Mit Beginn des Jahres wird der Schulbetrieb im neuen Gebäude im Süden des Marktes aufgenommen. Über 300 Schulkinder finden Aufnahme, wobei die Mädchen jetzt von Dillinger Franziskanerinnen unterrichtet werden. Auch die angeschlossene Kleinkinderbewahranstalt wird von den Klosterfrauen geleitet.
Bei den vorzüglichen Schneeverhältnissen hat der Ski- und Rodelsport zahlreiche Anhänger. Wiewohl der Wintersportzug immer seine Überfüllung zu beklagen hat. Gerne besucht wird die trefflich markierte Skibahn vom Söllereck - Schrattenwang - Stillachbrücke. Nächtens soll ein Skirennen abgehalten werden.
Zwei Herren des Skilaufvereins Oberstdorf besichtigen das große Rennen in Bad Kohlgrub und machen verschiedene Notizen über Anlage und Sprunghügel. Sie sind der Ansicht, dass das Gelände um Oberstdorf noch günstiger wäre.
Februar
In einer Marktgemeinderatssitzung wird die Ausarbeitung eines Kanalisationsprojektes Herrn Prof. Müller von der techn. Hochschule in Nürnberg übertragen. Damit ist man jetzt endlich einer Einrichtung näher getreten, die mit Rücksicht auf den gewaltigen Fremdenverkehr nicht länger ausbleiben darf.
Zwei Herren in Begleitung des Bergführers Braxmair machen eine Partie mittels Ski über das Nebelhorn und Prinz Luitpoldhaus mit Abfahrt nach Hinterstein.
März
Johann Baptist Schraudolph, Bergführer und Gastwirt von Einödsbach, verstirbt im Alter von 82 Jahren.
Berg- und Skiführer Franz Braxmair,
dem vom Deutschen und Oesterreichischen Alpenverein das Prädikat „vorzüglich” zugesprochen wurde.
Johann Baptist Schraudolph vor seinem Anwesen in Einödsbach.
April
Nach Abriss des alten Hauses lässt Joseph Anton Thannheimer an der Ecke Oststraße/Lorettostraße sein neues Haus erbauen (heute Sport Kiesel).
Mai
Auf den höheren Bergspitzen zeigt sich Neuschnee. Durch die zahllosen Regengüsse sind die Gebirgsbäche sehr geschwollen. Dem Wachstum kommt dieser rasche Witterungswechsel sehr zu statten. Überall grünt und sprießt es wunderbar.
Bescheidene Anzeichen deuten darauf hin, daß wir besseres Wetter bekommen ... oder auch nicht ( »Allgäuer Anzeigeblatt«, 9. Mai 1908).
Fast alle deutsche Fürsten treffen sich in Wien, um dem österreichischen Kaiser Franz Joseph zum 60. Jahr seiner Regierung zu gratulieren.
Hermann Ballenberg baut im Südviertel seine Gästepension und nennt sie »Haus Ballenberg« (heute »Haus Eibe«, Ludwigstraße).
Der Darlehenskassenverein hält eine Generalversammlung ab. Nach dem Jahresbericht für 1907 beträgt der Umsatz 1.519 Mark.
Draußen Richtung Loretto gibt es eine Unzahl von Maikäfern, die dem Laub der Bäume bös zusetzen. Auf Veranlassung des Verschönerungs-Vereins rückt Samstags früh um 5 Uhr die männliche Schuljugend aus, um den Maikäfern zu Leibe zu rücken.
Die Breitachklamm ist wieder für den allgemeinen Verkehr geöffnet.
Juni
Im Verlag des Herrn Xaver Volderauer dahier ist ein Prachtpanorama von Oberstdorf und Umgebung erschienen. Dasselbe ist auf dem Kapf aufgenommen worden und lässt an Klarheit und Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig. Die Berge sind alle mit Namen versehen. Der Preis 80 Pfennig.
Ab diesem Monat wird seitens der Lokalbahngesellschaft ein direkter Wagen Oberstdorf – Ulm in Betrieb gestellt. Derselbe ist komfortabel, führt elektrisches Licht und enthält neben zwei Abteilungen 3. Klasse ( je eine für Raucher und Nichtraucher) auch eine 2. Klasse und 2 Aborte. Der Wagen ist 17 m lang. Die 1. Klasse wird abgeschafft.
Eine Molkereigenossenschaft wird gegründet.
Fremdenverkehrsliste bis Juni: 1.254 Personen.
Mit einer Aufführung „Großstadtluft” wird die Theatersaison von Herrn Direktor Spannerth-Bodensteet eröffnet. Die gewandte Inszenierung und das prachtvolle Zusammenspiel zeigt gleich, dass ein echter Künstler die Sache leitet.
Juli
Der Kemptener Gymnasialprofessor und Vorstand der AV-Sektion Allgäu- Kempten, Max Förderreuther, veröffentlicht mit größtem Erfolg sein Buch „Die Allgäuer Alpen – Land und Leute”.
Eine schöne Erinnerung ist die photographische Aufnahme zur Einweihung des Waltenbergerhauses an der Mädelegabel. Der Hofphotograph Heimhuber hat drei sehr gut gelungene Aufnahmen von der Feier gemacht.
Der Wilde Männlestanz findet vor vielen hundert Zuschauern auf dem sogen. Gschliff unter großem Beifall statt, arrangiert vom Trachtenverein.
Der Verschönerungs- und gem. Verein bringt Reklamemarken in den Verkehr, die als Briefverschluss sehr geeignet und zum Preis von 50 Pfennig für 100 Stück im Verkehrsbüro zu haben sind. Die Marken zeigen zwei fesche Damen im Wintersportskostüm mit Ski und Rodel vor der Gebirgskette.
Tausende Plakate und Briefverschlussmarken mit diesem Motiv lässt der Verschönerungsverein zu Werbezwecken herstellen.
August
Der Besitzer des Alpengutes Gerstruben, Frhr. von Heyl zu Herrnsheim aus Worms, trifft zu einem längeren Aufenthalt ein.
September
Es regnet seit zwei Wochen fast ununterbrochen, Neuschnee, dazu noch empfindliche Kälte. Oberstdorf ist für solche Tage gut eingerichtet: Kaffee, Billard, Theater, Meistersänger, Schuhplattler, kurz Unterhaltung genug.
Seit Samstag, dem 5. 9., ist der Bahnverkehr von Oberstdorf nach Sonthofen eingestellt. Die Bahnstrecke steht teilweise unter Wasser. Es wird einige Tage dauern, bis die Schäden behoben sind. Profitieren tun die Fuhrunternehmer an dieser Wetterlage. Sie transportieren Gäste, die abreisen möchten.
Öfters kann man Touristen begegnen, die mit einem Hut oder Strauß voller Edelweiß von den Bergen ziehen. So ging einer mit mindestens 300 Edelweißleichen paradierend durchs Dorf. Ein Dutzend Edelweiß mag ja noch jeder brocken, aber eine derartige Plünderung zeigt blutwenig Verständnis für unsere alpine Flora und es sollte das Abreissen der Wurzeln verboten sein.
Kürzlich verfolgte ein Habicht eine Taube bis an die Türe des Bahnhofsrestaurants. Dort hat der Wüterich mit dem Leben bezahlt, denn der Wirt packte den Habicht beim Kragen, zeigte ihn seinen Gästen und machte ihm dann den Garaus.
Seit mehr als 50 Jahren kommt seine königl. Hoheit Prinzregent Luitpold zum Jagdaufenthalt nach Oberstdorf. Ein begeisternder Empfang durch die Gemeindeverwaltung, die Honoratioren, das Jagdpersonal und die Schuljugend erfolgt. Die erste Jagd findet im Warmatsgund statt.
Oktober
Fremdenliste 1. 10.: 15.685 Kurgäste.
Das Hirschgunder Sägewerk ist neu in Betrieb gesetzt worden. Die Führung des Gasthofes daselbst übernimmt Herr Kaspar Speiser.
Bei einer zahlreich besuchten Bürgerversammlung im Rathaussaal steht die Frage der Kanalisation der Rechbergstraße bis zum Marktplatz auf der Tagesordnung. Trotz Empfehlung Prof. Müllers, über das dringend notwendige Projekt abzustimmen, verläuft die Versammlung ergebnislos, denn die meisten stimmberechtigten Bürger verlassen nach aufgeregten Debatten den Saal.
November
Der Verschönerungsverein hat einen prächtigen Höhenweg vom Ende der Rodelbahn den Höllrücken entlang bis zum Freibergsee erstellt mit prächtigen Ausblicken auf das Gebirge und die Täler.
Zur Erhebung der Wintergäste wird vom Verschönerungsverein ein Künstlerquartett aus München verpflichtet, das ab dem 25. 12. täglich konzertieren soll. Nachmittags zum Teekonzert und abends abwechselnd im Hotel Luitpold, Löwen und Mohren.
Dezember
Skikurse für Anfänger werden angeboten. Ein 6-tägiger Kurs unter der Leitung von Eugen Heimhuber. Honorar 6 Mark. Jede Haftung für Unfälle wird abgelehnt, die Bezahlung erfolgt beim Verkehrsbüro.
Das neuerstellte Gebäude der Sennereigenossenschaft an der Lorettostraße ist fertig. Das Gebäude kann als Musteranlage bezeichnet werden.
Die Restauration am Freibergsee ist über die Weihnachts- und Neujahrstage geöffnet zur Freude der Wintersportler.
Der Pavillon am neuerstellten Höllwiesenweg von der Rodelbahn
(heute »Bergkristall«) zum Freibergsee.