„Jagd-Rechnungen ” - aus den Aufzeichnungen des Försters Joseph Schwarzkopf

von Eugen Thomma am 01.12.2002

Von einem Bekannten erhielt ich zwei DIN A4-Kuverts mit Inhalt. Ihm waren sie übergeben worden mit dem Bemerken, daß es sich um alte Holzlisten von Förster Joseph Schwarzkopf handle. Ich nahm die „Holzlisten” mit nach Hause, um sie genauer zu studieren. Zu meiner Überraschung fanden sich neben interessanten Aufzeichnungen über verschiedene Holzeinschläge des 19. Jahrhunderts auch Jagdrechnungen aus den Jahren 1890 bis 1895 in den Umschlägen. Die Abrechnungen sind zwar lückenhaft, aber aus den Monatsrechnungen der Jahrgänge 1894 bis 1895 war es möglich, ein ganzes Rechnungsjahr zu rekonstruieren. Förster Schwarzkopf hat akribisch genau Buch geführt und monatlich seine Listen an Oberförster Behringer von Burgberg übersandt. Die dort überprüften Aufzeichnungen gingen an den Oberstdorfer Förster zurück und wurden von ihm verwahrt. Aus diesen alten Listen erfahren wir nun, wer wann, wo, was geschossen hat. Sogar das Gewicht des erlegten Wildes und dessen Vermarktungswert ist angegeben. Auch darüber, was für den Abtransport eines Hirsches oder eines weiblichen Stückes Rotwild ausgegeben wurde, werden wir aufgeklärt. Wir erfahren aber auch Interessantes über die Reviere, die Jagdgäste und die Jäger.

Der Jagdbezirk Oberstdorf erstreckte sich über das Gebiet der damaligen Gemeinden Oberstdorf und Schöllang (das einst hochstiftische Gericht Oberstdorf). Die königlichen Jagden gingen aber noch wesentlich weiter. Prinzregent Luitpold konnte z. B. vom Altstädter Hof bis zum Haldenwanger Eck wandern, ohne sein Jagdrevier zu verlassen. Aus Schwarzkopfs Aufzeichnungen geht aber auch hervor, wer damals in Diensten der Hofjagd stand und welche einheimischen Honoratioren als „Kartenjäger” im Jagdbezirk Oberstdorf ein „Begehungsrecht” hatten.

Jagdrechnung - Hef 41

„Papierkrieg” für Förster Joseph Schwarzkopf:
 die „ Jagd-Rechnung”.

Doch schauen wir einmal, was in einem Jahr im Jagdbezirk Oberstdorf erlegt wurde und was der königliche Förster von Oberstdorf seinem Vorgesetzten darüber zu berichten wußte.

Jagdrechnung Heft 41
Jagdrechnung - Hef 41
Jagdrechnung - Hef 41
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Jagdrechnung - Hef 41
Jagdrechnung - Hef 41
Jagdrechnung - Hef 41

Zusammen sind das nun 14 Hirsche, 21 Stück (weibliches Rotwild) oder Kälber, 39 Gemsen, 37 Rehböcke, 17 Füchse, 35 Hasen, 1 Auerhahn, 7 Spielhähne, 7 Enten und 1 Haselhahn, der der Hofküche zugeführt wurde.

Es ist dies eine Menge von erlegtem Wild. Wenn wir nun bedenken, daß dies die Strecke eines ganzen Jahres darstellt in einem Gebiet, das heute zehn Reviere umfaßt, so war wiederum die Jagdbeute nicht besonders groß. Auffallend ist, daß keine einzige Rehgeiß geschossen wurde, wie sich auch kein Adler und kein Murmeltier in den Aufzeichnungen finden. Für das riesige Gebiet gering ist auch die Zahl der erlegten Hirsche. Jedem Jäger werden auch die zum Teil sonderlichen Schußzeiten (z. B. Hisch im Mai und Juni, Rehbock im Dezember, Spielhahn im Oktober usw.) auffallen.

Aber nun zurück zum Revier, dem hohen Jagdherrn, den Jägern und Gästen der Hofjagd, die in das herbstliche Oberstdorf jeweils Leben und teils auch einen Hauch der „großen Welt” gebracht haben. Natürlich stand an erster Stelle Seine Königliche Hoheit Prinzregent Luitpold von Bayern, der Bruder von König Maximilian II. und somit Onkel von König Ludwig II. von Bayern. Seit 1851 war Prinz Luitpold Pächter der Oberstdorfer Gemeindejagd. Als König Ludwig II. im Jahre 1886 auf mysteriöse Weise ums Leben kam, trat dessen Oheim Luitpold die Regentschaft über das Königreich Bayern an. Ab diesem Zeitpunkt fanden in Oberstdorf Hofjagden statt.

Jagdrechnung - Hef 41.-8

Das im Eigentum von Förster Joseph Schwarzkopf stehende frühere Oberstdorfer
 Forsthaus (heute »Kurparkhotel«); bei ihm nächtigten prominente Gäste der Hofjagd.

Prinz Luitpold hatte im Laufe der Jahre sein Revier vergrößert und seither an die 20 Alpen aufgekauft. Politische und gesellschaftliche Verpflichtungen des hohen Jagdherrn brachten es mit sich, daß sich während der Hofjagd viele Gäste im „obersten Dorf” aufhielten und entsprechende Jagdgäste zum Waidwerk eingeladen waren. Der Bekanntheitsgrad Oberstdorfs stieg dadurch beträchtlich. Auch das gesellschaftliche Leben im Ort erhielt neue Impulse. Oberstdorfer Honoratioren wie Bürgermeister, Arzt und Apotheker waren zu Abendunterhaltungen beim Landesherrn eingeladen. Auch beim Kegelabend auf der Bahn des Sommergartens des Gesellschaftshauses mischte sich der hohe Jagdherr unter das Volk. Für acht bis vierzehn Tage schnupperte das Bergbauerndorf Oberstdorf jeweils „den Duft der großen Welt”.

Betrachten wir einmal die Honoratioren, so finden wir den damaligen Bürgermeister von Schöllang, den Ökonomen Johann Holderried aus Rubi. Sicher war dieser Mann wichtig für die Hofjagd, wenn es um den Ankauf oder die Neuverpachtung von Grundstücken in Schöllang ging.

Unter den „Kartenjägern” war auch der Zimmermeister Leonhard Huber aus Oberstdorf zu finden. Er war ein hochangesehener Handwerksmeister, Mitglied der Gemeindeverwaltung (Gemeinderat) und wurde in Bau- und Grundstücksfragen und als Sachverständiger zu Rate gezogen. An ihm führte damals im Bauwesen in Oberstdorf kein Weg vorbei.

Jagdrechnung - Hef 41.-9

Die Hofjagd-Gesellschaft, vorn zu Pferd der Prinzregent.

Der als „Sonnenwirth” in den Rechnungen aufgeführte Brauerei- und Gasthofbesitzer Melchior Jauss gehörte ganz klar zur Hautevolee von Oberstdorf. Gesellschaftliche Veranstaltungen der Hofjagd fanden nicht selten in seinem Hause statt.

Und da wäre auch noch der Sägewerksbesitzer Albert Gschwender zu nennen, von dem es hieß, daß beim Grundbuchamt über 100 Flurnummern auf seinen Namen eingetragen waren. Er war sicher der größte Holzabnehmer aus den königlichen Forsten in Oberstdorf, also ein wichtiger Mann.

Unter den Jagdgästen, die 1894/95 zu den Hofjagdzeiten hier dem Waidwerk nachgingen, finden sich auch einige klingende Namen aus der nächsten Umgebung des Prinzregenten. Bei dem in der Liste aufgeführten Professor Angerer handelt es sich um den Leibarzt des Regenten, nämlich Seine Exzellenz Obermedizinalrat und Geheimer Rat Prof. Dr. Otmar Ritter von Angerer, der den Landesvater auf allen Reisen und Jagdzügen begleitete.

Der als Fürst Fugger eingetragene Waidmann war Carl Fürst Fugger- Babenhausen, der Oberstdorfer „Nachbar” des Regenten (s. Heft 40, S. 1376). Fürst Fugger hatte 1892 im damals völlig unverbauten Süden von Oberstdorf ein Grundstück, den heutigen Fuggerpark erworben und darauf, etwa 200 Meter vom kgl. Jagdhaus entfernt, seine Sommervilla, das »Fuggerhaus« errichten lassen. Die beiden Herren besuchten sich gegenseitig mehrmals in ihren Oberstdorfer Domizilen.

Der genannte Direktor Kaulbach war Seine Exzellenz Fritz August Ritter von Kaulbach, Direktor der Akademie der bildenden Künste in München. Er war stellvertretender Vorsitzender des Ordenskapitels des Maximilans- Ordens für Wissenschaft und Kunst.

Forstrat Krembs war ein Mitglied der bekannten bayerischen Försterfamilie Krembs, neben der noch die Hohenadl und die Sollacher diesen Bekanntheitsgrad aufwiesen. Bei der Hofjagd waren das klingende Namen. Es galt der angeblich vom Prinzregenten selbst geprägte Spruch: „Hohenadl, Sollacher und Krembs, wann's was braucht's, no kemmbt's.”

Mit dem Eintrag von Graf Seinsheim war gemeint Seine Exzellenz Obersthofmarschall Albert Graf von Seinsheim, der zugleich mit der Wahrnehmung der Geschäfte des Oberstkämmerers in der königlichen Residenz betraut war.

Wer der Oberst von Uslar war und welchen Rang er bekleidet hat, konnte ich bisher nicht erforschen. Aus der Oberstdorfer Fremdenliste vom 10. Juni 1892 geht lediglich hervor, daß es sich um einen Oberst a.D. aus Dresden handelt und dieser hier im Forsthaus bei Förster Schwarzkopf wohnte. Der Herr gehörte allerdings nicht zum engeren Kreis der Hofjagd, denn er war nicht gleichzeitig mit dem Regenten hier in den Revieren. Gleiches gilt auch für Herrn Direktor Volz, von dem ich nur gehört habe, daß er ein „Bankmensch” gewesen sei. Über dessen Verbindung zur Hofjagd konnte ich auch keine näheren Hinweise finden.

Völlig anders liegt die Situation bei Oberstleutnant von Wiedemann. Seine Exzellenz Generaladjudant Peter Freiherr von Wiedemann war Vorstand der Geheim-Kanzlei Seiner Königlichen Hoheit des Prinzregenten Luitpold. Exzellenz von Wiedemann begleitete, wie der Leibarzt, den Regenten auf allen Reisen und Jagdzügen. Prof. Angerer und von Wiedemann wohnten während der Hofjagdzeiten in Oberstdorf mit dem Regenten im Jagdhaus, wogegen die übrige Jagdgesellschaft im Forsthaus (heute Kurparkhotel) bei Förster Schwarzkopf oder in Hotels und Gasthöfen unterkam.

Einen einzigen von all den Jagdgästen bezeichnete Förster Schwarzkopf in seinen „Jagd-Rechnungen” als „Exzellenz”: Graf Wolffskeel. Vielleicht hing dies damit zusammen, daß dieser sein höchster Chef war. Seine Exzellenz Kämmerer Karl Graf Wolffskeel von Reichenberg war Vorstand der Königlichen Hofjagd-Intendanz. Des weiteren leitete er die Administration des Vermögens S. M. des Königs Otto von Bayern und führte mit dem Titel eines Oberststallmeisters den Oberststallmeister-Stab.

Nach so viel hohen Herren wollen wir uns aber doch auch mit denen befassen, die bei der Hofjagd - und nicht nur da, sondern das ganze Jahr über - die Arbeit gemacht und das Wild gehegt haben: den Jägern. Für ein riesiges Gebiet von rund 200 Quadratkilometern (= 200.000 Hektar) standen drei Forstbeamte und fünf Jagdgehilfen zur Verfügung. Förster Schwarzkopf, seinem Sohn Anton und Assistent Breitinger oblag die Überwachung und Bewirtschaftung der Staatswaldungen und die forstliche Aufsicht über die Privat- und Körperschaftswaldungen. Nur am Rande wirkten sie in der Jagdaufsicht mit. Diese oblag den fünf Jagdgehilfen Ludwig Hengge, Leo Kappeler, Ignaz Mayer, Hans Stanger und Karl Ziller.

Es scheint, daß damals kein Jäger für ein bestimmtes Revier verantwortlich zeichnete. Lediglich Karl Ziller war, mit Ausnahme von Treibjagden, nur im Schöllanger Bereich eingesetzt. Kappeler, Mayer und Stanger streiften von der Rubinger Oy bis zum Haldenwanger Eck und vom Söllereck bis zur „Leachtlar Konz” (Hornbachjoch). Hengge, damals schon ein „Auslaufmodell”, wird im Jahre 1895 bereits als „Sustentationempfänger” (Rentner) bezeichnet. Für ihn kommt 1896 Seraphin Berktold zur Hofjagd.

Wie auch heute noch, war die Jagd damals Passion und kein Geschäft. Jagdpacht, Wildschaden, Wildfutter, Fuhrwerks- und Handwerkerrechnungen belasteten die Jagdkasse. Ein weiterer Posten waren die Gehälter des Personals. Ein Jagdgehilfe verdiente im Monat 64,17 Mark. Mit den Schußgeldern konnte er sein Salär etwas aufbessern.

Die Einnahmen aus Alpverpachtungen, z. B. Buchrainer Alpe 800 Mark, Ringatsgundalpe 350 Mark, Gerstruber Älpele 280 Mark, und die Gelder aus dem Wildbretverkauf deckten die Kosten nicht. Auch die Verpachtung von Bergheugebieten und die gebührenpflichtige Erlaubnis zum Graben von Enzianwurzeln (Josef Blattner bezahlte für verschiedene Alpen 40 Mark, Alois Blattner für die Vordere Seealpe 10 Mark) glichen die Jagdkasse nicht aus.

Jagdrechnung - Hef 41.-10

Förster Schwarzkopf (in Bildmitte) mit den Jägern und Jagdgästen bei der Hofjagd.

Die Jagd war, wie schon vermerkt, Passion; aber natürlich hatte sie auch einen enormen Stellenwert im Geschäftsleben und in der Politik. Eigentlich hat sich da seit der Hofjagd nichts verändert.

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