Rund ums Posthorn - 150 Jahre Post in Oberstdorf

von Eugen Thomma am 01.06.2004

Unter Verwendung der Aufzeichnungen von Erwin Mittl (München) und Sigmar Stowinsky (Gütersloh)

„Isch dr Poschtbot huit schu doa gwea?”, ist eine Frage, die man häufig von Menschen hört, welche eine wichtige Nachricht erwarten. Werktags einmal am Tag kommt heute der oder die Postbedienstete und bringt frohe oder weniger frohe Botschaften ins Haus. Gestern in Hamburg in den Briefkasten gesteckt und heute in Oberstdorf vom Briefträger übergeben, das ist eigentlich die Norm. Aber wie war das früher?

Bäcker, Metzger, Viehhändler, Hausierer und Frächter transportierten im Rahmen ihrer beruflichen Überlandfahrten Nachrichten, Briefe und andere Sendungen und nahmen gelegentlich auch Personen mit. Auf wichtigen Linien hatte die Familie von Thurn und Taxis schon im 17. Jahrhundert das Postmonopol. Im Jahr 1808 ging dieses Recht an den Bayerischen Staat über, die Postillione und festangestellten Postbediensteten tauschten ihre schwarzgelben Uniformen in weißblaue um.
Im oberen Allgäu richtete die »Bayerische Landespost« 1810 in Immenstadt im Gasthof »Kreuz« die erste Postexpedition ein. Postexpeditionen waren vertraglich an private Personen - meist Gastwirte - vergebene Außenstellen.

Anfänglich bestand die Postverbindung zwischen Kempten und Immenstadt nur aus reitenden Boten, ab 1831 verkehrte die Fahrpost mit kleinen, offenen Wagen, die auch Reisende beförderten. Anscheinend war die Nachfrage nach diesen Fahrgastplätzen so groß, daß bereits 1842 so eine „Karriolpost” viermal wöchentlich und ab 1843 täglich zwischen Kempten und Immenstadt verkehrte. Diese Linie stellte 1853 den Betrieb ein, als im Zuge der bayerischen »Ludwig-Süd-Nord-Bahn«, die von Lindau nach Hof führte, das Teilstück Lindau - Kempten eröffnet wurde.

Um jegliche Konkurrenz für sein Unternehmen auszuschalten, hatte der Staat schon 1812 bei Strafe allen Reisenden die Beförderung von Postsachen verboten. Für das obere Allgäu war diese Anordnung gegenstandslos. Hier konnte dem Staat keine private Konkurrenz erwachsen, denn die nächste Postexpedition südlich von Immenstadt ging erst am 1. Oktober 1845 in Sonthofen in Betrieb. Ab dem folgenden Jahr verkehrte täglich eine „Karriolpost” zwischen Immenstadt und Sonthofen, die schließlich zur „Omnibuslinie” ausgebaut wurde. Neben Personen transportierte diese Linie auch Briefe, Pakete und Geldsendungen bis zu 1.000 Gulden. Bereits 1852 erfolgte auf den großen Postlinien die Trennung von Personen- und Frachtverkehr. Ob dies im oberen Allgäu auch Gültigkeit hatte, muß bezweifelt werden, denn wegen einiger Postsendungen, z.B. von Immenstadt nach Sonthofen neben dem Personenverkehr ein eigenes Frachtfuhrwerk fahren zu lassen, wäre doch etwas aufwendig gewesen.

Posthorn - Heft 44

Die Karriolpost, wie sie bis Mitte des 19. Jahrhunderts im Oberallgäu im Postdienst fuhr. Die Aufnahme stammt von etwa 1935, als solche Fahrzeuge nur noch im Personenverkehr zwischen Oberstdorf und Tiefenbach eingesetzt wurden.

Im „Verordnungs- und Anzeigeblatt für die Kgl. Bayer. Verkehrsanstalten” Nr. 59, vom 17. Oktober 1853, ist auf Seite 279 zu lesen:

„Die Errichtung neuer Postanstalten in Bayern betr.
Im Namen Sr. Majestät des Königs von Bayern ... und 1. November d. Js. werden in nachstehenden Orten neue Expeditionen mit Brief- und Fahrpost vorläufig errichtet:

1. ...

8. In dem Markte Hindelang in Schwaben, Gerichtsbezirk Sonthofen, östlich vom letztgenannten Orte gelegen... "

10. In dem Markte Oberstdorf in Schwaben, Gerichtsbezirk Sonthofen, südlich vom letztgenannten Orte gelegen...”

Mit dem Landwirt und Melber (Anm.: Mehlhändler) Alois Rietzler, der auch Oberstdorfs Gemeindevorsteher war, hat das Oberpostamt Augsburg einen Vertrag geschlossen und diesen zum Postexpeditor bestellt. Das „Postlocal” befand sich in seinem Haus, dem Anwesen mit der Nr. 153 (heute Buchhandlung Hofmann am Markplatz). Oberstdorfs Postexpedition war noch ein Einmannbetrieb. Vier Jahre vorher hat Bayern als erstes deutsches Land Briefmarken in den Verkehr gebracht. Bei den Expeditionen lagen Marken zu 1, 3 und 6 Kreuzer in Bogen auf, und jedes Stück mußte mit der Schere einzeln ausgeschnitten, mit Kleber versehen und auf das Poststück aufgeklebt werden. Entwertet wurden die Marken mit einem Mühlradstempel, der für Oberstdorf die Nummer 554 trug (ab 1856 dann Nummer 367).

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Der Marktplatz von Osten um 1890: Im Vordergrund das Kriegerdenkmal von 1870/71, links das Schulhaus (heute Rathaus), in Bildmitte das alte Rathaus und rechts davon das Anwesen Rietzler (heute Buchhandlung Hofmann), in dem sich die Postexpedition befand, rechts der »Mohren«.

In der Mitte des Marktplatzes der Postbote mit dem „Paketwagen”, mit dem bis 1920 die Paketpost zugestellt wurde.

Der Staat sicherte sich bei der Bestellung des Postexpeditors finanziell dadurch ab, daß dieser eine Amtsbürgschaft von 500 Gulden zu hinterlegen hatte, die z.B. bei einer evtl. Veruntreuung dem Dienstherrn zufielen. (Wäre das nicht heute ein probates Mittel gegen Korruption in der Politik?)

Oberstdorf hatte nun eine amtliche Postexpedition erhalten. Ab dem Jahr 1856 verkehrten in der Sommersaison die Postwagen zwischen Immenstadt und Oberstdorf täglich; dabei verliefen die Fahrtrouten unterschiedlich. An Tagen mit geraden Datumszahlen fuhren die Wagen von Sonthofen über Altstädten - Hinang - Schöllang - Reichenbach - Rubi nach Oberstdorf und bei ungeraden Daten führte die Route über Sigishofen - Tiefenberg - Weiler - Fischen - Langenwang ins „oberste Dorf”. Der Immenstädter Posthalter war verpflichtet 24 Pferde zu halten, um die ganzen von dort abzweigenden Linien bedienen zu können. Für eine Fahrt von Immenstadt nach Oberstdorf, die etwa 3lA Stunden dauerte, hatte der Gast 54 Kreuzer (das war mehr als ein Handwerker-Taglohn) zu bezahlen.

Im „Verordnungs- und Anzeigeblatt für die Kgl. Bayer. Verkehrsanstalten” vom 11. Mai 1867 ist zu lesen:

„Cours-Notizen
Vom 15. Mai an treten in Folge der Einführung der Sommerfahrordnung auf den k. Staatsbahnen folgende Änderungen in den Postcoursen ein: Postomnibus Immenstadt - Oberstdorf.”

Nach Oberstdorf fuhr also künftig anstelle der Karriolpost ein „Postomnibus”.

Wir sind mit der Fahrpost dem Geschehen etwas vorausgeeilt und haben einen Meilenstein in Oberstdorfs Geschichte hinter uns gelassen. Der 6. Mai 1865 war der Tag, an dem sich das Gesicht Oberstdorfs grundlegend veränderte. Von den 308 Häusern, die damals der Ort umfaßte, versanken 146 in einem Feuersturm in Schutt und Asche.

Das Anwesen des Postexpeditors Alois Rietzler wurde auch ein Raub der Flammen. Die Post schaltete sehr schnell, denn am gleichen Tag noch ging ein Telegramm (vermutlich von Kempten) mit folgendem Wortlaut an die Generaldirektion der kgl. Verkehrsanstalten nach München:

„Nach Anzeige von Immenstadt ein großer Theil von Oberstdorf darunter das Haus des Postexpeditors abgebrannt. Durch Absendung eines Postbeamten von Immenstadt für ungestörten Fortgang des dortigen Postdienstes Sorge getragen.
Lauböck.“

Wenige Tage später ist schon Ersatz für die teils vernichteten Utensilien der Post in Oberstdorf. Wo sich das Büro der Post befunden hat, bis das Anwesen Rietzler wieder errichtet war, konnte ich nicht herausfinden.

Expeditor Rietzler muß ein Gesuch um finanzielle Unterstützung in seiner persönlichen Notlage bei der Vorgesetzten Dienststelle eingereicht haben, d. h. er bat um Genehmigung, bei seinen Kollegen eine Sammlung durchführen zu dürfen. Ein befürwortendes innerbetriebliches Schreiben an die übergeordnete Behörde sollte dabei die Bedürftigkeit Rietzlers verdeutlichen:

„Bitte um Bewilligung einer Collekte für den durch den Brand verunglückten kgl. Postexpeditor Alois Rietzler in Oberstdorf betreffend:

Man erlaubt sich hoher Stelle ein Gesuch des k. Postexpeditors Rietzler in Oberstdorf ddo. 18. Mai c. rubriz. Betreffs zur gnädigen Entgegennahme ehrfurchtsvollst zu unterbreiten u. hiezu erläuternd beizufügen: Der k. Postexpeditor Rietzler wurde bei dem am 6. Mai stattgehabten Brandunglücke in Oberstdorf schwer mitbetroffen, indem dessen Wohnhaus mit Stadel u. Stallung nebst dem Postexpeditionslocale ein Raub der Flammen wurde. Der vorhandene Getreide- u. Mehlvorrath u. beinahe sämmtliche fahrende Habe ging dabei total zu Grunde u. ist demselben in wenigen Stunden - ohne alles Verschulden ein Schaden von ausweislich von über 8000 fl. hiedurch zugegangen - ein Verlust der mehr als die Hälfte seines Vermögens übersteigt.

Der Beschädigte erfreut sich des ungetrübten Leumunds; wird von diesem Unglücksfalle sehr hart betroffen u. hat beim Brande vor Allem u. sogar mit Hintansetzung der möglichen Rettung seiner eigenen Habe zunächst sein ganzes Augenmerk u. seine Aufopferung auf sichere Bergung der Postexpeditionseffecten mit Baarschaft und Wertpapieren gerichtet, was ihm auch, so weit es unter solchen Umständen möglich ist, gelang u. worüber demselben die ausdrückliche Anerkennung des Oberamtes ausgedrückt wurde ...”

Das Gesuch hatte einen schönen Erfolg zu verzeichnen, denn am 14. August 1865 kann das Oberpostamt Augsburg mitteilen, daß die Sammlung in Postkreisen 498 fl (Gulden) und 42 kr (Kreuzer) eingebracht hat. Zum Vergleich sei hier nur gesagt, daß ein Zimmermann damals für ein Tagwerk von 10 Stunden 45 Kreuzer erhielt (1 Gulden = 60 Kreuzer, es konnten also mit der Summe rund 665 Handwerkertage bezahlt werden).

Nach dem verheerenden Großbrand zeigte sogar „Vater Staat” eine menschliche Seite und gewährte seinen verarmten Untertanen in Oberstdorf eine kleine Vergünstigung. Unter dem 17. Juli 1865 war im „Verordnungs- und Anzeigeblatt der kgl. Verkehrsanstalten” folgende Bekanntmachung zu lesen:

„Im Namen seiner Majestät des Königs von Bayern Das Staatsministerium des Handels und der öffentlichen Arbeiten hat mit höchster Entschließung vom 11. ds. Mts. genehmigt, daß die zum Wiederaufbau von Oberstdorf nach der Station Immenstadt zur Beförderung gelangenden Sendungen von Cementplatten, Ziegelmaterial und Cementmehl auf die Dauer des gegenwärtigen Jahres ausnahmsweise zu den Tarifsätzen der Wagenklasse C abgefertigt werden. Die Eisenbahnstationen haben sich hienach vom Tage des Empfangs gegenwärtiger Entschließung zu achten ...”

Am 16. März 1866 verlängerte das Ministerium die Gültigkeit dieser Anordnung, die den verbilligten Transport von Baumaterialien gewährte, sogar bis Ende September des laufenden Jahres.

Die moderne Technik hielt in Oberstdorf Einzug als am 1. Januar 1870, gleichzeitig mit Sonthofen und Fischen, eine „mit den kgl. Postexpeditionen vereinigte Vereinstelegraphenstation mit beschränktem Tagesdienst” eröffnet wurde. Von der Postexpedition aus konnten nun telegraphische Depeschen versandt werden.

Als am 15. November 1871 Postexpeditor Rietzler starb, bewarben sich neben der Witwe Creszenz Rietzler auch Franz Durach, Franz Math und Max Rees um den Posten. Letztendlich gewann die Witwe das „Rennen”, weil sie nach Ansicht der Vorgesetzten Stellen die notwendige Qualifikation besaß und auch die finanzielle Sicherheit bieten konnte. Sie erhielt ein festes Jahresgehalt von 300 fl, „ein unständiges von 40 fl und die normalen Schein- und Personen-Einschreibgebühren”. Ob die Qualifikation doch nicht ganz stimmte? Denn am 16. Mai 1883 wird die Expeditorin „aufgrund mangelnder Dienstführung des Dienstes enthoben”. Nachfolger wurde der „Militärbewerber und Vizefeldwebel” Josef Manz aus Augsburg. Allerdings hat sich die Post damit ein faules Ei ins Nest gelegt. Nach fünf Jahren wurden Unregelmäßigkeiten festgestellt und der Mann, der sich von hier abgesetzt hatte, in Abwesenheit aus dem Dienst entfernt. Schließlich kam aus München die Nachricht, daß er sich dort das Leben genommen habe.

Der Fremdenverkehr brachte es in Oberstdorf schon um 1870 mit sich, daß ein gesteigertes Postaufkommen zu verzeichnen war. Es wurde deshalb die Anstellung eines ständigen Hilfsboten mit einem Jahresbezug von 100 fl genehmigt. Der Bote war besonders wichtig, um eingehende Depeschen sofort an den Adressaten zu bringen, ohne das „Postbureau” schließen zu müssen. Die „Beibotenstelle” wurde am 25. April 1883 in eine feste Postbotenstelle umgewandelt. Die Räumlichkeiten im Hause Rietzler reichten für den anfallenden Dienstverkehr nicht mehr aus. Ein Bericht vom 19. Mai 1884 an die obere Behörde gibt auch die Gründe der Arbeits- und Raumbedarfsmehrung an:

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Der alte Gasthof »Traube« (Haus Nr. 185), als dessen Abbruch schon begonnen hatte (glaublich 1937). Dort war in den Jahren 1884 - 86 die Postexpedition kurzfristig untergebracht.

„Im vergangenen Sommer ist die Frequenz an Kurgästen in Oberstdorf zu einer bis jetzt noch nicht erreichten Höhe angewachsen und es ist für dieses Jahr um so wahrscheinlicher eine weitere Zunahme zu erwarten, als von Seite der Ortsbewohner durch Einrichtung neuer Wohnungen, durch Verschönerungen, durch Erbauung eines Kurhauses alle Anstrengungen zur Anlockung von Fremden gemacht und für entsprechende Bekanntmachung der getroffenen Einrichtungen durch Reclame in der Presse - namentlich jener Norddeutschlands - Sorge getragen wurde. ... Abschließend erlaubt man sich in Vorschlag zu bringen, für die Zeit vom 15. 6. bis 15. 9. ein Gehilfen-Aversum von 180 M bewilligen zu sollen, zur Unterhalt eines tüchtigen Gehilfen.”

Am 19. September 1884 zog die Poststelle in die Luitpoldstraße (?) in das Anwesen des Ignaz Hindelang, dann kurzfristig 1885 zu Joseph Fischer in die Kirchstraße (Haus Nr. 166, bu Ruckars Hannesles, heute Gaststätte »Kachelofen«), um am 1. Mai 1886 erneut in das Anwesen des Ignaz Hindelang umzuziehen. Es heißt in den Postunterlagen zwar wieder, daß dieser in der Luitpoldstraße lebe, doch ansässig war er tatsächlich in der Hauptstraße auf Haus Nr. 185 (heute »Gasthof Traube«), wo sich auch die Expedition befunden haben muß. Die kurzfristige Auslagerung der Post zum „Hanneslar” dürfte dadurch notwendig geworden sein, weil im Haus Hindelang der Umbau zu einer Gastwirtschaft, nämlich der »Traube« anstand.

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In der Kirchstraße im Anwesen des Joseph Fischer (Haus Nr. 166, heute Gaststätte »Kachelofen«) befand sich 1886 die Expedition. Im Bild der Postbote, bei den Frauen stehend.

Nun wollen wir uns, nachdem wir mit der „Briefpost” der Zeit vorausgeeilt sind, wieder mit der Entwicklung der „Fahrpost” befassen. Einen totalen Einschnitt in das gesamte Oberallgäuer Postwesen brachte die „Vicinalbahn”- Linie von Immenstadt nach Sonthofen anno 1873. Sie bedeutete das Aus für die Postlinie auf jener Strecke. Jetzt fuhren (Pferde-) „Omnibusse” nur noch von Sonthofen nach Hindelang und Oberstdorf. Der Bahnhof Sonthofen wurde als Sackbahnhof nordöstlich des Marktes (am heutigen Landratsamt) so situiert, daß ein direkter Anschluß nur nach Hindelang möglich gewesen wäre, was ja anfänglich auch so geplant war.

In den Folgejahren wurde auch die Weiterführung der Bahnlinie nach Oberstdorf diskutiert. Eine Gruppe von weitschauenden Leuten im „obersten Dorf”, allen voran Joseph Anton Vogler, drängte und stellte Anträge. Am 27. Juni 1886 trafen sich Interessenvertreter aus dem oberen Illertal in Fischen und gründeten ein Bahnbaukomitee. Eine Reihe von Pferdebesitzern in Sonthofen und Oberstdorf, die um ihre Existenz bangten, waren dem Projekt nicht besonders gewogen. Und so ist der angebliche Ausspruch eines Sonthofer Geschäftsmannes schon zu verstehen, als er meinte: „Was brüchet die [die Oberstdorfer] denn do domm ußer Kropfsalba und Freaßtabakskiibl?”

Die bayerische Staatsbahn war personell und finanziell durch eine Reihe anderer Bauprojekte gebunden und konnte deshalb die Strecke nicht übernehmen, Es bot sich die „Localbahn-Bau und Betriebsunternehmung” an. Deren Antrag beim zuständigen Ministerium wurde von der Stadt Immenstadt und den Gemeinden Altstädten, Fischen und Oberstdorf unterstützt. Schon am 27. September 1886 genehmigte Prinzregent Luitpold die Konzession für die Projektierung. Im Februar 1887 übernahm die „Localbahn- Aktiengesellschaft in München” (LAG) das Projekt und erhielt im Mai die Baugenehmigung durch das Ministerium. Grunderwerb, Strecken- und Brückenbau und der Bau der Bahnhöfe waren im Sommer 1888 abgeschlossen. (Heute wäre in dieser Zeit noch nicht einmal das Planfeststellungsverfahren eingeleitet.)

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Das Lokalbahnzüglein, das auf der Strecke Immenstadt - Oberstdorf verkehrte und einen Gepäckwagen mit „Postcoupe” mitführte.

Mit Sicherheit hat das Interesse von Prinz Luitpold, der ja auch in Oberstdorf ein Jagdhaus und großen Alpbesitz hatte, die Sache erleichtert und beschleunigt. Denn bereits am 29. Juli 1888 rollte der erste fahrplanmäßige Zug in den Bahnhof Oberstdorf und führte ein Postabteil mit.

Am 2. August erfolgte die offizielle Einweihung von Strecke und Bahnhof. Der geplante Einweihungsakt und der Festumzug fielen einem Wolkenbruch zum Opfer. Der Festakt fand in Oberstdorfs erstem Kurhaus, dem „Gesellschaftshaus” (nahe dem heutigen Kurhaus) statt. Die Schulkinder wurden beim »Adlerwirt« mit Wurst und Brot und einem Schoppen braunen Bieres „verwöhnt”.

Das Dampfroß hat seine wiehernden Konkurrenten aus Fleisch und Blut ausgeschaltet und fuhr viermal am Tag zwischen Immenstadt und Oberstdorf hin und her. Die Fahrzeit lag bei 1 1/4 Stunden und es durfte die vorgeschriebene Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h nicht überschritten werden. Laut Vertrag vom 1. Dezember 1887 stellte die LAG in jedem der Züge der Post ein „Postcoupe” zur Verfügung. Von Ende Juli bis 31. Dezember 1888 hat die LAG 52.509 Personen und 4.171 Tonnen Güter befördert. Mein Gott, wieviel Karriolpost- und Frachtfuhrwerksfahrten hätte man dafür gebraucht?

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Der „Durchgangs-Bahnhof” Fischen im ersten Bauzustand von 1888.

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Die Endstation der Lokalbahn-Strecke, der Bahnhof Oberstdorf im Jahre 1888.

Das niedere Gebäude (im Bild rechts) war die „Güterhalle”, in der zu transportierende oder abgehende Ware, das sogenannte Stückgut, aufbewahrt wurde.

Die Ortsgemeinden Jauchen-Reute, Kornau, Birgsau, Gerstruben und Spielmannsau haben 1888 die Begehung ihrer Orte durch einen Postboten, d.h. die Postzustellung zum Haus beantragt. In der schriftlichen Stellungnahme an das Oberpostamt Augsburg heißt es dazu:

„... erschwerend folge der vielen Schneemassen, die gerade die Birgsau teilweise unzugänglich machen. (So mußte beispielsweise der Lehrer von Birgsau aus diesem Grunde kürzlich volle fünf Tage in Oberstdorf zubringen.) Ähnlich verhält es sich mit Kornau, nach welchem Orte jedoch der Bote Spieß schon seit langen Jahren die betreffende Korrespondenzen fleißig und gewissenhaft vermittelt. Gerstruben, Einödsbach und Spielmannsau sind zur Winterzeit ohnehin unbewohnt.”

Ob der Berichterstatter unbewußt oder absichtlich die Vorgesetzte Behörde mit seinem Bericht vom 2. Februar 1889 falsch informiert hat, läßt sich heute nicht mehr feststellen. Einödsbach zählte zu dieser Zeit 14 Einwohner, Gerstruben mit dem Gottenried 24 und Spielmannsau 17, die alle, auch zur Winterzeit, dort lebten.

Nach den Aufzeichnungen des Verschönerungsvereins besuchten im Jahr 1887 - 2.668 Gäste Oberstdorf. 1889, ein Jahr nach dem Bahnbau, waren es derer bereits 4.270, und die Zahlen stiegen sprunghaft weiter. Das hatte natürlich auch Auswirkungen auf den Briefpostverkehr. Die Lokalitäten reichten ebensowenig aus wie das vorhandene Personal. Die Postexpedition zog am 30. Juli 1888 ins neuerstellte Bahnhofsgebäude um. Ein zweiter festangestellter Postbote kam zum Einsatz, dem sich bereits am 1. Juni 1892 ein dritter hinzugesellte. Schon im Sommer 1893 kam ein Hilfspostbote hinzu, der u.a. täglich vor Abgang jeder Post, d.h. viermal die drei Ortsbriefkästen zu leeren hatte. Auf Grund höchster Weisung war in Oberstdorf der Postschalter vom 1. Juni bis 30. September 1894 täglich von „8 Uhr Vormittags bis 8 Uhr Abends ununterbrochen offen zu halten”.

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Oberstdorfs Bahnhof Straße um 1900:
links das Bahnhofsgebäude und rechts
der Gasthof »Zum Stern« (heute Dampfbierbrauerei).

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Postexpedition und Telegraphenamt (mit vergitterten Fenstern) im Bahnhofsgebäude um 1910.

Die Postexpedition Oberstdorf wurde 1898 zum Postamt III. Klasse erhoben und erhielt nach einem Umbau im Stationsgebäude weitere Räume und eine elektrische Beleuchtung(!). Ab dem 1. Januar 1901 waren fünf Postboten im Einsatz. Bereits 1905 wurden zusätzliche Büros für die Post in das Bahnhofsgebäude eingebaut. Auch das reichte nicht aus, 1914 zog die Post in einen erdgeschoßigen Anbau, der sich nach Süden ans Bahnhofsgebäude anschloß.

Fortsetzung folgt

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