Vom Schulwesen in Oberstdorf und seiner Neben- oder Zwergschule Gottenried - Mummen

von Anton Köcheler am 01.06.1998

Es gab schon seit dem Mittelalter die verschiedensten Schulversuche und auch die Bildung von Pfarrschulen, doch hier scheiterte mancher gute Wille an der Armut der Bevölkerung, die für ihre vielen Kinder das Schulgeld nicht aufbrachte. So kamen in die Pfarrschulen meist Kinder betuchter Bürger und besonders Begabte, die von den Pfarrherrn bevorzugt wurden.

Man wollte „von oben her” seit Jahren schulische Verbesserungen einbringen, doch viele Verordnungen und Anregungen blieben mangels Geldes als wertloses Papier liegen.

Aus einer Urschrift aus Oberstdorf ist bekannt, daß schon 1592 ein Antrag beim Bischof von Augsburg gestellt wurde, um einen Lehrer zu erhalten, den man dringend nötig hätte, aber selbst nicht besolden könnte. Der Antrag wurde abschlägig beschieden, mit dem Hinweis, daß sich die Geistlichkeit selbst darum bemühen müsse.

Die Pfarrschulen hatten sich schon erweitert, und als die kurfürstlich-bischöfliche Regierung an ihre Landpfleger 1783 die Anfragen hinausgehen ließ zu berichten, wie es draußen im Hinblick auf die ergangenen Anordnungen stehe, konnte der Rettenberger Landammann melden, daß in Oberstdorf ein eigenes wohlgebautes, zur neuen Lehrart taugliches Schulhaus vorhanden sei, mit „genuegsam geräumiger, recht gut beschaffener Schulstube (31 × 20 Schue), 6 1/2 Schue hoch, 814 Schue im Quadrat, mit 22 Schulbänken, je 8 Schue, also für 140 - 150 Kinder [!] auch danebens zum Schreiben ganz wohl zubereitet; die Normal-Lehr ist vor wenig Jahren hergestellet.”

Einen Tag später (11. 11.) berichtete der Landammann weiters: „Oberstdorf hat 320 Häuser, Herrn Joh. Bapt. Socher als Pfarrer, Herrn Johann Tauscher als Benefiziaten, Herrn Martin Naterer als Hauskaplan, den Pfarrschulmeister Josef Anton Bach, 26 Jahre alt, verheiratet, Organisten, ohne Kinder, ohne sonstige Profession, mit 60 fl. als Schulmeister, mit freier Behausung, mit drei Klafter Holz, mit 65 fl. als Organisten, mit 92 schuelmäßigen Knaben und 98 schuelmäßigen Mädchen, davon 80 bzw. 69 wirklich kommenden. An Filialen: Jauchen 10 Häuser 1 Std., Reuthe 4 Häuser 1/2 Std., Kornau 23 Häuser 1 Std., Gerstruben 11 Häuser 1 1/2 Std., Spielmannsau 11 Häuser 2 Std., Bürgsau, Gundsbach und Einödsbach 6 Häuser 2 bzw. 2 1/2 Std., Laiter, Ebene, Gundsoy und Faistenoy 5 Häuser 2 Std., Gruben 2 Häuser 1 Std., Künberg 1 Haus 1/2 Std., zusammen sind dies 74 Häuser, ohne eigene Schulen. Von Martini bis Georgen kommen die Kinder ziemlichermaßen; im Sommer ist die Schul schlechterdings besucht; sie dauert sechs Stunden; die Methode ist Normalunterricht: 1. Vortrag, 2. Analyse, 3. Katechisition.”

Weiters lesen wir, daß von Gerstruben, Traufberg und Spielmannsau nur ein „gotziger” Bub in die Schule kam.

Die allgemeine Schulpflicht bestand eben noch nicht, man sollte wohl, aber mußte ihr nicht genügen. Die Armut wurde als Milderungsgrund, meist sogar als einziger Hinderungsgrund ins Feld geführt.

Eine weitere Ausführung war, „daß Kinder im Sommer sowieso fast alle ,z' Bearg’ sind, also in Alpen oder Bergheuet, und gerade in den Ortschaften Einödsbach, Gerstruben und Spielmannsau können bei harten Wintern die Kinder zur Winterszeit weder die Pfarr- noch Nebenschulen besuchen und es ist auch nicht tunlich eigene Schullehrer für gedachte Ortschaften aufzustellen, weilen in eint wie andere Orte nie viel schulfähige Kinder vorhanden sind und die Mittel zum Salarium eines eigenen Lehrers von den wenigen - Gemeinderem - nicht bestritten noch sonst ausfindig gemacht werden können.”

Damit aber die Kinder einiger besser gestellter Talbewohner auch im Lesen, Schreiben und Rechnen unterrichtet werden konnten, schickten diese ihre Kinder im Winter auf einige Zeit zu guten Freunden im Markt und ließen sie dann die dortige Pfarrschule besuchen. „Zum Unterricht an 1788 werden Geheimen Rats Schnellersche Lehr- und Lesebücher, dann der Katechismus gebraucht (jene sind die der Dillinger Normalschule, s. Gulielminetti). Am 16. März 1788 ist ein Patent gekommen, daß man die Winterschule bis Jörgetag, auf 24. April verlängern solle und dann die übliche Sommer-Dispens zu gewähren.”

Kornau dagegen hatte sich bereits zwischen 1783 und 1789 eine eigene Schule zugelegt, doch auch hier kamen lange nicht alle Kinder zum Unterricht. Die Schule wurde später auch von den Bayern anerkannt, zumal dort der „Normal- Lehrer” Kleis von Kornau tätig war, der sich auch ohne Ausbildung bestens bewährt hatte.

Immer wieder versuchte man die Pfarrschulen zu erweitern, doch es scheiterte immer wieder am finanziellen Engpaß aller Seiten.

Interessant ist, was für einen Einfluß die Französische Revolution auf die Gemüter ausübte. Der Rettenberger Pfleger berichtete darüber (Gul. 85): „Die Versuche hätten zu Wenzeslaus’ Lebzeiten schöne Erfolge gehabt, wenn sie nicht durch die Revolution beeinträchtigt worden wären. Man habe den Schulmännern mit ihren Neuerungen zu bedenken gegeben, daß die schrecklichen Ereignisse eine Folge der Aufklärung seien und daß sie aus den neu eingerichteten Schulen herkommen. Denn es werde, hieß es, das Stadt- und Landvolk durch einen verbesserten Unterricht klug, zu nachdenkend und sein Gefühl geschärft; es bemerkt leicht Gebrechen der Regierung und Fehler der Obrigkeit und leistet dann nicht mehr blinden Gehorsam, wo es blos aufs Wort gehorchen soll.”

Dann kam die Säkularisation und mit ihr die Änderung der kirchlichen Hoheitsgebiete. Am 25. Februar 1803 fiel das ganze bischöfliche Gebiet durch „Hauptschluß” der Regensburger Reichsdeputation an Bayern, das auch das Schulwesen übernahm und weiterbildete. An Weihnachten 1802 wurde als Christgeschenk den Eltern und Kindern der Schulzwang verfügt; es folgten: 1803 Allgemeine Grundsätze und Feiertagsschulen, 1804 Organisationsdekret und Lehrplan, 1808 geistliche Schulaufsicht, 1809 Regulativ zur Bildung der Lehrer, 1818 Bildung der Schulsprengel usw., um nur die wichtigsten Grundsäulen der modernen Staatsschule, der eigentlichen Volksschule, zu nennen. Wir sehen, schwache Ansätze zu diesen Grundlagen der allgemeinen Volksschule waren unter bischöflichen Pfarrschulen schon gekeimt. Aber es mangelte das energische Durchgreifen der halb geistlichen, halb weltlichen Herrschaft; es erforderte das großstaatliche Machtwort. Am 23. Dezember 1802 war also die Geburtsstunde der Bayrischen Volksschule und der Schulpflicht.

Um die Schule im Hauptort Oberstdorf war es gut bestellt, waren zu dieser Zeit doch bereits drei Lehrer tätig, darunter der erwähnte Josef Anton Bach, dazu Johann Martin Brutscher und ein Geistlicher, der vollen Schuldienst absolvieren mußte.
Neue Lehrer einzustellen war nicht möglich, da aus der Bevölkerung kaum Schulgeld bezahlt wurde oder bezahlt werden konnte. Es herrschte allgemein große Not, die wiederholt einfallenden Franzosen plünderten oder mußten voll versorgt werden mit Lebensmitteln, Pferdefutter und vor allem mit Bier.

Auch die Zahlungen waren enorm. Dann waren im Vorjahr (1801) über 1.100 Stück Vieh dem Schelm zum Opfer gefallen; auch zwei Jahre mit sehr schlechten Ernten lagen hinter den Bewohnern, was eine Teuerung im ganzen Land mit sich brachte. Es herrschte eine regelrechte Hungersnot.

Für die Bewohner von Gerstruben, Spielmannsau und Birgsau war die Verordnung über den Schulunterricht der Kinder ein schwieriges Problem. Der ungebahnte Weg zur Schule erforderte im Winter von den schulpflichtigen Kindern eine unzumutbare große körperliche Anstrengung. Deshalb wurden des Schreibens und Rechnens kundige Personen gesucht und gefunden, welche in den Wintermonaten, von Martini bis Jörgetag, den Schülern Unterricht erteilten. So wurde in Gerstruben im Haus Nr. 5 und Nr. 8 und in der Spielmannsau im Haus Nr. 2 Schule gehalten.

Meist wurde der Unterricht von eigenen Bewohnern erteilt, aber auch der Benefiziat war damit beauftragt, diesen zu ergänzen. Meist waren diese Abgänger der Pfarrschulen mit besten Zeugnissen ausgestattet, und ihnen wurde vom Pfarrer eine Lehrtätigkeit zuerkannt. Für diese Lehrtätigkeit erhielten sie aber fast keinen Lohn, meist nur Holz oder andere Naturalien.

In den Jahren 1829/30 wurden auf Veranlassung des Distriktsschulinspektors die sogenannten Hecken- oder Winkelschulen eingerichtet in alten Futterhäusern in Gottenried - Mummen wie auch im Anatswald. Diese Talschulen waren der speziellen Aufsicht eines Pfarrgeistlichen unterstellt. Aus alten Unterlagen geht hervor, daß sich der Benefiziat nicht über diese neue Aufgabe freute und er sich zuerst weigerte, und es sei zu heftigen „Kämpfen” um das neue Regulativ für den neuen Benefiziaten in Loretto gekommen. 1834 war es Pfarrer Kaspar Mayerhöfer, der um einen neuen Benefiziaten zu seiner Unterstützung gekämpft habe.

Pfarrer Mayerhöfer versuchte nachzuweisen, daß die Geistlichen in Oberstdorf durch die zwei Schulklassen im Ort, durch die Nebenschule in Kornau und zwei Nebenschulen bzw. Winkelschulen in Spielmannsau - Gottenried und Birgsau genugsam mit Unterricht in Anspruch genommen sind und hier eine Benefiziat unbedingt zu diesem herhalten müsse. Von 500 Familien seien 100 in den höchsten Bergen; diese könnten ihre Kinder weder in die Pfarrschule noch in eine Nebenschule schicken. In der Birgsau partizipierten 22 zerstreut liegende Häuser mit 14 Werk- und 6 Sonntagsschülern, in Spielmannsau - Gerstruben 30 Häuser mit 20 Werktags- und 9 Sonntagsschülern. Ob solche Winkelschulen mit Bauernjungen als Lehrern bestehen dürften, könne er nicht entscheiden. Überdies werde dort nur 18 Wochen Schule gehalten.

Das Hauptschulamt Kempten duldete diese Winkelschulen, „wo nichts anderes angängig war”, unter dem Vorbehalt, daß der Hauptlehrer von Zeit zu Zeit die Heckenschulen visitierte und darüber Bericht erstattete. Die Zeit war nach wie vor von Martini (11. 11.) bis zum Jörgetag (24. 4.) festgeschrieben, und jeder Schüler mußte nach Jörgetag für einen Tag in die Volksschule nach Oberstdorf, um sich dort prüfen zu lassen, damit auch ein Urteil über die Lehrkunst des Hilfslehrers ermöglicht würde.

Der erste Lehrer in Mummen, wie das Schulhäusle in dem Futterhaus nach dem Flurnamen hieß, war ein „Entlaß-Sonntagsschüler” mit Namen Ignaz Jäger, dessen Nachfolger L. Höfler genauso nach zwei Wintern aufgab. Das Salär war einfach zu lausig, die Baulichkeit sowie die Ausstattung mehr als miserabel. Auch der tägliche Weg nach Gottenried - Mummen bei Wind und Wetter, Schneestürmen und Verwehungen ins Tal war schon eine große Leistung. Der Lehrer vom Anatswald indessen wohnte in der Birgsau.

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" ‘S Schüelhisle ” im Gottenried.

Die ersten Jahre der Schule Mummen von 1829/30 bis 1834 saßen die Kinder in den Krippen, bei denen man lediglich die „Hälslingläde” ausgesägt hatte. Als Tisch fungierte ein starker Laden, der auf einigen Schindelholzklötzen aufgelegt war. Auch das Lehrerpult war eine alte „Mieddrucke”, die auf zwei Rundscheiten erhöht stand. Aber eine schwarze Holztafel aus der Volksschule Oberstdorf zierte eine Wand. Die Hygiene ließ natürlich auch zu wünschen übrig, Wasser gab’s am Hölltobelbach, und zum „Austreten” stand für Buben und Mädchen nur das „Wald- und Wiesenklo” zur Verfügung. Das außen am Futterhaus angehängte „Plumpsklo” war längst verfault und wurde erst nach 1834 wieder hergerichtet.

1834 wurde auf Drängen des Pfarrgeistlichen das Mummener Schulhäusle mit neuem Dach versehen und der Schulraum ordentlich hergerichtet. Dazu hatte Oberlehrer Ludwig Mayr von Tiefenbach 1830 in einem Bericht geschrieben, daß das Gottenrieder Schulhäusle damals in einem alten ehemaligen Futterhaus sich befinde, das seine 250 bis 300 Jahre alt sei und schon den Dreißigjährigen Krieg miterlebt habe.

Dann konnte man auf Empfehlung und Drängen von Pfarrer Mayerhöfer den 36jährigen Landwirt und Schmied Johann Köcheler (* 5. Mai 1798 - 8. Februar 1865) von Oberstdorf, Haus Nr. 6, zum Schuldienst gewinnen. Köcheler war verheiratet mit Ursula Wiedemann aus Diepolz. Er wurde ohne jede Matrikulation, nur auf Vorschlag des Pfarrherrn und nur nach Vorlage seines Sonntagschul-Entlaßzeugnisses eingestellt und aufgrund seines Einser-Zeugnisses vom Distriktsschulinspektor anerkannt. Seine Schreib- und Lesekünste waren auch dem Pfarrer bestens bekannt, und seine bestechende Schrift gab den Ausschlag, ihn zu diesem Amt zu verpflichten. Vom Pfarrherrn wurde Köcheler ein besonders freundlicher Umgang mit Kindern, aber auch mit Menschen allgemein bestätigt.

Johann Köcheler hatte zwölf Kinder, von denen fünf im Kindesalter verstarben. Für die sieben lebenden Kinder schrieb er jedem ein handgeschriebenes Gebetbuch mit je 475 Seiten (Abb. Seite 911) auf unliniertem Papier - dies bei damaligen Verhältnissen mit Federkiel und bei Kienspan- oder Talglichtern. Von diesen Büchern ist eines noch im Besitz des Urenkels, des Verfassers dieses Berichts.

Bei den Büchern ist jede Zeile, Blatt für Blatt, in gleichbleibender Sauberkeit niedergelegt, wie man es heute kaum mehr kann. Köcheler übte neben der kleinen Landwirtschaft noch den Beruf des Hammerschmieds und Feilenhauers aus; denn mit dem Salär als Schullehrer wäre es kaum möglich gewesen, die eigene große Familie zu ernähren. Das Anfangsgehalt war auf 20 fl. festgelegt, zuzüglich 4 Ster Brennholz.

Schulwesen Heft 32
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So betreute Köcheler den Winter über die Schüler von Gerstruben, Christlessee, Spielmannsau, Traufberg, Dietersberg, Gottenried und Mummen. Die ersten Jahre kamen auch noch die schulpflichtigen Kinder vom Haseltopf-Rennblock und Luzereute nach Mummen. Zeitweilig waren es 30 Schüler in dem dunklen Futterstall. Wie die Kinder im Winter wegen der Lawinengefahr nur über den Raut runter und rauf kamen, so waren die Bewohner des Traufberges nur in den ersten Jahren mit dabei, aber fehlten wegen der Lawinengefahr sehr oft. Eine Familie Schratt war sogar zwei Winter auf der Krautersalp geblieben, ist aber dann doch in die Spielmannsau umgesiedelt.

In der Birgsau, d. h. in der Schule im Stillachtal, in einem alten Futterhaus, genannt „bum Jochum”, war der für seine Rechenkünste bekannt gewordene Joachim Hindelang, „dr Drüdeslar”, als Laienlehrer angestellt, wie Köcheler ohne Matrikulation. Man sagte ihm nach, daß er weitaus schneller im Rechnen war als der Benefiziat, und das soll kein schlechter Rechner gewesen sein. Auch der Sohn des „Drüdeslars”, Ignaz, soll später in der Schule tätig gewesen sein.
In beiden Schulen gab es die Regelung, daß die Schulkinder täglich fertiges Brennholz mitbringen mußten von zu Hause, um den Schulraum einigermaßen aufzuheizen. Die Mittel für die Schule, die Ausstattung und das meiste vom Schulgeld kamen aus der Jägerschen Stiftung und der Marktstiftung.

Sechs Stunden am Tag, auch samstags, mußte Schule gehalten werden, und zu den Prüfungen mußten die Schüler nach Oberstdorf in den Rathaussaal kommen. Bereits im Jahre 1838 wurde festgehalten: „Der in der Schule Gottenried im ,Schuelhisle’ tätige Bauernlehrer Köcheler (der Lanzer) bezog jährlich 30 Gulden Gehalt.” 1843 waren es dann schon 40 fl. und fünf Ster Scheitholz. Man muß aber die Strapazen auch berechnen, täglich von Oberstdorf ins Tal zu gehen, und dann kam noch der Wechsel mit dem „Drüdeslar” hinzu, d. h. einmal die Woche mußte Köcheler in der Birgsau zum Unterricht und der „Drüdeslar” nach Mummen, um allen Talkindem die besten Kenntnisse im Schreiben und Rechnen zu vermitteln. Auf Anordnung des Distriktsschulinspektors mußte Köcheler einmal für etliche Tage nach Kornau, als der damalige Kornauer Lehrer Alois Reiser längere Zeit krank war. Reiser war der Vater des späteren Lehrers und Wissenschaftlers Dr. Karl Reiser, dem wir heute die beiden Bände »Sagen, Gebräuche und Sprichwörter des Allgäus« verdanken.

So gingen die Jahre dahin, und der Bauernlehrer Köcheler bekam dann im Jahre 1860 schon 60 Gulden Gehalt und das übliche Holz dazu. Doch Köcheler wurde kränklich und mußte seinen Dienst aufgeben. Er versah diesen noch bis nach dem Brand von 1865, und im Jahre 1867 wurde die Schule im Mummener „Schuelhisle” ganz aufgegeben.

Zuerst versuchte man noch Ersatzlehrer zu finden, man wollte unbedingt Ignaz Köcheler, den Sohn des bisherigen Schullehrers, gewinnen, doch dieser kannte das Hungerleben seines Vaters zu gut und lehnte ab. Dann wollte man den Neffen des Johann Köcheler haben, der auch als „Einser-Schüler” entlassen wurde, da lesen wir ebenfalls: „Alexander Köcheler will die Schule nicht nehmen, indem er sich mit der Arbeit im Winter mehr zu verdienen gedenkt.”

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Lage des Gottenrieder Schulhauses nahe dem Christlessee.

Die letzten beiden Jahre wurde die Schule in Mummen nur mehr mit Mühe aufrechterhalten. Es gab auch immer weniger Schüler. Als die Schule dann 1867 aufgegeben wurde, schrieb ein Spötter eine Glosse mit dem Hinweis, daß man bei diesen Gehältern die Schule in Gottenried - Mummen doch wieder besetzen sollte mit einem staatlichen Lehrer und dem Salär von 20 Gulden und auch denselben Wegstrecken, wie es der Lanzer (Köcheler) bewältigt habe.

Die Schule im Birgsauertal hielt sich wesentlich länger, ja bis in die sechziger Jahre dieses Jahrhunderts, als die große Schulreform kam.

In einer anderen Auflistung finden wir den Vermerk, daß der Lehrer Ignaz Hindelang („Drüdeslar”) ebenfalls in einem Futterhaus in Birgsau Winterschule gehalten habe, und der quittierte am 1. Mai 1872 als Schulgehalt 60 Gulden, von denen 21 fl. 36 kr als Schulgeld der 11 Schüler, 4 fl. aus der Jägerschen Stiftung, 10 fl. 24 kr aus der Marktschulstiftung und 24 fl. von der Gemeinde Oberstdorf kamen.

Wie man nachlesen kann, war die Auflösung der Mummener Schule nicht allein vom Lehrermangel, auch nicht vom Geburtenrückgang bedingt, sondern durch Ursachen, wie sie Anton Berktold beschrieben hat: Die Eltern der schulpflichtigen Kinder gingen im Laufe der Zeit dazu über, ihre Schüler im Winter bei Verwandten im Tale gegen Bezahlung von Kost- und Wartegeld unterzubringen. Andere wiederum pachteten oder kauften leerstehende Wohnungen und Stallungen im Ortsbereich von Oberstdorf, um ihren Kindern dadurch einen leichteren Schulweg und durch den Besuch der Volksschule im Markt ein umfangreicheres Wissen zu vermitteln. Hierdurch wurde es den Eltern auch möglich, ihre Familien während der schlimmsten Winterszeit beisammenzuhalten und aufgrund der Unterbringungsmöglichkeit des Viehs in Ställen im Ort eine Zeitlang auch selbst den Unbilden des Winters zu entrinnen.

1864/65 hatten schon alle Anwesensbesitzer von Gerstruben die Möglichkeit, im Winter mit der Viehhabe und ihrem Haushalt näher bzw. ganz an den Schulort Oberstdorf zu kommen.

Nach dem großen Brand von Oberstdorf in der Nacht vom 5. auf 6. Mai 1865, dem 146 Häuser zum Opfer fielen, hatten auch viele Bewohner von Gerstruben, Spielmannsau und Dietersberg die Möglichkeit zum Erlernen und zur Ausübung handwerklicher Tätigkeit sowie der Gründung einer Existenz und einer Familie.

Dann wurde es ruhig am Hölltobelbach im Mummener - Gottenrieder „Schuelhisle”, und der Zahn der Zeit konnte am damals schon alten Futterhaus weiternagen.

1925, so lesen wir, sei Anton Berktold von Haus Nr. 203 in Oberstdorf verstorben; er war der letzte der ehemaligen Schüler dieser Winkelschule. In der Schule selbst war noch in diesem Jahr die alte Schreibtafel vorhanden, danach sah man nur noch die verwaisten Bänke durch die Fenster hindurch.

Aus dem Jahre 1930 finden wir noch einen Bericht von Karl Hofmann, in dem er schrieb: „Ein anderes tiefbedauerliches Vorkommnis ist die Abtragung des Gottenrieder Schüelhisle, die heuer im Frühjahr erfolgte. Ein Haufen Bretter und Balken empfängt uns an der Stätte, die uns immer mit einer romantischen Stimmung umfing. War das Wissen, das der einfache Bauernlehrer Johann Köcheler während der arbeitsruhigen Monate den Kindern von Spielmannsau und Gerstruben beibrachte, auch nur bescheiden, so konnte man doch nicht ohne jede Achtung an dieser ehemaligen Volksbildungsstätte vorübergehen. Ebenso schlicht, wie die Menschenkinder, die darin aus- und eingingen, war auch die derbe Einrichtung dieser kleinen Schule. Ein Tisch und die notwendigen Sitzbänke mit den ausgesparten Tintenfäßchen bildeten einschließlich der Tafel das ganze Inventar. Vor dem Kriege, als die Volksschüler beim Maiausflug dieses Gottenrieder Schulhäuschen ab und zu besichtigen durften, konnte man die Einrichtung noch fast vollständig sehen.

Im übrigen war das ,Schüelhisle’, prächtig in die Landschaft passend, rein im heimatlichen Stil erbaut, was ihm eine besondere Note gab, im Gegensatz zu den heutigen geschmacklosen Kästen von Schulhäusern. Warum wurde unsere Gottenrieder Schule abgebrochen? Ja, die Antwort ist leicht: Man hatte kein Dach mehr gerichtet, und dann wurde es schnell dem Verfall und Verfaulen anheim gestellt. Nur der Stall vom Schüelhisle stand noch bis in die 50er Jahre.”

Quellen: Angaben von den Vorfahren des Verfassers;
»Heimat- und Fremdenblatt«; Bericht des Oberlehrers Ludwig Mayr, Tiefenbach.

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