Aber, was soll ich noch lange nach Beweisen und Erklärungen suchen, lassen wir doch einfach einen reden, den Braxmair über viele Jahre geführt hat: Hermann Uhde-Bernays. Er schreibt im Jahrbuch des Deutschen Alpenvereins 1959 in seiner Rückschau: „In Oberstdorf fand ich den besten Begleiter, den ich mir für meine persönliche Art nur wünschen konnte, den Allgäuer Bergführer Franz Braxmair, untersetzt und breitschultrig, mit kurzem Hals und einem runden Kopf, ein wenig gekrümmten Beinen, und einem schweren Gangwerk, im Besitz außergewöhnlicher Körperkraft, verfügte er über alle guten und alle schwierigen Eigenschaften des Allgäuer Menschenschlages.
Nachdenklich, schweigsam, jedes Wort langsam betonend, hatte er einen lebendigen Verstand, den ein treffender Witz ergänzte. [. . .] In den Bergen sanft wie ein Kind, griff er unten im Tal gerne zum Becher und suchte Streit. [. . .] Als wir uns kennenlernten, hegte er drei ehrgeizige Wünsche, von welchen ich ihm zwei erfüllen konnte. Er wollte vom Alpenverein das Zeugnis „erstklassig” verdienen, das in Bayern nur ein einziger Bergführer besaß, der alte Kederbacher [Hausname von Johann Grill] in der Ramsau bei Berchtesgaden [Anm.: hier irrt der Schreiber, J. B. Schraudolph besaß dieses Prädikat auch]. [. . .]
Weiterhin waren es zwei gefürchtete Besteigungen, die er auszuführen unablässig im Sinn hatte: die Durchkletterung der Südwand der Trettachspitze und der berüchtigten Watzmann-Ostwand am Königsee. Beide Touren wurden selten unternommen, jener stand der Widerspruch der Einheimischen, dieser das Verbot der Jagdverwaltung entgegen. Am Watzmann mißlangen uns zwei Versuche, die Trettachspitze erreichten wir nach geheimen Vorbereitungen im Juli 1900, und meinen Empfehlungen in Braxmairs Führerbuch war es zu danken, daß er endlich die ersehnten Auszeichnungen erwarb. [. . .]
Zu dem menschlichen Vertrauen, das ich ihm, der ich zwanzig Jahre jünger war, entgegenbrachte, und der hohen Einschätzung seiner Fähigkeiten als Gletschermann und Felskletterer kam die nach und nach stark ausgebildete gegenseitige Unterstützung bei den schwierigen Ersteigungen. [. . .] Zäh und ausdauernd waren wir beide, auch ungeheure Rucksäcke zu tragen gewohnt, und wenig anspruchsvoll, was die namentlich im Lechtal schwer zu beschaffende Verproviantierung betraf. Erstaunlich zeigte sich Braxmairs Sicherheit in der Auffindung der richtigen Wege und Einstiege.
Einmal im Herbst waren wir nach längeren Streifzügen schmierig, ungewaschen, mit zerfetzten Kleidern ins Inntal abgestiegen. Von Landeck bis St. Anton mußten wir mit dem Luxuszug Wien - Paris fahren, in dem wir nicht eben angenehm auffielen. Während ich meinen Kaffee trank, kauerte er wie ein verscheuchtger Hase auf seinem Stuhl und betrachtete den französischen Kellner im dunkelblauen Frack mit Goldknöpfen wie einen gefährlichen Gegner. [. . .]
Am besten vertrug sich Braxmair mit dem alten Schraudolph, dem einstigen Häuptling der Allgäuer Führer und Gastwirt in Einödsbach, einem originellen Sonderling, der jedem Besucher angesichts des Panoramas der Mädelegabelgruppe mit groben Reden Tabak abnahm.”
Soweit aus dem Bericht von Uhde-Bernays über Franz Braxmair. Aber auch von seinen Führerkollegen wurde dieser als bester Oberstdorfer Führer jener Zeit anerkannt. Beim Alpenverein galt er auch als der Führer. Auf seinen Rat hörte man. In seinen Führerbüchem sind alleine mehr als 100 Trettach-Besteigungen auf den verschiedensten Routen zu finden. Viele Gipfelbücher tragen seinen Vermerk. Er war schon an die sechzig, und der Name seines Sohnes Leonhard stand schon als Führer im Gipfelbuch der Höfats, da tauchten immer noch Eintragungen auf: „Mit Führer Franz Braxmair alle vier Gipfel traversiert”.
Er war Bergführer mit Leib und Seele. Es war daher nicht verwunderlich, daß seine beiden Söhne Leonhard und Alois in die Fußstapfen des Vaters traten und die Besteigung der Berge zu ihrem „Beruf’ wählten.
Daß der Zimmermann Franz Braxmair beim Bau des Waltenbergerhauses (1875 und 1885) und der Rappenseehütte (1885) tätig war, sei nur am Rande vermerkt. Sein „Chef’, der Zimmermeister Leonhard Huber, konnte sich keinen „berggängigeren” Gesellen wünschen als seinen Schwiegersohn Franz Braxmair. Am 22. Januar 1857 hat das Leben dieses Alpinisten begonnen, und am 29. Mai 1922 brach er auf, den letzten Gipfel zu bezwingen.
Im Jahre 1892 hat der DuÖAV einen „Führer-Instructions-Curs” in München ausgeschrieben, der dann im April jenen Jahres in der Landeshauptstadt abgehalten wurde. Künftige Führer sollten erst nach Besuch eines solchen Kurses die Autorisierung erhalten. Auch den älteren Führern wurde die Teilnahme an diesen „theoretischen Übungen” wärmstens empfohlen. Von den 40 eingeladenen Führern waren 35 aus dem bayerischen Alpenraum erschienen. Der Unterricht umfaßte neben Kartenlesen auch den Umgang mit Kompaß und Barometer. Es sollte damit vermieden werden, daß - wie bei einer Überprüfung in Salzburg geschehen - ein Führer, nach dem Gebrauch von Barometer und Thermometer befragt, folgende Antwort gab: „Den Barometer braucht mer für die Kälten und den andern für die Hitz.” Neben diesen „technischen Disziplinen” nahm auch die Hilfeleistung bei Unfällen breiten Raum ein.