Gerade drei Wochen waren ihre Geburtstage auseinander und doch lagen sie jeder in einem anderen Jahrhundert. Ihr 100. Geburtstag aber fiel nicht nur jeder in ein anderes Jahrhundert, dazwischen lag sogar der Übergang in ein neues Jahrtausend. Am 22. Dezember 1999 bzw. am 15. Januar 2000 wären sie 100 Jahre alt geworden, die beiden Heimatfreunde Karl Hofmann und Anton Berktold.
Sie drückten noch in der alten Schule am Marktplatz, dem späteren Rathaus, gemeinsam die Schulbank und saßen viele Jahre später zusammen auf den harten Stühlen im Gemeinderat. Die Pflege der Heimatgeschichte führte sie über Jahre auch zusammen im Museumsausschuß. Bei der Planung und der „Geburt” der Schriftenreihe »Unser Oberstdorf« wirkten sie beide noch mit und veröffentlichten in der Erstausgabe (Februar 1982) jeder einen Aufsatz.
Es erlernte zwar jeder den Beruf seines Vaters, aber sonst verliefen ihre Lebenswege in völlig verschiedenen Bahnen.
Karl Hofmann, später Schriftsetzermeister und Inhaber der Buchdruckerei, die sein Vater begründet hatte, betätigte sich in jungen Jahren in einer Reihe von sportlichen Disziplinen und trug in verschiedenen Positionen bei Turnverein, Skiclub und Alpenverein Verantwortung mit. Im öffentlichen Leben und in diversen Vereinen war der aktive Mann eine gefragte Persönlichkeit. Im Gemeinderat, in der Kirchenverwaltung, beim Verschönerungsverein, bei der Raiffeisenbank, bei der Feuerwehr wirkte Karl Hofmann über Jahrzehnte. Er war ein großer Förderer des Fremdenverkehrs und so Mitbegründer der Sesselbahn AG (heute Söllereckbahn) und der Kur- und Verkehrsbetriebe AG, auch im Fischereiverein und dem Breitachklammverein betätigte er sich maßgeblich.
Neben seinem Geschäft und den vielen Aktivitäten widmete sich unser „Karle” seiner geliebten Landschaftsfotografie und der Erforschung der Heimatgeschichte. Eine ganze Reihe von Buchillustrationen, Aufsätzen und sein beachtenswertes Werk „Oberstdorfer Hexen auf dem Scheiterhaufen” sind dafür ein beredtes Zeugnis. Ein Denkmal besonderer Art setzte sich
Karl Hofmann mit seinen Freunden im Aufbau des Oberstdorfer Heimatmuseums. Von den Anfängen im Jahre 1926 bis zu seinem Lebensende gehörte er dem Museumsausschuß an und hat viel für das Zustandekommen und den Erhalt der Einrichtung bewirkt.
Ehrungen durch Vereine und Verbände - vom Ehrenmitglied bis zum Goldenen Meisterbrief - dokumentieren die Wertschätzung, die dieser Mann genoß. Die Heimatgemeinde Oberstdorf verlieh ihm die höchste Auszeichnung, die sie zu vergeben hat, die Ehrenbürgerwürde.
Anton Berktold, in die Landwirtschaft und das alte bäuerliche Handwerk hineingeboren, folgte beruflich auch seinem Vater; er betätigte sich wie dieser als Bauer und Küfer. Durch den frühen Tod des Vaters wurde der junge Bursche schon bald an „den Ernst des Lebens” herangeführt. Die Küferwerkstatt war allerdings nicht das, was den Neigungen des Anton entsprach.
Ihm war die freie Natur das erwünschte berufliche Betätigungsfeld. Der Glücksfall führte „Michle Anton”, wie er unter den Einheimischen genannt wurde, als Gehilfe zu dem gemeindlichen Waldwärter Kaspar Braxmair, dessen Nachfolger er schließlich auch wurde. Die Stelle als gemeindlicher Holzwart war dem Anton nicht nur Beruf, sie war für ihn Berufung. Von der Rubinger Oy bis zum Haldenwanger Eck und von der Gutenalp bis an die Breitachklamm war kaum ein Grenzstein, eine Grenztanne oder ein sonstiges Flurzeichen, dessen Standort Anton nicht auf Anhieb sagen konnte. Seine bewundernswerte Ortskenntnis und das Wissen um die Fülle der Orts-und Flurnamen erstaunte jeden, der sich je mit dieser Materie befaßte.
Durch seinen Fleiß und sein Interesse erarbeitete sich der junge Mann bemerkenswerte Kenntnisse im Forstwesen, gerade was den Bergwald betraf, daß er selbst bei den Forstbehörden als Ratgeber gefragt war. Aber auch im Gemeinderat, im Rechtlervorstand, als Alpmeister, als vereidigter Schätzmann hatte Antons Wort Gewicht. Die Verträge über die „Rechtlerteilung”, die Trennung des Besitzes von Ortsgemeinde und politischer Gemeinde, wie auch die Verträge über den Ankauf des Heyl’schen Besitzes (Gerstruben, Traufberg usw.) durch die Rechtler, tragen Anton Berktolds Handschrift.
Der Ankauf von Gerstruben, dem Sitz seiner Vorfahren, war dem „Holzwart” eine Herzensangelegenheit. Als es galt, die Geschichte dieses kleinen Bergdörfleins und seiner Bewohner zu erforschen und zu schreiben, war Anton mit Feuereifer dabei. Jahrzehnte gehörte er dem Museumsausschuß an und konnte durch sein großes Wissen z. B. wichtige Beiträge zu den Büchern »Alt Oberstdorf« und »Geschichte des Marktes Oberstdorf« leisten.
Anton Berktold wurden auch Ehrungen zuteil. Der Markt Oberstdorf verlieh ihm die Bürgermedaille und das Ehrenbürgerrecht, der Freistaat Bayern ehrte ihn mit der Bayerischen Verdienstmedaille und die Bundesrepublik Deutschland mit dem Bundesverdienstkreuz.
Alle Ehrungen, die Karl Hofmann wie auch Anton Berktold erhielten, sagen nicht das aus, was sie für ihren Heimatort Oberstdorf getan haben. Karl Hofmann ging am 1. August 1985 von dieser Welt, und für Anton Berktold läutete die Totenglocke schon am 5. Mai 1983. Wir werden beide in bester Erinnerung behalten.