Der auf glatter Schneebahn so herrlich gleitende Akja sackte in dem lockeren Schnee weg, wie ein überladenes Boot im Wasser. Zwei, drei, teils vier Mann stapften mit den Skiern voraus, um ein wenig Bahn für das Gefährt zu schaffen. Man wechselte sich gegenseitig ab, aber ich weiß nicht, was anstrengender war, die Spur zu legen oder den überladenen Akja zu schleppen. Als es galt, den Kuchenbach zu queren, wußten alle, daß hier erhöhte Lawinengefahr bestand. Der beste Kenner des Geländes, der Hüttenwirt, lag jedoch im Akja. Wir nahmen ihm die Decke vom Gesicht, damit er sich, soweit es bei Nacht und Schneesturm möglich war, orientieren konnte. Man kam überein, in den Tobel schräg einzufahren und möglichst schnell in einem Zuge auf der anderen Seite wieder schräg hinauf den Tobelrand zu erreichen. Ein Seilvorspann wurde angebracht und dann gings in den Tobel hinunter. Ohne Aufenthalt mußte der Aufstieg genommen werden. Es war ein Ziehen, Schieben, Keuchen und Hasten, um aus der Gefahrenzone zu kommen. Gerade als der Tobelrand erreicht war, sackte die Schneedecke zusammen und eine Staublawine schoß durch den Tobel. Glück gehabt!
Je weiter wir uns dem Schlappold-Höfle zuquälten, umso feuchter wurde der Schnee. Die Holzskier setzten Stollen an und erschwerten das Weiterkommen zusätzlich. Wir waren mit den Verunglückten nun schon Stunden unterwegs. Langsam schwanden auch unsere Kräfte. Ich hatte ein zusätzliches Problem, denn ich fuhr damals einen ziemlich harten „Hammer-Ski”. Der war wohl auf der Piste gut, aber im Tiefschnee „bohrte” er gerne, so daß ich gelegentlich ungewollt einen Kopfstand baute. Als wir in die Nähe der Höfle-Hütte kamen und aus den Gefahrenzonen waren, überlegten wir, dort den Tag abzuwarten. Die Entscheidung ob ja oder nein wurde uns unmittelbar neben der Hütte abgenommen. Der Vordermann am Akja brach dort in eine Schneeloch ein und riß dabei beide vordere Holme ab. Damit war die Weiterfahrt mit dem überladenen Gefährt beendet.
Uli wußte das Versteck des Hüttenschlüssels, so daß wir mühelos unter das schützende Obdach kamen. Wenn es in der Hütte auch kalt war, so empfanden wir den Umstand, dem Sturm entronnen zu sein, schon fast als wohlig.
Wir entschlossen uns, den Tag abzuwarten und betteten die Verletzten in die Bugrad. In Decken gehüllt konnten sie sich dort von den erlittenen Schmerzen und Albträumen etwas erholen. Einige Schlucke heißer Tee, den wir bereiteten, halfen auch noch weiter. Wir saßen hundemüde um das prasselnde Feuer in der Sennküche.
Beim Morgengrauen verließen uns Erwin Baier und sein Hausl, um wieder zu ihrer Hütte zu kommen. Sie waren uns eine große Hilfe gewesen. Gerade als wir versuchten unser defektes Gefährt wieder in Ordnung zu bringen, tauchten plötzlich vermummte Gestalten auf. Eine weitere Gruppe unserer Bergwachtkameraden kam uns mit einem neuen Akja zu Hilfe. Wir waren von da ab praktisch nur noch „Statisten”, bis die Verletzten endlich im Tal in ärztliche Versorgung übergeben werden konnten.
Die Alpgenossenschaft Schlappold hatte durch den Verlust der neuausgebauten Sennhütte großen Schaden erlitten. Das Wirtsehepaar verlor einen Großteil seiner Habe und der eingelagerten Vorräte. Horst, ein junger, alleinstehender Bursche, besaß, als er von seinem Tiefschlaf erwachte, nur noch den alten Trainingsanzug, den er im Bett getragen hatte. Aber Glück im Unglück hatten die drei Beteiligten. Wer hinterher die zerstörte Hütte sah, hätte nie geglaubt, daß aus diesem Trümmerhaufen ein Mensch lebend entkommen könnte.