Weltkulturerbe: Schraudolph-Fresken in Loretto - Johann Baptist triumphiert mit seinem Bruder Claudius in St. Josef

von Christoph Wehnelt am 01.12.2005

Die Bürger jubelten und engagierten sich freudig, die Marktgemeinde und die Pfarrei St. Johannes Baptist ließen es an keiner Unterstützung fehlen, um dem großen Sohn Oberstdorfs eine triumphale Rückkehr in seine Heimat zu bieten. Der bayerische König Ludwig I. ließ den Speyerer Dom nach der Zusammenführung von Bayern und Pfalz restaurieren und durch den Oberstdorfer Johann Baptist Schraudolph (1808 -1879) ausmalen, der dafür geadelt wurde. Oberstdorf holte mit den Schraudolph-Fresken ein bedeutendes Stück Weltkulturerbe in den Geburtsort des Künstlers. Daß es sich hier um eine einzigartige Ausstellung (11. Juni - 10. Juli 2005) handelte, wird auch durch die erneute Begegnung der Malerbrüder Schraudolph deutlich, die Tausende Besucher miterlebt haben. Ergänzend wurde ein Vergleich der Kaiserdome am Rhein geboten.

Der geniale Johann Baptist traf nach fast anderthalb Jahrunderten mit einem seiner Hauptwerke am angestammten Familiensitz den kongenialen Bruder Claudius (1813 - 1891) wieder und zwar in der Josefskapelle in Loretto. Die Brüder haben auch in der Oberstdorfer Pfarrkirche „St. Johannes Baptist” zusammengewirkt und bei der Ausschmückung des Gotteshauses nach der Brandkatastrophe von 1865 hervorragendes geleistet. Sein Bestes hatte Johann Baptist in der Zeit von 1846 bis 1853 im Speyerer Dom gegeben, als er im königlich-bayerischen Auftrag die größte romanische Kirche der Welt ausmalte. Schlußpunkt war 1862 die Bemalung des inneren Bogenfeldes des Hauptportals, gemeinsam mit seinem Sohn Claudius. Bruder Claudius engagierte sich zeitweise auch bei diesem Jahrhundertwerk. Doch es wurde ihm, wie es heute heißen würde, bald zu stressig. Im übrigen kann auch Claudius auf einen eigenen königlichen Auftrag verweisen und zwar in Athen bei Otto von Griechenland, dem Sohn Ludwig I. - Fresken hier wie dort. Der Speyerer Kaiserdom erhielt 1981 zusätzlich höchste Weihen. Er wurde ins Weltkulturerbe aufgenommen. Grund genug, um in Oberstdorf auch einen Überblick über den „Kaiserdom am Rhein” in Speyer zu geben.

Fresken - Heft 47

Johann Baptist Schraudolph 1808 -1879

In der Oberstdorfer Josefskapelle, deren Altäre Claudius mit seinen Gemälden ausstattete, wurden dem Betrachter einzigartige Vergleichsmöglichkeiten über die hohen Begabungen beider Malerbrüder geboten, die sogenannte „Nazarener” waren. Johann Baptist hat jedoch mit der Ausmalung des Salier- Doms zu Speyer die oftmals betuliche Enge des Nazarenertums verlassen. Mit seiner überzeugenden Virtuosität konnte er in höchste künstlerische Dimensionen der Historienmalerei Vordringen. Die Freske „Heilung der Kranken und Abreise des Hl. Bernhard” - im Zentrum des Bildes Konrad III. mit der Kreuzesfahne - demonstriert seine überragende Stellung als Künstler des 19. Jahrhunderts. Auch der gleichzeitig ausgestellte „Singende Engel” (aus der Vierung des Doms) atmet absolut Größe. Das mindert durchaus nicht die künstlerische Potenz von Claudius Schraudolph.

Fresken - Heft 47

Der Dom zu Speyer, Ansicht der Ostseite

Fresken - Heft 47

„Heilung der Kranken und Abreise des Hl. Bernhard”

Foto: Adolf Schleich

Fresken - Heft 47

„Singender Engel”

(Entwurf und Ausführung)

An sechs Punkten der Marktgemeinde (Lorettokapellen St. Josef und St. Maria sowie Klausenkapelle, Pfarrkirche, Heimatmuseum und Kurzentrum) zeigten die Malerbrüder gemeinsam und einzeln ihr großes Können. Im Kleinen Kursaal tanzten die Gäste unter dem riesigen Baldachin, einer Reproduktion des Gemäldes im Vierungsturm des Domes, und konnten sich am Eingang des Saales über die Restauration der Fresken informieren. In der Pfarrkirche wurden für die Zeit der Ausstellung der Haupt- und die Seitenaltäre geschlossen, um die Malereien von Johann Baptist (Hauptaltar) und Claudius (Seitenaltäre) für alle Besucher sichtbar zu machen. Die Klausenkapelle mit der „Überreichung des Rosenkranzes” (Joh. Bapt.) war täglich geöffnet.

Besondere Köstlichkeiten bot das Heimatmuseum. Peter Weiss und Eugen Thomma hatten großartige Schätze von privaten Leihgebern gehoben und liebevoll im Schraudolph-Raum präsentiert. Dazu gehörten verschiedene Familienbilder, eine Zeichnung des zwölfjährigen Johann Baptist (seine Mutter) und das bezaubernde Bildnis der Wirtstochter vom Kühberg, Maria Blattner, die Claudius Schraudolph auch in der Marienkapelle von Loretto als Himmelskönigin verewigt hat. Im Heimatmuseum wurde auch an die Eltern und den dritten Malerbruder, Matthias Schraudolph (1817 - 1863), erinnert, der im Kloster Metten a. d. Donau wirkte. Zu diesem Familienkreis gesellte sich mit großartigen Bildern, besonders Zeichnungen, dann noch der ebenfalls überragende Oberstdorfer Künstler und Schraudolphfreund Joseph Anton Fischer (1814 - 1859). Er schuf übrigens im Auftrag von Ludwig I. erstklassige Kirchenfenster für den Kölner Dom, die der Bayernkönig dem Preußenkönig schenkte.

Ideologie der Hau-Stein-Architektur führte zum Heraushauen der Fresken

Die Bedeutung der noch vorhandenen Schraudolph-Fresken resultiert nicht zuletzt aus der Odyssee, die diese Kunstwerke in den vergangenen Jahrzehnten hinter sich bringen mußten. Es sollte richtigerweise von einem peinlichen Martyrium gesprochen werden, das die Schraudolph-Kunst im Speyerer Dom seit gut 50 Jahren durchmachte. Im Kontrakt mit dem König wurde 1844 festgeschrieben, daß die Malereien „a buon fresco” auszuführen sind. Es handelte sich dabei um reichlich 10.000 qm Freskenmalerei, für die Ludwig I. umgerechnet fast 10 Millionen Euro zu zahlen bereit war. Schraudolph verpflichtete sich, binnen zehn Jahren das Werk vollendet zu haben. Er schaffte es in weniger als acht Jahren.

In der Zeit vom 8. Juni 1846 bis September 1853 entstand der schönste Innenraum einer Großkirche im 19. Jahrhundert. Das Werk der Domausmalung umfaßte insgesamt 123 Gemälde mit 470 meist überlebensgroßen Figuren. Der damalige Bischof Nikolaus von Weis schwärmte: „Bei dem Eintritte in den Dom zu Speyer stellten sich den fast geblendeten Blicken in den erhabendsten Schöpfungen der Kunst die großen Taten Gottes dar.” Die so hoch gelobte göttliche Pracht sollte aber nur 100 Jahre dauern. Nach zwei verlorenen Weltkriegen änderte sich der Kunstgeschmack radikal. Die Achtung vor den Leistungen des 19. Jahrhundets tendierten gegen Null. Die Schraudolph- Kunst fiel einer ausgeklügelten Bilderstürmerei zum Opfer. Rund 80 Prozent seiner Malerei wurden vernichtet.

Mit der in den 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts notwendigen Dom- Restaurierung wurde der Präsident der Bayerischen Schlösserverwaltung, Professor Rudolf Esterer, beauftragt. Er kam vom Werkbund her und damit war der steinsichtige Stein das unumstößliche Glaubensbekenntnis. Vielfarbigkeit passte nicht in einen Salier-Dom, meinte der Schlösserverwalter.

Nach einer ersten Besichtigung am 23. Januar 1957 sagte Esterer: „Der Bauzustand ist weder der sakralen Würde einer Bischofskirche gemäß, noch trägt er der überragenden geschichtlichen und kulturellen Bedeutung des ehrwürdigen Baudenkmals abendländischer Kultur Rechnung. Er verlangt daher gebieterisch eine durchgreifende Wiederherstellung in der alten Schönheit und
Ausstrahlungskraft seiner grandiosen Hau-Stein-Architektur. Einziges Ziel bleibt, dem Dominnern die alte salische Größe und Aussagekraft wiederzugeben.” Esterer war bei seinen Studien offenbar entgangen, daß auch in mittelalterlichen Domen prächtige Farben nicht nur vorkamen, sondern vorherrschten.

Es half nichts. Schraudolph störte und mußte weg. Nur der Marien-Zyklus im Marien-Dom blieb unangetastet an Ort und Stelle. Die 24 Bilder aus dem Leben Mariens und der dazu gehörigen Mythologie prangen weiterhin oben, rechts und links im Langschiff. Der größte Teil der übrigen Bemalung wurde aber in den Jahren 1957 bis 1961 vernichtet.

Doch Gott hatte Erbarmen mit dem Werk seines Knechtes Johann Baptist Schraudolph, so könnte es in einer künftigen Bistumsgeschichte heißen, und schickte zwei kunstfertige Engel in den Kaiserdom am Rhein: Ende der 50er Jahre den Herxheimer Restaurator Otto Schultz und 1982 den rheinhessischen Kollegen bayerischen Geblüts, Vitus Wurmdobler. Der eine sorgte für die raffinierte Abnahme von 25 großflächigen Fresken von den Wänden. Der andere bemüht sich nun schon seit Jahren um die Revitalisierung der großartigen Bildwerke. Wurmdobler restauriert die Fresken mit wenigen Mitarbeitern in seinem Schlößchen in Erbes-Büdesheim. Den schönsten Raum in der Beletage hat er - Schraudolph würdig - zu seiner Werkstatt umgebaut. Hier feiert tot geglaubte Kunst wieder Auferstehung.

Der Hl. Bernhard von Clairvaux hat voll davon profitiert. Ihm war ursprünglich im Speyerer Dom der nördliche Querarm gewidmet. Die fünf großflächigen Fresken erzählen von Begebenheiten bei Bernhards Besuch in der Kaiserstadt am Rhein 1146: Ankunft in Speyer, Gebet des Heiligen im Dom, Überreichung des Kreuzesfahne an Konrad III. (als Signal für den 2. Kreuzzug) sowie Krankenheilung und Abreise des Hl. Bernhard, das in Loretto gezeigt wurde (6,65 m x 4,20 m). Die drei anderen Bilder waren zunächst im Kaisersaal des Doms aufgebracht, wurden aber 1993 zur Eröffnung der Domschatzkammer an eigens dafür errichteten Wandflächen transferiert. Hier wird wohl auch die „Krankenheilung und Abreise” die letzte Ruhe finden.

Fresken - Heft 47

Vitus Wurmdobler, engagierter Restaurator der geretteten Schraudolph-Fresken aus dem Speyerer Dom.

Kaiserdome am Rhein

Der Begriff „Kaiserdome” stammt aus dem 19. Jahrhundert. In vollem Umfange, so der Kunsthistoriker Dethard von Winterfeld, trifft er nur auf den Dom zu Speyer zu, nicht nur als kaiserliche Stiftung, sondern vor allem als Grablege von vier salischen Kaisern, drei Kaiserinnen und vier deutschen Königen. Der Dom zu Mainz hingegen war die Kathedrale des Erzbischofs der größten Erzdiözese des Abendlandes und zugleich des Reichskanzlers. Der Dom zu Worms wiederum war Zeuge zahlreicher hoch bedeutender Reichstage, von denen nur derjenige von 1125 mit dem Wormser Konkordat als einem ersten Friedensschluß zwischen Kaiser und Kirche und derjenige von 1520, auf dem Luther vor dem Kaiser erschien - ein erster Schritt zur religiösen Teilung Deutschlands - erwähnt werden sollen.

Nachdem der Speyerer Dom 1689 von den Truppen Ludwigs XIV. zerstört worden war, stellte man ihn im 18. Jahrhundert als genaue Rekonstruktion wieder her. König Ludwig I. von Bayern, zu dem die Pfalz seit 1815 gehörte, war von dem monumentalen Bau zweifellos so beeindruckt wie wir heute. Darum berief er den Maler Schraudolph und ließ ihn in einer spätklassizistisch-romantischen Freskierung zu einem der bedeutendsten religiösen Kunstwerke des 19. Jahrhunderts ausgestalten. Dies blieb nicht ohne Kritik, sodaß man sich fortan die vermeintlich romanische Urgestalt zurückwünschte. Mehr als ein Jahrhundert später war 1957 der Zeitpunkt gekommen, um die als Kitsch diffamierte Inzsenierung zu beseitigen. Entscheidend war dabei der politische Wille der Landesregierung und nicht so sehr die wissenschaftliche Denkmalpflege. Freilich blieb die Rekonstruktion des Urzustandes ein unerfüllbarer Wunsch.

Die Ausgestaltung unter dem bayerischen König Ludwig I. darf als Parallele zum Weiterbau des Kölner Doms unter dem preußischen König Friedrich Wilhelm IV. gesehen werden. Voraussetzung dafür war die Erhebung des Doms zum Nationaldenkmal in der Romantik Anfang des 19. Jahrhunderts. Die Wandlungen des Doms zu Mainz kommen vor allem in seinen Türmen zum Ausdruck. Kaum in Erinnerung blieben die Veränderungen im Innern. Pfeilereinbauten der Gotik, barocke Raumfassungen und Gewölbemalereien des Historismus belegen, daß man sich in jeder Epoche neu in dem geerbten Haus einrichtete. Dies gilt auch für den Dom zu Worms, der mit den Hochaltar Balthasar Neumanns einen Glanzpunkt barocker Gestaltungskraft erhielt. Die drei Dome sind in ihrer romanischen Baugliederung eng miteinander verwandt. Mainz und Worms beziehen sich auf das Vorbild in Speyer, das seine Strahlkraft von den kaiserlichen Stiftern verliehen bekam.

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