Die Gemeindehoibate im Laufbach.
(Luftbild zur Verfügung gestellt von der Marktgemeinde Oberstdorf/Bauamt.)
Heu für die Winterfütterung von Rindern und Gaiß(en) war seit Jahrhunderten eine Überlebensfrage für Oberstdorfer, vor allem jene, die keinen eigenen Wieshoibat besaßen, das oft bescheidene Landstück im Tal aber mit Getreide bebauen mussten, um für sich selbst die nötigen Grundnahrungsmittel erzeugen zu können. Hoch in den Bergen gab es allerdings Plätze, auf denen mehr oder weniger gutes Gras wuchs, das mit Vieh unerreichbar und hochgefährlich war. Freilich waren solche Plätze in aller Regel nicht herrenlos, sondern gehörten meist zu Alpen, deren Erlaubnis man zur Heugewinnung brauchte, so z. B. am Geißfuß von der Seealp, unterm Rädlergrat von Gutenalp oder in der Schwärze von Dietersbach. Für solches Heu musste man allerdings Einfuhrzoll an die Gemeinde entrichten.
Auch die Gemeinde Oberstdorf selbst besaß Heuplätze von sehr unterschiedlicher Qualität, Zugänglichkeit und Entfernung vom Dorf. Sie wurden gewöhnlich für Bedürftige reserviert und das Recht ihrer Nutzung wurde verlost, mindestens im 19. und 20. Jahrhundert versteigert. Das älteste einschlägige Hoibatverzeichnis stammt aus dem Jahr 1648 und liegt heute im Staatsarchiv Augsburg mit der Signatur HStA NA 7719. Es ist ein einziges, beidseitig beschriebenes Blatt, zudem nicht gut lesbar und sichtlich unvollständig.
Hoibatverzeichnis von 1648
(Die Schreibung des Originals wird möglichst beibehalten, nur Namen werden stets groß geschrieben. Lagehinweise mit AVK beziehen sich auf die Alpenvereinskarte Allgäuer-Lechtaler Alpen Westblatt.)
Verzaichnus der Gemeindts Hoibat Auff ges. 1648
[Preis in Kreuzern] [Identifikation]
Hanns Renn vnnd Hannes | Westflanke des Laufbacher Ecks | |
Keberle denn Rotennthenen | 6 | (AVK: Rote Tenne, unrichtig platziert) |
Hanns Lecher Schmidt den Fanen Haibat | Rücken östl. der Laufbacher Kirche | |
die Kirchen [ohne Angabe] | Sockelbereich der Laufbacher Kirche | |
Crista Wolff und Jacob | ||
Schrautollf den Fegelles geren halb um | 30 | Südseite des Schattenbergzuges (AVK: Vögeles Geren) |
Melcher Thamhaimer den Sey Rugen | 2 | Unklar, ob mit dem heutigen Saubuckel identisch |
Crista Wolff die Gumprine | 4 | ungeklärte Stelle im Laufbach |
Sima Miller den Vnnderen Schefhoff sambt den vnndren zwaii gerlen | 4 | SSW-Seite des Schattenberg (AVK: Schafhof) Die Gerle: östl. des Unteren Schäfhofes |
Jerg Hueber Jarkeles Jeng das Druasachle | 2 | unsicher ob im Laufbach |
Jeremias Straub das Druas Ach zu Laubach | 4 | Das Drusach im Laufbach (AVK: Stieggern!) |
Latus | 52 |
(Rückseite)
Hanns Vogler die 3 Rigle zu Laubach | 3 | Schmale, von seichten Runsen getrennte Grasrücken im obersten Laufbach, westl. des Hochgunds |
Mer in den Brenden an dem Scheff Hof | 3 | Heute unbekannte Stelle im Schäfhof am Schattenberg |
Lorents Frey den Mitell tail [Fal, Eal, Eub?] Reinen | 4 | ungeklärt, weil nicht klar lesbar |
Die 2 Brunnen Maister den Kesllers Haibat vnd das Tagwaidle [ohne Angabe] | Vermutlich der Keßlerrücken im Laufbach Im Westteil d. Laufbachs (nahe P. 1614 der AVK) | |
Jerg Zaus das Loch | 6 | In der Südflanke der Laufbacher Kirche |
Maria Schrutelfen den Ortrube geren | 24 | Südseite des Oytales gegenüber der Grasrube und Adlerwand (AVK: Ortruben) |
Hanns Heis Disbichller das Dickhach | 2 | Unterer Teil des Schattenberghanges gegen das Faltenbachtobel |
Michell Los den Lepe Jacobs Haibat | 2 | unbekannt |
Hannß Heis forstknecht den Obern Scheffhof | 2 | Oberteil der SSW-Flanke des Schattenberges vgl. Unterer Schäfhof) |
Latus | 46 |
Das wohl umfangreichste Verzeichnis hat Anton Jäger in seinem wertvollen Copialbuch vom Jahr 1763 überliefert. Es beginnt dort auf Seite 292 mit der Überschrift:
Beschreibung, wie mann die Heybath verlaßen hat anno 1763 als:
Nro [Name] | [Preis in Gulden/Kreuzern] | [Identifikation] |
fl. kr |
1. Rüefe und Hey Rüß | 6 | Zwei Transportrinnnen für Heu aus dem Riefenschwand, wohl im Bereich des Riefen- köpfles gegen den Vorderen Dietersberg |
2. den Bränte Rugge | 8 | nicht identifiziert, am Riefenköpfle? |
3. die Mößle bey Blatte Kirchele | 6 | Später Plattenmoos in der Abdachung des Plattenbichels gegen das Dummelsmoos |
4. den Roß gähre | 4 | Westl. Seitenast der Rinne, durch die der „Prinzenweg” vom Roßbichel Richtung Rubihorn emporführt |
5.daß Glaith under dem Güntle | 16 | Durch das Glait führt der Gleitweg vom Oytal zum Seealpsee, Güntle = Seealper Gündle |
6. den halben Bettler Heybath | 1 | Grasiger Streifen über dem Hochgundhof im Laufbach |
7. den ander halben Bettler Heybath | 1 | |
8. den Ebizer gähre | 8 | Grasflächen über dem Hinteren Ringatsgund westl. des Grates |
9. die Hürtten Köpfle | 6 | im Laufbach, nicht identifiziert |
10. Stäßle ob Mume | 4 | An der eh. Gemeindegrenze gegen Gerstruben, wo sich die Steilflanken gegen das Hölltobel verflachen |
Latus | 2 fl 58 kr |
11. daß Tag Waidle | 4 | Im Westteil von Laufbach (um P. 1614 der AVK) |
12. der Hässeles gähre | 4 | Häselesgehren in der Südseite des Schattenbergs zwischen Taufenrinne und Schörgengehren im Osten |
13. Vögeles Schwändt | 4 | In der Schattenberg-Südseite westl. des Vögelesgehren, aber höher oben (AVK: Vögelesschweng!) |
14. Bächer Holz | 4 | Wald in der unteren Flanke des Kegelkopfes (AVK: Pecherholz) |
15. Gump Rinne | 8 | im Laufbach, ungeklärt |
16. den Undern Vögeles gähre | 20 | Oytal über der Adlerwand (AVK: Vögelesgern!) |
17. der Oxen gähre | 12 | Oytal östl. der Adlerwand (AVK: Ochsengern!) |
18. Bürckhats güntle | 4 | Heutiges Blattners oder Hinteres Gündle |
19. den halben Schattenberg | 15 | In der Nordwestseite des Schattenberges |
20. den halben Schattenberg | 15 | |
21. die gährle unter Luegenalb | 8 | Südseite des Oytales, grasige Teile der Rinnen unterhalb von Lugenalp |
Latus | 4 fl 36 kr |
22. Ghrts Dinner Haybath[Gerichtsdiener H.] | 4 | Wohl identisch mit dem Schergenrücken im Laufbach, östl. des Fahnenhoibats |
23. den Sey Rugge | 8 | Grasiger Rücken im östl. Teil des Laufbachs (östl. AVK: Stieggern = ident. mit heutigem Saubuckel?) |
24. daß Truesach | 10 | Laufbach östl. des Stieggehrens |
25. die Obere Rinnen | 6 | Grasiges Steilgelände westl. des Laufbach- tales (AVK: In den Rinnen) |
26. die Untere Rinnen | 6 | |
27. den Föhlgähren | 6 | Im Südteil der östl. Laufbachseite (AVK: Fällgern!) |
28. der Rothe Thänne | 8 | In der Westflanke des Laufbacher Ecks (AVK: Rote Tenne!, zu hoch oben) |
29. daß Loch | 8 | Wohl nach der Höhlung (Gufel), dem „Ein- gang” zur „Kirche“ an ihrem Fuß so benannt |
30. daß Mößle ob den Scheuben | 8 | Moosige Fläche südwestl. und an Stelle des heutigen Moorweihers |
31. daß Mößle ob dem useren Kratberg | 8 | Moorige Flächen östl. des Gasthauses Krappberg, nordwestl. des Moorbades |
32. den Linden gähre | 4 | Breiter Gehren in der Ostseite des Laufbachs (AVK: Lindengern!) |
33. den Ortruber gähre | 24 | (siehe 1648) |
Latus | 6 fl 16 kr |
34. die gährle zum See | 10 | Kleine Grasflecken an den Rinnen in der Ostflanke des Himmelschrofenzuges im Bereich des Christlessees oder im Laufbach? |
35.Tischler Männles heybath | 4 | Hoibat östl. oberhalb der Laufbacher Kirche |
36. Bergacht | 8 | Steile Grashänge oberhalb der Ringeler Gehren mit Durchgang zum Herzrücken |
37. daß Aroy hinder dem Jauchen | 6 | Der Abhang gegen die Breitach |
38. die gährle under dem Ainatsberg | 8 | Grashänge östl. von Birgsau-Eschbach gegen den Einödsberg |
39. Buechrainer waldt | 4 | Nördl. der Alpe Buchrainen, heute fast völlig Wald |
40. der waldt under Luegenalb | 4 | Südl. Oytalseite, westl. des Oytalhauses |
41. daß Dickhach ob dem Durchschroffen | 4 | Wohl Waldgebiet oberhalb des Burgstalls |
42. daß Güntle an der Weyse Rinne | 4 | Unsicher: Nordwestflanke des Himmel- schrofens oberhalb der Waldgrenze |
43. die Hochlaither | 6 | Westflanke des Himmelschrofens südlich des Schrofensatzes |
44. das halbe Mößle am Burgstahl | 15 | Moosige Stellen in der Viehweide am Burgstall |
45. Mehr die halbe Mößle alda Latus | 15 | |
Latus | 7 fl 44 kr |
46. 1⁄4 tel vom waldt zu Laufbach | 6 | Ehemals grasige Stellen im Laufbacher Wald (AVK: Laufbacher Wald und darüber) |
47. 1⁄4 tel allda | 6 | |
48. 1⁄4 tel allda | 6 | |
49. 1⁄4 tel allda | 6 | |
50. 1⁄4 tel vom Vögeles gähre | 30 | Südseite des Schattenbergzuges über der Adlerwand (AVK: Vögeles Gern!) |
51. 1⁄4 tel allda | 30 | |
52. 1⁄4 tel allda | 30 | |
53. 1⁄4 tel allda | 30 | |
54. die Rügle zu Laufbach | 6 | Schmale, durch seichte Rinnen getrennte Grasflächen im Laufbacher Hochgund |
55. Faullenbach | 8 | Wohl links der Stillach vor ihrer Mündung |
56. Daß Baum Rüß | 4 | Von 6 Baumriesen kommen am ehesten in Betracht: jenes nördl. des Schrofensatzes, das beim Omnibusparkplatz endet oder jenes vom Stützel gegen First-Plattenbichel herab |
Summa | 10 fl 26 kr |
Oberstdorf an St. Laurenti ao 1763
Antoni Jäger Gerichtsam[an] ao 1763
In beiseyn Jacob Wörz Hbtman [Hauptmann] und die 4. Waidtmaister
S. 297
Pro Notita
Weillen nun Jenseitige Hoybath
in der alb Lauffbach der gemeindt Oberstorff
ohne Disput gesambter gemaindt, dem
Armen, und Reichen nach Proportion deß
Steur Vermögen, nicht desto weniger hat
man es biß dato bey alter ybung und ob=
servanz, ohne Preiudicierung wie oben den
Armmen noch jmer umb wenigen Zinß
gelassen, daß der Armme, weillen selber
auch die gemeindts Dienst Thuen mueß, etwan
ein S.V.Kuewinthernkan.
Verlassen es also, daß der jenig welcher
ein Pferd hat, nit in daß Looß der Hey=
bath solle gellassen werden. Per gricht
Antoni Jäger Gerichtsammann
Auf der gesonderten Seite 297 wird von Anton Jäger „Pro Notitia” (zur Kenntnis, frei übersetzt: zur Beachtung) festgehalten, dass die Armen der Gemeinde wie bisher bei der Vergabe der gemeindlichen Hoibate jedenfalls berücksichtigt werden müssen und zwar gegen einen „wenigen Zinß”, also ein geringes Entgelt, weil sie ja auch die gemeindlichen Arbeiten mit verrichten müssen. Wer ein Pferd besitzt, hat keinen Anspruch auf Berücksichtigung, ist also schon reich. Man kann diese Regelung als eine Art soziale Fürsorgepflicht der Gemeinde erkennen. Dass nur „Jenseitige Hoybath” angesprochen werden, könnte darauf deuten, dass der dieseitige (westliche) Teil damals noch als Alpe genutzt wurde. Für Vieh unzugängliche Lagen (z. B. die Rinnenen) wurden aber auch damals schon geheut.
Schon im folgenden (19.) Jahrhundert scheint eine grundsätzliche Änderung eingetreten zu sein, denn die große Tabelle von 1857 – 1930 wird mit „Versteigerungserträgnisse” der „Bergheute” im Laufbach überschrieben, von Verlosung ist also nicht mehr die Rede. Alle Hoibate außerhalb von Laufbach (die meisten davon waren wirklich nicht ertragreich) sind aus den Listen verschwunden, Laufbach wurde jetzt offensichtlich nicht mehr als Alpe genutzt. Aber auch hier waren die nicht ertragreichen Flächen (wie der Laufbacher Wald) schnell nicht mehr „ghoibet”.
Die Preise sanken, wenn man das Krisenjahr 1864 und die 1878 abgeschlossene Währungsumstellung von Gulden auf Mark nicht berücksichtigt, bis 1911 ständig ab. Daran kann man erkennen, dass das Bergheuen schon vor der Jahrhundertwende nachgelassen hatte. Das bestätigt auch 1897 der Vermessungsbeamte Otto Jäger, wenn er schreibt: „Lukrativere und dabei weniger anstrengende Beschäftigungen haben die mühsamere und nur bescheidenen Gewinn bringende Arbeit an den Berghängen bedeutend zurückgedrängt.
Es wird wohl niemand wundern, wenn die Preise als Folge der Inflation 1925 plötzlich in die Höhe schnellten, denn das außerordentlich gute Bergheu im Laufbach war seinen Preis wert. Allerdings ist dann 1930 schon ein bis dahin kaum erzielter Tiefstand erreicht mit neuen Lücken in der Heubatliste. Erstaunlicherweise steigen 1935 die Erlöse wieder an. Nur drei Hoibate sind billiger geworden. Es sind jene, bei denen der Abtransport des Heus besonderen Aufwand erforderte und große Schwierigkeiten bereitete.
Es ist denkbar, dass für diesen Anstieg Hitlers Autarkiepolitik mitverantwortlich ist, die eine Selbstversorgung Deutschlands, auch mit Nahrungsmitteln, forderte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde im Laufbach dann bis gegen 1949/50 wieder geheut wie in alten Zeiten. Schließlich ging die Bergheugewinnung dort oben beinahe schlagartig zurück und kam endlich zum Erliegen.
Die Schneeflucht:
Lichtung unterhalb der Heuhütten am Eingang zum Hochtal – oder anders herum gesehen: Lichtung in welcher der Schlussteil des Laufbacher Stiegs verläuft.
Die Seite:
Der untere Teil der Westflanke des Laufbachs, in welcher der Weg zum Untern Hof verläuft.
Der Brunnenhoibat:
Zwischen Großem und Kleinem Föllgehren.
Der Spitzruggen:
Östlich des Fahnenhoibat, nach unten spitz zulaufend.
Das Gleit im Laufbach:
Verbindungsstück, das unter dem Roten Tennen in den Hochgundhof hinüberführt; zum Schochentragen benutzt.
Untere/Obere Rothedenne:
Westflanke des Laufbacher Ecks, unterhalb/oberhalb der Feslsstufe (AVK: Rote Tenne).
Die Lache:
Oberhalb des Oberen Hofes vom Laufbach (AVK: Auf den Lachen).
Der Obere Hof:
Westlich der „Kirche” gegen die Lachen hinauf.
Der Laurucken:
Rücken der ssö. der „Kirche” hinabzieht, teilweise bebuscht.
Kohlgehren:
Früher zum Laufbacher Wald gerechneter, schwach begraster Gehren über dem Talboden des Oytals (AVK: Kochgerle!).