Reproduktion einer Handskizze von Christoph Graf Vojkffy.
Man muß kein großer Geologe sein, um heute noch zu erkennen, daß das Faulenbachgebiet das Relikt eines eiszeitlichen Sees darstellt. Eingegrenzt von Dellenberg, Klingenbichl, Burgbichl, Jaucheler Anhöhe, Breitach und Stillach, war es wohl ein kleiner Überrest eines großen Sees, der einstmals das Oberstdorfer Talbecken ausfüllte. Der Durchbruch der Stillach zwischen Klingenbichl und Dellenberg verkleinerte die Fläche im Nordosten. Die Verlandung tat ihr übriges, und aus dem einstigen See wurden sumpfige Flächen, Streuwiesen.
Die ältere Generation erinnert sich noch gut daran, daß bei Schneeschmelze oder nach anhaltenden Regenfällen sich im Faulenbachgebiet „Seen” bildeten. Zusammen mit dem üppigen Schilfgürtel waren diese ein Dorado für Frösche, Wasservögel und anderes Getier. Vor diesem Hintergrund ist der folgende Brief, den Christoph Graf Vojkffy an Oberstdorfs Bürgermeister Ludwig Fink schrieb, zu verstehen:
„Oberstdorf, Fuggerhaus, 17. 4. 35
Sehr geehrter Herr Bürgermeister!
Ideen sind manchmal ganz gut, als blöd werden sie aber erst empfunden, wenn sie sich nicht ausführen lassen oder wenn man draufzahlt.
Ihre Idee den Viehtrieb ,Speiser - Breitachbrücke' [Anm.: Klingenbichl - Breitachbrücke] zum Menschenweg zu machen war famos u. bleibt es auch. Wenn Sie meine beiliegende Karte ansehen merken Sie, dass nur ein kleines Stück Weg fehlt um ganz herumgehen zu können um den einstigen See, das jetzige Moor vom Lumpenthal. Die Grundbesitzer im Süden und Westen wo der Weg noch nicht durchgeht sind lauter vernünftige Leute mit denen Sie leicht reden könnten. Es wäre ein reizender Spaziergang rund um dieses wildreiche Moos. (Ich zählte einmal 42 Rehe, auch Wildenten und anderes Wasserwild kann man sehen.)
Nun noch etwas. Mein Grossvater hatte in Burgwaiden bei Augsburg auch so ein Moor mit sauren Streuwiesen, er machte 5 Teiche daraus, jeder so gross wie unser Lumpenthal (a 50 Tagwerk), das hat mit der Betreibung und allen Arbeiten 180 000 Mark gekostet u. hatte sich nach wenigen Jahren vollkommen abgezahlt, da die Karpfen in so einem Wasser sehr schnell wachsen.
Ich weiß dass im Lumpenthal sehr viel Eigentümer sind u. jeder hat halt seinen Kopf. Aber ich glaube, dass ein See oder ein Weiher dort eine wirklich schöne gute Sache wäre u. dass man mit Karpfen und Forellen vieles bezahlt machen könnte. Der Weiher brauchte nicht sehr gespannt zu sein. Einlauf haben wir genug von den Bächen aus Westen und Südwesten. Im Osten ist durch die Stillach im Laufe der Jahrtausende viel Kies angeschwemmt, die Wiesen im Norden würden nicht gefährdet u. die 2 andern Himmelsrichtungen sind bergig. Für alle Fälle weiß ich meine Idee bei Ihnen in guter Verwahrung u. wenn Sie sie für blöd halten braucht man nicht weiter darüber reden.
Ich bin Ihnen dankbar, dass Sie mir die Möglichkeit gaben, das südlichste Stück (25 m) des Viehtriebes abzugraben. Ich habe es eigenhändig geschafft vom 21. März bis heute u. habe so der Wissenschaft u. unserem Museum 570 theilweise sehr interessante Funde gerettet. Es kommt ein Bericht mit Bildern in der Germania.
Also besten Dank.”
Soweit der Archäologe Graf Vojkffy.
Es ist mir nicht bekannt, inwieweit mit den Grundeignern verhandelt wurde, ob überhaupt Interesse bestand, die Vorschläge des Grafen in die Tat umzusetzen, oder ob schon von vomeherein der leere Gemeindegeldbeutel Planung und Ausführung verhinderte.
Aus heutiger Sicht ist es aber doch zumindest wert, darüber nachzudenken, was wäre, wenn die Idee Graf Vojkffys umgesetzt worden wäre. Zweifellos hätte ein Weiher oder See - weit größer als der Moorweiher - eine touristische Attraktion für Oberstdorf dargestellt. Mit einem Rundumweg versehen, wäre ein ortsnahes Erholungs- und Wandergebiet entstanden.
Jahre nach des Grafen Vorschläge sorgten Entwässerung und Oberstdorfs Hausmülldeponie für Austrocknung und Auffüllung eines Teilbereiches des geplanten Gewässers. Der Ausbau der Lumpentalstraße und die damit verbundene Verlegung der B 19 in Richtung Kleinwalsertal haben auch für Veränderungen in dem Bereich gesorgt und Fakten geschaffen.
Doch sei der Faden nochmals aufgenommen. Wie wäre es, wenn sich dem heutigen Oberstdorf-Besucher nach der Überfahrt der Breitachbrücke der Kranz unserer Berge rechter Hand in einem See widerspiegeln würde?