Lugenalp - Aus der Geschichte einer Privatalpe

von Dr. Thaddäus Steiner am 01.06.2001

Hoch über dem Talboden des Oytales, von unten überhaupt nicht sichtbar, breiten sich die Weideböden von Lugenalp aus, am Sockel des Hahnenköpfle, des Hüttenkopfs und der Gieseler Wand. Eine waldige Felsstufe versperrt nicht nur die Sicht auf das Alpgelände, sondern war ehemals ein Zugangshindernis, das nur durch aufwendige Kulturarbeit überwunden werden konnte. Eine kleinere Stufe gliedert dann noch das Alpgelände in sich, was zur Unterscheidung von Unter- und Ober-Lugenalp geführt hat.

Die erste geschichtliche Nennung dieser Alpe bietet eine Urkunde im Stadtarchiv Kempten vom Jahre 1456. Damals verkauft ein Bentz Schütz, Bürger zu Kempten, den vierten Teil an der Uogenalb an einen gewissen Hanns Bürck zum Lemlis, heute Lämmlings geschrieben, in der Pfarrei St. Lorenz, d.h. in der zur Klosterpfarrei St. Lorenz in Kempten gelegenen Ortschaft. Die Namenform Uogenalb befremdet zunächst, doch gibt es wegen der Anliegerangabe, daß die Alpe „an die gerst Rubin” stoße, keinen Zweifel, daß Lugenalp gemeint ist.

An sich gibt es den altdeutschen Rufnamen Uogo, und zwar ziemlich häufig, doch ist eher zu vermuten, daß der Urkundenschreiber das L von Luogenalb überhört hat, als daß der Name wirklich Uogenalb gelautet hätte. Dafür sprechen zwei Beobachtungen: Lugenalp war schon 1456 Privatbesitz, denn in der Urkunde ist kein Lehensherr erwähnt, wie ihn die großen alten Genossenschaftsalpen alle hatten.

Es war sicher sehr schwer, die Alpe zu erschließen, was ja der durch einen Felsriegel hinaufführende Weg heute noch erkennen läßt. Solche Alpen, wie Linkersalp, wahrscheinlich Hierenalp oder gar Blattners Gündle enthalten gerne die Familiennamen ihrer Erschließer oder frühen Besitzer. Einatberg bedeutet gar der Berg, d.h. die Alpe im Alleinbesitz (aus einöt wie das bekannte Kleinod, d.h. Kleinbesitz, kleine Kostbarkeit). Nun ist Luog ein solcher Familienname, der in Oberstdorf gar nicht vorkommt, wohl aber in und besonders südlich von Kempten. In Untergießen, Pfarrei Martinszell, scheint geradezu die Heimat der Luog zu sein. Dort sind sie 1424 nachweisbar; in Häuser, Gd. Burgberg, gar schon 1415. Ihnen dürfte die Alpe ihren Namen verdanken. Das paßt zu den ältesten Besitzern im Kemptener Raum.

Sollte aber Uogenalb wirklich die ursprüngliche Namenform sein, so weist auch dieser Name in das Kemptener Gebiet. Dort gab es nämlich bis 1658 einen Hof namens Uogen, heute heißt er Lugemanns, der mit Sicherheit auf den Vor-, später Familiennamen Uogo zurückgeht und „zu dem Uogen” bedeutet hat.

Dieser frühe, nicht mehr greifbare Hofbesitzer wäre dann der Erschließer und erste Besitzer gewesen. Die Aufspaltung in Viertel, schon 1456, verrät uns, daß die Alpe deutlich älter sein muß, schätzungsweise ins 13., spätestens 14. Jahrhundert zurückreicht.

Erst im folgenden Jahrhundert, nämlich im Jahre 1509. liegt die nächste Nachricht von Lugenalp vor. Die im Staatsarchiv Augsburg lagernde Urkunde besagt, daß ein Jörg Lutz vom Widemen in der Pfarrei Ried (heute Widdum in der Pfarrei Ottacker, Gemeinde Martinszell) dem Hans Burck, Metzger zu St. Martinszell, 20 Rinderweiden verkauft, 10 davon, in der Alpe Dietersbach, sind Lehen vom Stift Kempten, die anderen 10 aber „in der alb genant Lugenalb” sind „frey aigen und nit lehen". Das ist ein unüberhörbarer Hinweis darauf, daß Lugenalp freies, persönliches Eigentum war, keinesfalls stiftskemptisches Lehen, wie in der Literatur behauptet wird.

Angeblich habe es eine Urkunde von 1525 gegeben, nach der der Oberstdorfer Gerichtsammann Conrad Cappeler die Alpe an Conrad Handmann zu Sonthofen verkauft habe. Diese Urkunde konnte ich nirgends auffinden. Es ist auch sehr unwahrscheinlich, daß Cappeler die ganze Alpe verkaufen konnte, höchstens das Viertel, das „Conradt Handtmann zue Obersunthouen” tatsächlich im Jahre 1564 innehatte.

Handmann nahm nämlich laut Urkunde 1564 bei Hans Burkart von Heimenhofen ein Darlehen von 200 Gulden auf und setzte für die regelmäßige Entrichtung eines Jahreszinses von 10 Gulden 2 Äcker, 2 Wiesmähder und eben jene 10 Rinderweiden „inn der Alb Luegen Alb gelegen”, die ihm gehörten, zum Pfand.

Um diese Zeit des 15. und 16. Jahrhunderts wurde Lugenalp also offensichtlich zu 40 Rinderweiden gemessen und war Eigentum von schätzungsweise 4 Besitzern, 3 davon bleiben unbekannt. Wieder dauert es über 70 Jahre, bis wir von Lugenalp etwas erfahren. Das Steuerbuch von 1637 unterrichtet uns, daß die Alpe in 45 „Küewayden” gegliedert war, und diese sind jetzt im Besitz von drei Oberstdorfern, aufgeteilt in 15, 77: und 77: Weiden, dazu kommt ein Kornauer mit 15 Weiden. Diese Einteilung bleibt in etwa bis 1667 erhalten, dann muß spätestens eine Erweiterung auf 52 Weiden erfolgt sein, vermutlich durch Rodung und Gewinnung neuer Weideflächen.

1677 sind es nämlich drei Oberstdorfer, Gallo Bach, Hanns Bach und Martin Renn, die 26 bzw. zweimal 13 Weiden besitzen, 1692 ist die Splitterung auf viermal 13 Weiden fortgesetzt; außer den Familienerben von Bach und Renn sind Seelos und Jäger als neue Familien dazugekommen.

1710 wird im Steuerbuch bei den 13 Weiden der Kinder des Ulrich Seelos ausdrücklich festgehalten, daß es sich um eine „Melckalb” handle. Die Bewirtschaftung war also deutlich intensiver als bei den großen, traditionell mit Galtvieh beschlagenen Genossenschafts- und Lehenalpen. Ab 1732 gehört die Familie Übelhör auf dem Kienberg zu den Anteilseignern.

Erstmals 1758 wird für uns eine Besitzkonzentration erkennbar. Je 26 Weiden haben der Schmalz-, Käse- und Mehlhändler Georg Kircher und ein Johann Renn auf dem Kienberg (heute: Kühberg) im Besitz.

Bald aber verändert sich diese Teilung so, daß die Familie Renn 37 Weiden auf sich vereinigen und eine eigene Alpe bilden kann, die 1798 an Martin Widemann aus Burgegg (bei Schöllang) verkauft wird, der auch den anderen, selbständig gewordenen Teil, jetzt auf 12 oder 13 Rinderweiden gerechnet, seit spätestens 1797 in Besitz hat. Widemann verkauft dann 1804 die spätere Untere oder Hintere Lugenalpe an eine Alpgenossenschaft, die von den Bauern des Ortes Beilenberg gebildet wird.

Diese hat sodann ihre Alpe bis 1832 in Besitz. Die viel kleinere Obere oder Vordere Lugenalpe geht durch verschiedene Hände. Bei den Verkäufen von 1798 und 1804 wird jeweils das Inventar mitverkauft und angegeben. 1804 heißt es: „mit dem aldorth befindlichen großen Senkößl, dein ein Eyßen Fites Keßl, dreyfließ, dein ein Rühr Kybl, dan den Mitlern goiter, dan 2 Thail an dem aldort befindlichen holzen Milchgeschir, den dritten behalt verköffer vor sich selber ...” 1827 kauft die Alpe gar eine Lechtalerin aus Holzgau, namens Elisabeth Maldoner, um 377 Gulden. Sie muß sich aber verspekuliert haben, denn schon 9 Tage später stößt sie „das Bergguth Lugenalp” um 350 Gulden wieder ab.

Endlich erwirbt sie der Langenwanger Alex Schmied und gibt sie im Liquidationsprotokoll 1834 zu 13 Kühen und 9 Geißen an. Mang Tannheimer gibt für seine Hintere (Untere) Lugenalpe einen Beschlag von 30 Kühen und 10 Geißen zu Protokoll. Bei Stützle sind 1848 diese Zahlen nochmals auf 36 bzw. 15 Kühe erhöht, vielleicht hatte man die Geißen weggelassen oder erneut die Weideflächen vergrößert.

Es ist dies die Zeit der Umstellung vieler Galtalpen auf Milchvieh mit Käseerzeugung, die Hochblüte der Senn- alpen mit fast unheimlich gesteigerter Butter- und Käseproduktion. Beide Alpen werden noch einmal besitzmäßig, aber nicht rechtlich, eine Einheit, als sie im Jahre 1853 beide im Besitz Martin Hubers von Gruben waren, dessen Beschlag 1860 mit 30 bzw. 12 Kühen von Oberstdorf nach Immenstadt gemeldet wurde.

Dieser Rückgang war vielleicht schon ein Signal dafür, daß der landwirtschaftliche Ertrag aus der Alpbewirtschaftung nicht mehr so hoch war wie vor Jahren. Hätten die Eigner sonst 1867 so leicht an Prinzregent Luitpold von Bayern verkauft? Vielleicht fiel es dem Monarchen auch leicht, verlockend hohe Grundstückspreise zu zahlen? Jedenfalls dominierte jetzt das jagdliche Interesse, wenn auch der Beschlag der Alpe weiterging.

Dies wird sich kaum geändert haben, als durch einen umfangreichen Tausch des bayerischen Königshauses mit Freiherrn v. Heyl im Jahre 1900 die Alpen in dessen Besitz kamen. Zu Ende des Ersten Weltkrieges diente Lugenalp mit 32 Kühen Beschlag und 8 Schweinen ganz klar als Sennalpe, wie die Statistik Joseph Spanns ausweist . Nach Meissingers Tabelle wurde Lugenalp 1933 ebenfalls als Einheit bewirtschaftet und mit 5 Kühen und 35 Rindern beschlagen. Sie wurde demnach als Galtalpe genutzt!

Am 7. Mai 1953 wurden schließlich beim großen Kauf des v. Heylschen Besitzes vom Rechtlerverband Oberstdorf auch die beiden Lugenalpen - übrigens in der grotesken amtlichen Fehlschreibung „Burgenalpe” - erworben und sind seither im Besitz der „Rechtler”, eine erfreuliche Kontinuität, die es auch ermöglicht hat, daß eine neue Alphütte gebaut werden konnte.

Diese neue Alphütte wahrt die Tradition der alten in besonderer Weise. In die Balken der alten Hütte hatten die Hirten seit 1785 ihre Namen eingeschnitten. Die entsprechenden Balkenteile wurden nach dem Abbruch der alten in die neue Alphütte übernommen.

Lungenalp - Heft 38

Die 1999 neuerbaute Untere Lugenalpe

Natürlich hat es auch Neuerungen gegeben, die das Leben der Hirten entsprechend den modernen technischen Möglichkeiten erleichtern können: Eine Photo-Voltaik-Anlage ermöglicht eine Warmwasseraufbereitung und damit auch das Duschen. Für Wanderer und Touristen ist eine kleine Einkehrmöglichkeit geschaffen worden, mit entsprechender sanitärer Einrichtung.

Eine einfache Brotzeit zur Stärkung und Erholung wird da angeboten, vielleicht mit einem Becher frischer Milch von der Alp. Obgleich es sich um eine Galtalpe handelt, ist durch die Hirtenkühe genügend Milch, auch für einkehrende Wanderer, da: Zwei Milchkühe wurden im vorigen Jahr 2000 dort oben gehalten, aber die 78 Stück Jungvieh waren natürlich der Hauptbeschlag. Für sie wurde auch ein teilweise neuer Auftriebsweg geschaffen. Der kann auch Wanderern aus dem Oytal den Aufstieg erleichtern, vor allem aber weniger Geübten den Abstieg.

Wer schon ermüdete Wanderer, gar noch mit ungeeignetem Schuhwerk, auf dem alten, steinigen und steilen Weg hat absteigen sehen, wird diese Verbesserung besonders schätzen. Der Übergang aus dem Oytal nach Gerstruben übers Hahnenköpfle oder umgekehrt ist nämlich zu einer recht beliebten und empfehlenswerten Wanderung geworden. Und weil das Gerstruber Älpele nicht mehr existiert (1798 wird es lautgerecht in der Form „Gerstruber Eibele” als Anlieger von „Luegen alb” genannt, bietet Lugenalp tatsächlich die einzige Zwischeneinkehr und kann daher dem Wanderer willkommen sein.

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