Wirt von Einödsbach, war zu dieser Zeit schon ein Mann von 52 Jahren. Er war Oberstdorfs erster autorisierter Bergführer. Über das Jahr der Autorisierung streiten sich die Götter. Einmal heißt es 1868, und in anderen Berichten wird von 1876 gesprochen. Ich glaube, daß 1876 stimmt, den wer hätte 1868 eine Erlaubnis dieser Art geben sollen? Der Alpenverein, der später die Behörden dazu anregte, kam ja erst 1869.

Der Vorstand der Alpenvereinssektion Allgäu - Kempten, Professor Max Förderreuther, schreibt 1907 in seinem umfassenden Werk »Die Allgäuer Alpen« über die Schraudolphs: „Die ersten Mädelegabel-Führer waren die beiden Vettern Vincenz und Johann Baptist Schraudolph”. Hier irrt Förderreuther, zumindest was Johann Baptist betrifft, denn Seelos, Schafhittel, Blattner u.a. waren dem voraus. Förderreuther schreibt dann über das tragische Ende von Vincenz und berichtet über Baptist: „Johann Baptist dagegen, der vielgefeierte Veteran der Allgäuer Bergführer, der die Mädelegabel mehr als vierhundertmal bestiegen hat, lebt heute noch als hochbetagter, aber immer noch rüstiger Greis in Einödsbach”. Ein Jahr, nachdem Förderreuther diese Zeilen geschrieben hatte, ging Johann Baptist Schrau- dolph in die Ewigkeit hinüber.

Über „Babischd” gäbe es alleine mehr zu schreiben, als über alle bisher genannten Führer zusammen bekannt ist. Er war ein berühmter Mann. Er wußte das auch und stellte sein Licht nicht unter den Scheffel. So wurde z. B. die 300. Mädelegabel-Besteigung schon Tage vorher in der Zeitung angekündigt.

Schon als Knirps mit zehn Jahren erklomm der später bekannte Führer mit seinem 25 Jahre älteren Vetter Vincenz den Gipfel der „Gabi”. Es sollte dies später sein Lieblingsberg werden. Wieviele Besteigungen dieses Gipfels er genau durchführte, läßt sich nicht mehr erforschen, aber auf ein paar mehr oder weniger kommt es bei dieser Vielzahl nicht an. Die erste Führung überhaupt soll 1855 mit einem Herrn Demmler aus Leipzig gewesen sein.

Bis zur Einführung der Führerbücher 1875 waren es dann an die 40 Partien, die Baptist hinaufgeführt hat. Das erste Führerbuch ist 1883 schon vollgeschrieben, 1885 auch das zweite. Die Auflistung der Touren aus den beiden Büchern zeigt deutlich, daß Baptist ein „Gabel-Spezialist” war. In zehn Jahren war er 145mal oben. Bei den anderen Gipfeln verteilen sich die Besteigungen im gleichen Zeitraum wie folgt: Hohes Licht 12, Widderstein 3, Biberkopf 11, Krottenkopf 2, Höfats 1, Hochfrottspitze 3, Trettachschrofen (Spitz) 8, Mohnenfluh 1. Dazu kommen über 50 Touren wie Haldenwanger Eck, Schrofenpaß, Einödberg, Spätengundkopf und andere. Waren es 1875 noch zehn und 1876 gar nur sechs Führungen zur Mädelegabel, so steigerten sich diese Zahlen in den folgenden Jahren immer weiter.

Am 15. August 1887 war im Mitteilungsblatt des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins zu lesen: „Der Führer Schraudolph von Einödsbach hat am 1. August seine 201. Tour auf die Mädelegabel unternommen, an welcher sich der Vorstand und mehrere Mitglieder der Sektion Algäu-Immenstadt betheiligten. Auf der Spitze hielt der Vorstand eine Ansprache, in welcher er der trefflichen Eigenschaften des im Dienste der Touristen ergrauten 62-jährigen Führers gedachte.”

Im Sommer 1892, also nur fünf Jahre nach obigem Geschehen, wird Schraudolph bereits für seine 300. Mädelegabel-Führung von der Sektion mit einem Pokal geehrt. Nach seinem 66. Wiegenfest hat der Führer-Veteran noch über 100 Besteigungen hinzugefügt, so daß insgesamt 416 in den Führerbüchern nachzuweisen sind. Mit den rund 40 vor Einführung der Bücher und den privaten Exkursionen in der Jugendzeit setzte Baptist rund 460mal seinen Fuß auf den mit 2.646 Metern höchsten Punkt der Gemeinde Oberstdorf.

Schraudolph war der erste Führer, der einen Touristen auf die Trettach geleitet hat. Daß dies noch der später so bekannte Alpinist und Alleingänger Hermann von Barth war, trug besonders zu Schraudolphs Ruhm bei. Für diese Tour hat Baptist ein „Honorar” von einem Gulden verlangt. Der hochzufriedene Freiherr gab noch einen Gulden als Trinkgeld dazu.

Unerschöpflich ist der Schatz der Anekdoten um den „alten Schraudolph”. Ich möchte hier eine aus dem Tourenbuch des Michael Reichert auswählen, bzw. von diesem zitieren lassen. Reichert hat 1882 zusammen mit seinen beiden Gefährten, den Gebrüdern Zametzer, von Einödsbach aus die Trettach bestiegen. Es war dies die erste führerlose touristische Besteigung dieses Gipfels. Anderntags erklommen die drei jungen Studenten den Widderstein. Von diesem Gipfel kommend, planten sie für den folgenden Tag den Aufstieg zum Biberkopf und mieteten sich deshalb in Lechleiten im Wirtshaus ein.

Aber lassen wir jetzt Reichert selbst erzählen: „Es gab selbstgebrautes Bier u. trefflichen Etschländer Rothen; bald dampfte auch eine den Umständen angemessene Riesenschüssel mit Schmarren’ vor uns. Dieweil unsere Thätigkeit auf pflichtgetreue Entlastung derselben concentriert war, öffnete sich auf einmal die Thür u. mit herzlichem ,Grüßgott’ - trat unser Schraudolph herein, gefolgt von zwei Kindsleichen von Spree-Anwohnern welche morgen den Biberkopf zu besteigen gedachten. Ungeheuchelte Freudenbezeugung u. Bewillkommung beiderseits; kleine Pause in der Schmarrenvertilgung. Dann wurde auch drüben eine Schüssel bestellt, welche berlinischerseits wenig, bei Schr, um so mehr Anklang fand.” Von den Studenten auf die geringe Eßlust seiner Begleiter angesprochen, erwiderte Baptist trocken: „Wie der Mensch frißt, wie der Mensch steigt.” Diesem Spruch nach schätzte der alte Führer seine Touristen nicht gerade hoch ein.

Von Schraudolph wird behauptet, er habe seine „Hochzeitsreise” auf die Trettach gemacht. Das kann leicht zutreffen, denn seine frisch Angetraute, Genovefa Jochum aus der Birgsau, entstammte auch einer „Alpinisten-Familie”. Hatten doch die Gebrüder Jochum schon 1855 die Trettach bestiegen. Genovefa Schraudolph betreute als Wirtin von »Schraudolphs Clubhütte«, dem heutigen Gasthof Einödsbach, Generationen von Wanderern und Bergsteigern.

Von seinen Touristen und vom DuÖAV wurden dem „alten Schraudolph” reiche Ehrungen zuteil. So war er vom Alpenverein mit dem Prädikat „Vorzüglich” qualifiziert worden. Johann Baptist Schraudolph war damals ein berühmter Mann. „Babischd” ist heute noch eine Legende. In Einödsbach, am Fuße der Mädelegabel, als Sohn der Bauerntochter Karolina Schraudolph am 17. Juni 1826 geboren, blieb er sein Leben lang der Heimat treu. Am 6. März 1908 bezwang er seinen letzten, den höchsten Gipfel.

Bergführer - Heft 31 (Teil 1)

Johann Baptist Schraudolph,
„Bachars Babischd”,
war Wirt von Einödsbach und Oberstdorfs
erster autorisierter Bergführer.

Fortsetzung folgt

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