Das umgebaute Schulhaus in der Fuggerstraße in den 30er Jahren.
Das südlichste Gymnasium Bayerns am Fuß des Nebelhorns weist eine durchaus wechselvolle Geschichte auf: Die Initiatoren der Privatrealschule mit Lateinbetrieb hatten sich im Jahr 1924 zunächst in dem größeren und verkehrstechnisch günstiger gelegenen Sonthofen um die Errichtung der Schule bemüht, waren dort aber auf kein Interesse gestoßen. Deshalb gründeten am 23. August 1924 Oberstdorfer Bürger unter dem Vorsitz des Ersten Bürgermeisters einen eigenen Realschulverein mit 65 Mitgliedern.
Bereits drei Tage später erhielt Schuldirektor Alois Däntl vom Kultusministerium die Erlaubnis, eine zunächst vierstufige Privatrealschule mit Lateinunterricht in Oberstdorf in Betrieb zu nehmen. Im ersten Jahr besuchten die Schule 50 Schüler (davon 16 Mädchen), darunter auch solche aus Stuttgart, München oder Wien. Da das Schulangebot von vornherein nicht nur für Einheimische, sondern auch für Kinder von Kurgästen und erholungsbedürftige Schüler gedacht war, wurden im Ort auch Privatpensionsplätze eingerichtet.
Das erste Schuljahr begann für die frischgebackenen Oberstdorfer Pennäler nicht wie damals üblich an Ostern, sondern am 2. September. Der Zeitverlust mußte freilich durch Überstunden wettgemacht werden, so daß der Unterricht im ersten Schuljahr bis 17 Uhr dauerte. Gelernt wurde zunächst im Sitzungssaal des Rathauses, der von der Gemeinde zur Verfügung gestellt worden war. 1926 zog die Schule in die »Villa Maria« um, die von der Gemeinde erworben wurde. Da der Unterricht bald mit sechs Jahrgangsstufen (ab 1939/40) erfolgte und auch eine Handelsabteilung angegliedert wurde, blieben Platzprobleme nicht aus, und die Villa mußte des öfteren umgebaut, angebaut und renoviert werden.
Das Schulgeld für die private Schule kostete die Eltern im ersten Jahr 15 Reichsmark, was für viele ein großes Opfer bedeutete. Immerhin fand die Schulgründung ein Jahr nach der Hyperinflation und der Währungsreform in äußerst schwieriger Zeit statt. Die finanziellen Hauptlasten trugen der Gründungsverein, die Gemeinde, der Bezirkstag, und auch der Staat griff der Schule mit Zuschüssen unter die Arme. Als schließlich die Marktgemeinde am 1. April 1938 die Realschule übernahm, löste sich der Verein auf.
Kriegswirren und Neugründung
Schon in den 30er Jahren war die Schülerzahl stetig angewachsen, aber durch den Ausbau der Schule zur achtstufigen Vollanstalt („Gemeindliche Oberschule für Jungen”, die freilich auch Mädchen aufnahm) und durch kriegsbedingte Flüchtlingsströme Ausgebombter ins Obere Allgäu war die Zahl schnell auf über 500 angewachsen. 1942 legten zum ersten Mal Schüler in Oberstdorf ihr Abitur ab, während viele Schüler und Lehrer zum Kriegsdienst eingezogen waren. Der Schulbetrieb litt mehr und mehr unter dem Krieg: Im Januar 1942 wurde das Schulhaus zum Kriegslazarett umfunktioniert, die über 700 Schüler in 17 Klassen mußten behelfsmäßig in den Gaststätten des Ortes unterrichtet werden.
Abiturprüfungen fanden erst wieder 1947 statt, wobei sich der Neubeginn nach dem Krieg äußerst schwierig gestaltete: Die Lehrer, die den Krieg überlebt hatten, konnten bis auf wenige Ausnahmen aufgrund der politischen Verhältnisse eine Zeitlang ihren Beruf nicht mehr ausüben, so daß viele Privatlehrer die Lücke füllen mußten. So ergaben sich für die Wiedererrichtung und Weiterführung der Schule nicht unerhebliche Schwierigkeiten.
Auch gefährdeten finanzielle Probleme in diesen Nachkriegsjahren den Fortbestand. Ein Aufruf des Direktorats, der die Notlage zeigt, war am 8.10.1947 in der Tagespresse zu lesen: „Nur zwei Glühbirnen besitzt zur Zeit die Oberrealschule Oberstdorf. Wer kann helfend einspringen? Die Schulleitung bittet um leihweise Überlassung von Glühbirnen.”
Am 1. März 1957 wurde die Schule als neunstufige, 600 Schüler führende Oberrealschule vom Staat übernommen. Zwei Jahre später konnte ein neues Schulgebäude am Ortsrand bezogen werden, und die dauernden Platznöte waren vorerst gelöst. Aber die Schülerzahlen stiegen weiter an, und ab 1968 wurde in Sonthofen eine Zweigschule eingerichtet. Im Schuljahr 1973/74 unterrichteten fast 100 Lehrkräfte in 45 Klassen, davon 17 Klassen in Sonthofen. Auf Antrag der Stammschule wurde die Zweigschule 1974 selbständig. Aber bis 1978. bis zum Vollausbau des Gymnasiums Sonthofen, führte allein die Schule in Oberstdorf, die inzwischen den Namen »Gertrud-von-le-Fort-Gymnasium« erhalten hatte, zum Abitur.
Schule und Sport
Ab 1978 besuchten die meisten Spitzensportler des Bundesleistungszentrums das Gymnasium in Oberstdorf, und in den letzten Jahren versucht die Schule verstärkt der Doppelbelastung ihrer Sportler gerecht zu werden. Neben einer Fülle von Maßnahmen wurde z. B. ein Tutorensystem aufgebaut, wodurch besonders belasteten Kaderathleten geholfen werden soll, den Anschluß an den Wissensstand der Klasse zu behalten. Zur Seite stehen ihnen besonders qualifizierte Schüler der Kollegstufe, deren Arbeit durch ein Prämiensystem honoriert wird. Selbst längere wettkampfbedingte Abwesenheit vom Unterricht ist kein allzu großes Handicap mehr, seit die Sportler über ein mobiles Handy- Fax-Gerät über die Unterrichtsinhalte auf dem laufenden gehalten werden. So hat sich das Gertrud-von-le-Fort-Gymnasium in den letzten Jahren zwar zu keinem Sportgymnasium entwickelt, aber Schulleitung, Bundesleistungszentrum, Lehrer, Trainer, Schüler und Tutoren arbeiten Hand in Hand, um den sportlichen Talenten auch zum schulischen Erfolg zu verhelfen.
Intensiver Schüleraustausch
Das Gertrud-von-le-Fort-Gymnasium zählt zu den ersten bayerischen Gymnasien, die einen Schüleraustausch mit Frankreich einführten. Den Oberstdorfer Schülern wurde ein längerer Aufenthalt in einer französischen Gastfamilie zuerst in Nancy, dann in St. Maxime und seit 1966 in Pezenas ermöglicht. Seit 1971 wird zudem ein Austausch mit Schülern der französischen Partnergemeinde Megeve angeboten, der seitdem auf reges Interesse stößt. Bisher haben mehr als 400 Schüler, vorwiegend aus den 8. und 9. Klassen, Megeve besucht. Der Partnerschaftsverein Oberstdorf - Megeve unter seinem langjährigen Vorsitzenden Josef Kornitzky fördert und unterstützt diese Schulpartnerschaft.
Seit 1966 führt das Oberstdorfer Gymnasium auch einen Austausch mit den Vereinigten Staaten durch und steht zur Zeit mit der Haddon Township High School in New Jersey in Verbindung. Im 2-Jahres-Rhythmus verbringen Schülerinnen und Schüler der 10. und 11. Klassen drei Wochen in den USA und nehmen dort am Unterricht teil.
Leider kam der seit 1963 mit England bestehende Austausch 1993 aufgrund mangelnden Interesses auf der Gegenseite zum Erliegen. Die Schule bemüht sich intensiv darum, eine neue Partnerschule zu finden.