Der Schrofenpaß - Handel und Wandel über die Paßhöhe nach Süden ins Birg

von Anton Köcheler am 01.06.2000

Der Handel und auch Wandel über die Grenzübergänge von und nach Süden fand vermutlich schon zu Keltenzeiten statt. Auch die Römer nutzten die abkürzenden Bergübergänge für ihr Fußvolk. Vor allem wurden die obersten Lagen, die auch am sichersten waren, benutzt. So konnte man über den Taufersberg ohne große Geländehindernisse und ohne jegliche Brücke zum Arlberg vorstoßen.

Man kannte die Übergänge vom Hornbachjoch, vom Mädelejoch, die Übergänge ins Walsertal, die auch jahrhundertelang bis heute eine wichtige Rolle in der gegenseitigen Begegnung spielten. Doch der weitaus wichtigste Übergang über den Allgäuer Hauptkamm war seit eh und je der ins vorarlbergische Tannberggebiet und ins Tiroler Lechtal.

Menschen vor unserer Zeitrechnung dürften schon ins Innere der Allgäuer Alpen vorgestoßen sein. So ist es bestimmt kein Zufall, wenn gerade im Bereich des Taufersberges zwei bronzezeitliche Fundstücke zutage kamen: eine Lanzenspitze in den großen Schafalpen, unterhalb der „Schwangeren Bettlerin”, mit ihrer strichgefüllten Dreiecksverzierung (ca. 1800 v. Chr. angefertigt) und eine sogenannte oberständige Lappenaxt im Gleygund, am Nordende des Taufersberges. Über eine Besiedlung von Oberstdorf, dem Lechgebiet und dem Tannberg, ob von Süden oder von Norden her, sind sich die Historiker nicht ganz einig, so möchte ich ebenfalls keine feste Theorie entwickeln.

Fest steht, daß das Gebiet von Hornbach bis Zürs und Schröcken im 13. Jahrhundert zum Bereich der Edlen von Rettenberg gehört hat, die bereits um die Jahrtausendwende fast das gesamte heutige Oberallgäu östlich der Iller und Breitach einschließlich der späteren Vogtei Nesselwang und das Tannheimer Tal beherrschten. Weil die Berglandschaft des Tannberges öd und karg war, hatten die Rettenberger Edlen nichts dagegen, daß um 1300 die aus dem Wallis kommenden „Walser” dort Siedlungen gründeten. Später zogen die Walser auch über den Hochalppaß in das Tal, das man heute Kleinwalsertal nennt.

Während die politische Abhängigkeit des Tannbergs von den Edlen von Rettenberg im 14. Jahrhundert ihr Ende fand und die Walser im oberen Lechtal sich 1453 nach der Eroberung durch Herzog Sigismund Österreich unterwerfen mußten, erreichten die wirtschaftlichen Verflechtungen erst im 18. Jahrhundert ihren Höhepunkt.

Zu dieser Zeit war der Tannberg weder mit dem Bregenzer Wald noch mit dem Arlberg und auch nicht mit dem Gebiet von Reutte durch eine Straße verbunden. Die Bevölkerung von Warth, Lechleiten oder Hochkrumbach deckte sich im Sommer jenseits der Berge in Oberstdorf mit Vorrat ein. Und wenn die notwendigsten Lebensmittel einmal während des Winters zur Neige gingen, stapften die Tannberger ebenfalls über den Grüner im Rappenalptal nach Birgsau.

Die eigentlich gängigen Übergänge führten über den Salzbichel auf der Biberalp zum „Leachtlarschänzle” nach Lechleiten. Das Leachtlarschänzle dürfte wahrscheinlich im Dreißigjährigen Krieg an dieser Stelle zur Verschanzung angelegt worden sein und so den Namen bis heute beibehalten haben. Dann gab es vom Rappenalptal aus über Spicher und Trift auf der Hochfläche den Übergang zum Haldenwanger Eck hinauf, und man gelangte so den Stierberg hinunter nach Warth und Lechleiten. Von den beiden Übergängen aus erreichte man die Orte Lech und Zürs sowie den Flexen- und den Arlbergpaß, ebenso nach Westen zu über die Orte Hochkrumbach, Dornbirn, Feldkirch und Bludenz die Handelsgebiete Montafon und die Schweiz.

Es waren auch die Übergänge für viele Arbeitsuchende aus dem Tirol und dem Imsterkreis, die ins Allgäu oder ins schwäbische Land hinauszogen. Dazu lesen wir in den Chroniken, daß am 20. Jänner 1631 beim Rückweg auf dem Salzbichel 12 Männer und 1 Frau im Schneesturm umkamen. Vermutlich waren diese auf der Winterkirbe in Oberstdorf gewesen, um sich mit Waren neu einzudecken.

Als Oberstdorf anno 1495 das Marktrecht erhielt, kamen viele Händler aus den benachbarten Regionen über die Berge zum Kaufen, Handeln, Tauschen und Verkaufen. Die Regularien zum Handel waren festgeschrieben; so ging der Leinwandhandel von Oberstdorf nach Norden, auch der Garnhandel war durch Gesetz geregelt und durfte in jeder Gemeinde nur von einem Faktor gekauft und weitergegeben werden. Sogar das Spinnen für Auftraggeber außerhalb der Pflege wurde untersagt. Das Hausieren und der Verkauf außerhalb der Markttage, auch das unkontrollierbare Einbringen von Waren durch Säumer in die Dörfer waren bereits 1646 verboten worden.

Auf den Märkten durften dann nicht nur Kaufleute, Melber, Metzler, Huckler und Krämer aktiv werden, sondern auch Handwerker selbst gegen entsprechenden Zoll ihre Ware verkaufen. Welche Händler auf den Oberstdorfer Märkten vertreten waren, wissen wir aus einer Aufzeichnung von 1806, worin zu lesen ist:

„Trotz der damaligen Kriegszeit finden wir auf dem Markt: Schuhmacher, Seiler, Kurzwarenhändler, Spitzkramer, Kupfer- und Eisenhändler, Händler mit langen Waren, Händler mit Sensen und Wetzsteinen, Stroh- und Filzhutterer, Rot- und Weißgerber, Italiener mit Seidenwaren, Pelzwarenhändler, Tabakspfeifenhändler mit Zubehör u. v. a. m.”

Selbstverständlich betraf eines der größten Angebote Vieh und Rosse, die meist über den Schrofenpaß oder Uber Salzbichel und Haldenwanger Eck hin- und herüber kamen.

Selbstverständlich betraf eines der größten Angebote Vieh und Rosse, die meist über den Schrofenpaß oder Uber Salzbichel und Haldenwanger Eck hin- und herüber kamen.

Es war also zu damaliger Zeit ein heute unvorstellbarer Verkehr mit Gütern über die Paßhöhen nach Süden ausgerichtet. Alles aber war nur möglich mit Trägern und Säumern, denn ein Wagen war damals noch nicht verwendbar. Und wo viel Handel getrieben wird, erregt dies auch die Aufmerksamkeit der Obrigkeit, die auch damals etwas davon haben wollte, und so kam es auch zu vielen Regularien; so lesen wir:

1650: „Zollfrei ist alles Vieh, das die Untertanen zu ihrer Haus-Notdurft gebrauchen. Anders Vieh ist zu verzollen, auch alles Vieh, das nach außerhalb der Herrschaft verkauft wird.”

1662: „Die Walser, Birger [Tannberg] und Lechtaler sollen ihr Schmalz und ihren Käse im Waaghaus ablegen. Den Etsch-, Veltliner- und Seewein, den sie auf den Markt bringen, müssen sie verzollen. Alle fremden, nur eingestellten Weine soll ein eigener Aufseher mit Pflicht und Eid in Verwahr haben.”

1675: „Die Fremden sollen zollen von allem, was sie kaufen oder verkaufen - nach altem Herkommen. Die Tann- und Mittelberger [Walsertaler] sollen mit dem, was sie [auf dem Rücken] tragen, frei passieren können. Die Fürkäufer von Waren aber müssen in jedem Fall Zoll bezahlen.”

1683: „Die Untertanen müssen das aus den Alben gehende Vieh mit dem gebräuchigen Alpzoll verzollen.”

Die Schöllanger Chronik berichtet im Jahre 1696:

„Zwischen Oberstdorf und den österreichischen Gerichten Tannberg und Mittelberg herrscht Freizügigkeit. Man ist herein und herausgezogen, hat einander beerbt, und niemals hat die Obrigkeit den Abzug [Kapitalfluchtsteuer] gefordert. In diesem Jahre zogen 1800 Gulden [steuerbares Vermögen] heraus und bei 4000 Gulden herein.”

Es scheint damals geplant gewesen zu sein, den „Abzug” zu verlangen.

1738 heißt es: „Vieh, das aus der Herrschaft Rettenberg verkauft wird [in andere Territorien, auch hochstiftisch], ist zu verzollen. Wenn daher ein Einheimischer mit dem zu verkaufenden Vieh hinwegfährt, so hat er dem Zoller zur Verzollung anzusagen, auch wenn er es nicht ohn [los] wird.”

Landschreiber Luger berichtet 1789, daß aus der Pflege Rettenberg jährlich 1 000 Pferde ausgeführt wurden. Er gibt aber zu, daß die wenigsten Tiere in der Pflege selbst geboren und aufgezogen wurden. Die „Kögerer” (Pferdehändler) kauften sie vielmehr im Kurbayerischen, hielten sie einige Zeit auf den Allgäuer Alpen und verkauften sie dann als gealpte „Allgäuer Pferde” weiter..

Die einheimische Pferderasse war einheitlich meist braun und von stabilem Körperbau. Das Allgäuer Pferd genoß einen hervorragenden Ruf wegen seiner guten Hufe, seiner Ausdauer und Stärke und verfügte vor allem über eine robuste Gesundheit aufgrund der Älpung. Es war ähnlich dem Schweizer Zuchtpferd, dem „Friedberger”, das heute noch bei der Eidgenössischen Armee im Gebirge seine Verwendung findet.

Es war auch bekannt, daß in der Pflege selbst zu wenig Zuchthengste vorhanden waren und deshalb „kurbayerische” über die Bistumsgrenze geholt wurden, um sie nicht selten täglich bei zehn und mehr Stuten zuzulassen. Diese Einseitigkeit hatte seinen Grund, denn die Welschländer wollten durchwegs braune Pferde, und die Stuten wurden weit höher bezahlt als die Hengste.

Daß die ganzen Vieh- und Pferdetransporte aus den obersten Pfarreien übers „Birg” gingen, nach Graubünden und von dort weiter nach Italien, hatte einen einfachen Grund: Der beschwerliche Weg war weitaus billiger, da die „Montfort-Königsegger” westlich der Iller ganz enorme Mautgebühren vereinnahmten, und wer nicht bezahlen wollte oder konnte, da die Pferde ja gar nicht verkauft waren, den nahmen die Herren in Haft oder gleich in ihre (Zwangs-)Dienste auf. Der einzige Übergang über die Iller war damals die Untere Zollbrücke bei Immenstadt, und da kam niemand ungeschoren her- oder hinüber.

Der Handel und der „Trieb” übers Birg erfolgten wegen der Witterung fast nur von Frühjahr bis Herbst. Aber Pferde wurden ganzjährig gehandelt, und so fanden die Händler ihre Wege und gingen im Winter auf die Märkte der „Stifts-Kempter” und von dort oftmals, in Umgehung der Montfort-Königsegger, nach Württemberg und das Welschland. Aber die Vieh- und Pferdetriebe führte man nicht nur nach Süden durch, sondern auch nach Sachsen und bis ins Kurland.

Doch lesen wir nochmals in den Chroniken nach:

1769: Bis die Aufkäufer ihren Trieb beisammen hatten, sammelten und nächtigten sie in der „Welschen-Au” (Birgsau), und am Eschbach hatten sie eine Sammelweide.

1785: 3 hochgeälpte Stiere und 856 Ochsen wurden ins Welschland verkauft.

1792 waren es 4 hochgeälpte Stiere und 773 Ochsen, die ins Welschland verkauft wurden.
Ein Viehausfuhrverbot in die Schweiz wurde erlassen.

1794 wurde das Ausfuhrverbot in die Schweiz für 5 Wochen aufgehoben.

Der Weg über die rund 1800 m hohen Grenzübergänge Biberalp und Haldenwang ins Lechtal und in das Gebiet vom Tannberg stellte schon jahrhundertelang eine Lebensader für die Tannberger Bevölkerung dar, doch dauerte es bis 1795, ehe der damalige Pfarrer von Warth den Ausbau des Weges anregte. Seinerzeit sprengten 20 Männer den neuen Weg durch die
Felswand, sechs Schuh breit und mit einer 40 Zentimeter hohen Außenmauer abgesichert. 2900 Gulden hat dieses Bauwerk gekostet und wurde allein von den Tannbergern bezahlt. Darin sieht man, wie wichtig diese Verbindung übers Birg den Anwohnern war, die eine wesentliche Verbesserung und eine Verkürzung der Wegstrecke von Oberstdorf nach Warth darstellte.

Der Schrofenpaß - Heft 36

Der Verlauf des in den Fels gesprengten Aufstiegs zum Schrofenpaß.

Im Jahre, als der Wegebau fertig war, schreibt die Chronik, sind 800 bis 1000 Ochsen jährlich über den Salzbichel gezogen und sodann über den neuen Schrofenpaß.

Am 20. August 1796 kamen 50 Mann des „Prinz-Codenschen Regiments”, also Franzosen, über Oberstdorf und den Schrofenpaß zum Tannberg. Im selben Jahr kamen wieder Franzosen nach hier und haben viel Vieh mitgenommen.

Am 24. Juli 1800 zogen 400 Franzosen mit Reitern und Fußvolk von Oberstdorf über den Schrofenpaß zum Tannberg. Nach einigen Gefechten kamen diese wieder über den Schrofenpaß zurück. So erfahren wir auch, daß die Viehtriebe durch diese Franzoseneingriffe total zurückgingen und in diesem Jahr nur noch 2 Stiere und 376 Ochsen und 1803 nur 3 Stiere und 301 Ochsen fürs Welschland über den Paß getrieben wurden. Weiters wird vermerkt, daß 1801 von den Franzosen eine Viehseuche aus Österreich eingeschleppt wurde und im selben Jahr über 900 Stück Vieh in Oberstdorf kaputt gegangen seien.

1804 weiß der Chronist zu berichten, daß infolge einer Viehseuche, einer großen Mäuseplage und unheimlich vieler Engerlinge eine Mißernte die Folge war und zu einer totalen Verarmung der Bevölkerung führte. Ebenfalls 1804, nach der Säkularisation, d. h. der Einverleibung des bisher bistümlichen Oberallgäus nach Bayern, hörte der Viehhandel ins Welschland ganz auf. Doch die Viehtriebe auf die großen Märkte von Oberstdorf und Sonthofen blieben, sei es her- oder hinüber.

In einem Bericht von 1804, den auch Pfarrer Johann Nepomuk Stützle 1848 so übernommen hat, heißt es:

„Der Schrofenweg oder Schrofenpaß, 5-6 Stunden südwestlich vom Markte [Oberstdorf] entfernt, ist ein in den Schrofenfelsen gesprengter Saumpfad, welcher an der Haldenwanger-Alpe beginnt und allmählich zu einer bedeutenden Höhe hinansteigt - an einem fürchterlichen Abgrund vorbei, bis er auf der Höhe des Schrofenberges auf dem Gränzpunkte von Bayern in’s österreichische Gebiet ausmündet und nach dem nahgelegenen Tamberg am Lech führt, und von da auf den Adlerberg [Arlberg] und in das österreichische Landgericht P[B]ludenz. Früher war dieser gefährliche Saumpfad mit einer Brustwehr von Mauersteinen versehen.

Zur Zeit der französischen Feld- und Streifzüge soll sie aber von den zerstörungslustigen und muthwilligen Franzosen abgebrochen worden sein, welche sich wahrscheinlich an dem Hinuntersturze und Rollen der Steine in die schauerliche Tiefe zu erfreuen suchten. Dieser Muthwille hatte aber bald die traurige Folge, daß Personen und Tiere auf diesem Felsenwege verunglückten, indem sie von der schwindelnden Höhe in die schauerliche Tiefe stürzten und rettungslos verloren waren.”

Über die vielen Unglücke ist wenig bekannt, nur Einzelfälle. Außerdem hatten die Tannberger diese fehlende Außenmauer bald wieder repariert.

Im Jahre 1803 wurde wegen der vielen Viehtriebe, gemeinsam mit den Alpen Haldenwang, Biberalp, Rappenalp und Taufersberg, ein Weg durch die Roßfälle gesprengt und den Alpen ein geringer Obolus von 22 Gulden abverlangt. Der alte Träger-, Säumer- und Triebweg führte von der Brücke im inneren Buchraine östlich der Roßfälleschlucht in Richtung Petersälpele und dann wieder herab zur Breitengehrenalp, ein umständliches Auf und Ab. Schon aufgrund des Baus des Schrofenpasses und dann der Verbesserung der Roßfälle wurde der Übergang über den Salzbichel bedeutungslos. Wie bereits erwähnt, ging der Vieh- und Roßhandel ins Welschland total zurück, doch der Drang auf die Oberallgäuer Märkte blieb.

Aufgrund des Zusammenbrechens der Leinenerzeugung im Allgäu wurde viel Ackerland zu Grünland gemacht, eine vermehrte Milchwirtschaft und Viehaufzucht enstanden, so wie es Karl Hirnbein vorpraktiziert hatte. Die Viehmärkte wurden reichlicher beschickt, der Handel kam wieder zu neuer Blüte. Roß- oder Jungviehalpen wurden in Sennalpen umfunktioniert und vermehrte Sömmerungsmöglichkeiten geschaffen. Ja es kam so weit, daß man selbst zu wenig Vieh hatte und damals schon Pachtkühe und Pensionsvieh annahm. Dazu weiß Hipper & Kolb zu berichten:

„Am 14. Sept. 1814 wurden auf den großen Märkten Oberstdorf/ Sonthofen 6656 Stück Vieh aufgetrieben und innerhalb 5 Tagen verkauft. Es waren 636 Melkkühe, 800 Rinder und Kälber, 450 Sommerkälber, 1600 Stiere, 350 Ochsen, 80 Fohlen, 390 Pferde, 850 Gaißen und Böcke sowie 1500 Schafe. Die meisten Käufer und Viehhändler kamen überwiegend aus Graubünden, dem Oberrhein und aus dem württembergischen Raum sowie aus Italien.”

Dadurch kam auch die Bedeutung des Schrofenpasses wieder vermehrt zur Geltung, und dies wird dadurch unterstrichen, daß 1838 in Warth ein neues Zollhaus für die acht Zollbeamten mit einer Hucklerei (siehe Seite 1116) erbaut wurde.

Doch immer wieder brachen Hungerjahre über die Bevölkerung herein. Es wüteten Viehseuchen, und Mißjahre verstärkten die Misere. Es gab eine unheimliche Teuerung, und es sind sogar im Jahr 1816 viele Leute direkt verhungert, dies aber fast europaweit.

Das Land erholte sich wieder, der Handel kam in Schwung, doch Mitte des Jahrhunderts entstand wieder eine Wirtschaftskrise. Aus einer Niederschrift aus dem Zollhaus Gehren geht hervor, daß die Getreideeinfuhr von 1856 bis 1857 von 29700 Kilogramm auf 6000 Kilogramm zurückging. Die Viehausfuhr wurde in diesen beiden Jahren mit 1015 bzw. 393 Stück angegeben. Noch drastischer war zu dieser Zeit der Rückgang des Käse-Exports, nämlich von 2060 Kilogramm auf nur noch 80 Kilogramm.

Der Schrofenpaß - Heft 36

Nachdem eine wesentliche Vermehrung des Kuhbestandes durch Nachzucht von Jungvieh, trotz der bereits jetzt schon bis in die entlegensten Berghoibate vorgenommenen Heugewinnung, nicht mehr möglich war, um einen zahlenmäßig höheren Viehbestand im Winter durchzufüttern, entschlossen sich mehrere Alpbewirtschafter im benachbarten Lechtal und im Birg, im Frühjahr Kühe und Jungrinder zu kaufen, im Sommer zu melken und nach der Alpzeit am Viehscheid oder bei den Herbstviehmärkten wieder zu verkaufen.

Dieser Erwerb ging auf folgende Art vor sich: Die Käufer gingen im Laufe das Monats April in die genannten Orte, besahen sich die feilen Tiere in den Stallungen und kauften die ihnen zusagenden Tiere. Anfang Mai des jeweiligen Jahres wurde vom Zollamt Kempten ein sogenannter Kontrolltag bestimmt, zu welchem das gekaufte Vieh über den Schrofenpaß an den Eschbach südlich von Birgsau getrieben wurde. Hier wurden die Zahl der einzelnen Tiere auf vorausgegangenen Antrag zur bewilligten Vieheinfuhr geprüft und der Gesundheitszustand visitiert. Beim Kauf war es üblich, 1 bis 2 Gulden (später Mark) Anzahlung zu leisten und beim Übernehmen meistens die Hälfte des Preises zu erlegen. Der Rest wurde am 14. September, mit Schuldschein ohne Zins vereinbart, fällig. Der Wert einer Kuh betrug um 1870 125 bis 130 Gulden. Dieser Viehkauf verlief so bis zum 1. Weltkrieg.

1883 wurde die Zollstraße von Lechleiten über den Schrofenpaß nach Oberstdorf mit Wirkung vom 1. Oktober 1883 aufgehoben. Ab sofort mußten alle Zollwaren beim Nebenzollamt Oberstdorf gemeldet und ihre Bescheinigungen abgeholt werden.

Die Zöllner trugen in dieser Jahresbilanz die Bemerkung ein: „Zollpflichtige Gegenstände dürften größtenteils auf Schmugglerwegen hergebracht worden sein.” Eben jene Schmuggler waren es auch, die bis ins 20. Jahrhundert hinein den ehedem lebhaften Warenverkehr in Schwung hielten. Bis Österreich 1938 dem Großdeutschen Reich einverleibt wurde, waren der Rollentabak, Virginia und der „Britschler” aus den Trafiken in Warth und Hochkrumbach die beliebteste Schmuggelware.

Der gute alte Schrofenpaß hat nunmehr für den Handel längst seine Bedeutung verloren, und nur noch wenige ältere Einheimische können sich an den breiten Paßweg mit seinem Außenmäuerle erinnern. 1944 war ich Hirte auf der Rappenalp und bin den Paß noch selbst gegangen, und 1945 war ich Hirte am Taufersberg, da war der ganze Paßweg an der steilsten Stelle weggesprengt.

In der Birgsau war damals ein SS-Wehrertüchtigungslager mit dem Außenlager Rappenseehütte, und diese wurde mit Mulis versorgt. Die Mulitreiber bei der SS waren KZler, einige politische Zwangsarbeiter und andere, auch einige „einfach” verschleppte polnische Schullehrer. Wir hatten zu denen stets einen guten Kontakt. So habe ich den Tucki Michl seinerzeit noch befragt, ob er über den Schrofenpaß etwas wisse. Tucki Michl war einer dieser polnischen Lehrer, der dann hiergeblieben ist. Er wußte nur, daß man mit den Mulis jede Menge Sprengstoff zur Spicherhütte gebracht hatte, und dieser wurde dann von SS-Leuten dort übernommen, mehr habe er nicht gesehen. In den folgenden Tagen habe man mehrere Sprengungen aus dem Tal gehört. Man habe sich noch erzählt in ihren Kreisen, daß die SS im Glauben an den Endsieg hier die „Alpenfestung” ausbauen wolle, und habe deshalb die Übergänge einfach gesprengt. Welch sinnloses Denken! Dies geschah am 15. und 16. April 1945.

Der Krieg ging zu Ende, die SS verschwand, die KZler wurden freigelassen, aber der Schrofenpaß blieb zerstört. Einige Jahre hatten die Lechleitner noch über den größten Absturz eine alte Stalltüre gelegt, doch dies war mehr als gefährlich. Heute ist der Steig vom Alpenverein wieder hergerichtet, und es führt über den höchsten Schlund eine lange Aluleiter mit Seilsicherung.

Ein Viehtrieb wäre nicht mehr möglich, aber die Anbindung zum Heilbronner Weg von der Mindelheimer Hütte zur Rappenseehütte ist wieder intakt. An den einst regen Verkehr hinüber und herüber übers Birg werden die freiwilligen Helfer des Alpenvereins kaum gedacht haben, als sie diese Verbindung wieder herstellten.

Quellennachweis:
Geschichte des Marktes Oberstdorf, Teil 3
Schöllanger Chronik
Birgsau-Chronik von Franz Alois Schratt
Oberländer Erzähler
Listen des Zollamts Gehren
Aufzeichnungen von R. Schwendinger
Jahrbücher des Deutsch-Oesterreichischen Alpenvereins

Kontakt

Verschönerungsverein Oberstdorf e.V.
1. Vorsitzender
Peter Titzler
Brunnackerweg 5
87561 Oberstdorf
DEUTSCHLAND
Tel. +49 8322 6759

Der Verein

Unser gemeinnütziger Verein unterstützt und fördert den Erhalt und Pflege von Landschaft, Umwelt, Geschichte, Mundart und Brauchtum in Oberstdorf. Mehr

Unser Oberstdorf

Seit Februar 1982 werden die Hefte der Reihe "Unser Oberstdorf" zweimal im Jahr vom Verschönerungsverein Oberstdorf herausgegeben und brachten seit dem ersten Erscheinen einen wirklichen Schub für die Heimatforschung. Mehr

Wir verwenden Cookies
Wir und unsere Partner verwenden Cookies und vergleichbare Technologien, um unsere Webseite optimal zu gestalten und fortlaufend zu verbessern. Dabei können personenbezogene Daten wie Browserinformationen erfasst und analysiert werden. Durch Klicken auf „Alle akzeptieren“ stimmen Sie der Verwendung zu. Durch Klicken auf „Einstellungen“ können Sie eine individuelle Auswahl treffen und erteilte Einwilligungen für die Zukunft widerrufen. Weitere Informationen erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Einstellungen  ·  Datenschutzerklärung  ·  Impressum
zurück
Cookie-Einstellungen
Cookies die für den Betrieb der Webseite unbedingt notwendig sind. weitere Details
Website
Verwendungszweck:

Unbedingt erforderliche Cookies gewährleisten Funktionen, ohne die Sie unsere Webseite nicht wie vorgesehen nutzen können. Das Cookie »TraminoCartSession« dient zur Speicherung des Warenkorbs und der Gefällt-mir Angaben auf dieser Website. Das Cookie »TraminoSession« dient zur Speicherung einer Usersitzung, falls eine vorhanden ist. Das Cookie »Consent« dient zur Speicherung Ihrer Entscheidung hinsichtlich der Verwendung der Cookies. Diese Cookies werden von Verschönerungsverein Oberstdorf auf Basis des eingestezten Redaktionssystems angeboten. Die Cookies werden bis zu 1 Jahr gespeichert.

Cookies die wir benötigen um den Aufenthalt auf unserer Seite noch besser zugestalten. weitere Details
Google Analytics
Verwendungszweck:

Cookies von Google für die Generierung statischer Daten zur Analyse des Website-Verhaltens.

Anbieter: Google LLC (Vereinigte Staaten von Amerika)

Verwendete Technologien: Cookies

verwendete Cookies: ga, _gat, gid, _ga, _gat, _gid,

Ablaufzeit: Die Cookies werden bis zu 730 Tage gespeichert.

Datenschutzhinweise: https://policies.google.com/privacy?fg=1

Externe Videodienste
Verwendungszweck:

Cookies die benötigt werden um YouTube Videos auf der Webseite zu integrieren und vom Benutzer abgespielt werden können.
Anbieter: Google LLC
Verwendte Technologien: Cookies
Ablaufzeit: Die Cookies werden bis zu 179 Tage gespeichert.
Datenschutzerklärung: https://policies.google.com/privacy?hl=de&gl=de

Cookies die benötigt werden um Vimeo Videos auf der Webseite zu integrieren und vom Benutzer abgespielt werden können.
Anbieter: Vimeo LLC
Verwendte Technologien: Cookies
Ablaufzeit: Die Cookies werden bis zu 1 Jahr gespeichert.

Datenschutzerklärung: https://vimeo.com/privacy