Solche Bücher gehörten zur Bibliothek des Bachtlmändle.
Im ganzen Oberallgäu, ja auch darüber hinaus, war das Bachtlmändle vom Bachtel in Obertiefenbach bekannt. Von Statur her war er kein Schwergewicht, deshalb auch die Verniedlichung seines Namens im Volksmund. F. A. Schratt schreibt, dass er von vielen auch der „Volks-Medizinalrat” genannt wurde. Markant war sein schneeweißer Rauschebart, der ihm das Aussehen eines geheimnisumwitterten Wichtelmännchens oder Gnomen gab.
Geboren wurde er am 21. September 1813 in Jauchen als Sohn von Anton und Maria Brutscher, geb. Weberin von Tiefenbach und wurde getauft mit dem Namen Josef Anton. Er war verheiratet ab 1846 mit der 14 Jahre älteren Wittib Johanna Miller, geb. Zobel. Der Großvater des Bachtlmändles war Claudius Brutscher, Kohlenbrenner auf Jauchen, Hs.Nr. 9, mit Hausnamen „Edelmändler” (kein Walser Geschlecht).
Johann Nepomuk Miller, der erste Mann von Johanna, starb 1843. Auf dessen Gütle hat das Bachtlmändle dann eingeheiratet. Sein 1842 geborener und angeheirateter Stiefsohn verzog im Gesellenalter nach Sulzberg und verstarb dort ohne Nachkommen.
Über das Leben und Wirken des Bachtlmändle gibt es, bis auf geringe Niederschriften, kaum Unterlagen, sodass das meiste aus Befragungen und Erzählungen alter Leute zusammengetragen wurde.
Zusammen bewirtschafteten die Brutschers die kleine Landwirtschaft, die nördlich schräg oberhalb des Bachtelhauses und unterhalb des damaligen Weges zum Wasachberg lag. Dieser Weg vom Weidach über Bachtel, Ebnat, Burgberg (Sulzburg), Wasachberg zum Dorf und zur Kirche wurde früher viel begangen. Das Gütle hatte die alte Obertiefenbacher Haus-Nr. 68 und ging nach dem Tod des Bachtlmändle zuerst an einen Müller und wurde dann vom Büechene Baschtl, dem damaligen Besitzer des Bachtelhauses, erworben. 1913 ist das Gütle, vermutlich durch Brandstiftung, völlig abgebrannt und nicht mehr erstellt worden. Baschtl habe den Rest des Brandholzes aufgestapelt und völlig verbrannt, mit den Bruchsteinen und Ziegeln eine Mulde aufgefüllt und die Scherben der Flaschen und Glasballone in einem Loch vergraben. Auch die Fundamente habe man zum größten Teil ausgegraben und alles eingeebnet. Man sehe den alten Hausplatz schon noch, da seien jahrelang nur Brennnesseln gewachsen.
Verstorben ist das Bachtlmändle am 3. März 1895 mit 82 Jahren. Seine Frau ging ihm bereits 1872 mit 73 Jahren voraus in die Ewigkeit. Bei der Nachfrage zur Todesursache bei seiner Frau meinte er: „Ja, was hod se den ghedd?” – und nach einer kurzen Unterbrechung fügte er hinzu: „Des Krütt hone noit gfünde, wo gnidst hedd, do isch br dr Gwolt üsgange".
Gleich nach dem Tod seiner Frau hatte er sich eine Hauserin zugelegt, die Nann aus Kierwang, eine resolute und fleißige Frau für Stall, Wald und Feld, aber mit der Sauberkeit im Haus war es nicht weit her. Einen Besen oder Putzlappen soll sie nie gekannt haben. Zu seinem Hauswesen bzw. „Inventar” gehörte noch sein Knecht, der Bartl Brutscher, ein Vetter von ihm, der nur unter dem Namen „dr Krumm” bekannt war, denn er hatte einen hinkenden Gang wegen eines Klumpfußes von Geburt an. Der Krumm musste das Bachtlmändle überall hin kutschieren, Feld- und Stallarbeiten verrichten und war vor allem sein persönlicher Lakai und Vertrauter, auch sein Arzthelfer und Rechnungssteller.
Selbst war das Bachtlmändle ein ungelernter Heilkünstler, der sich aber mit allen Krankheiten, Heilkräutern und Salben, aber vor allem mit Naturheilmitteln, Sympathiemitteln und Geistheilungen bestens auskannte. Durch sein leutseliges, allzeit hilfsbereites Wesen und das unbegrenzte Vertrauen der Bevölkerung in seine Heilkräfte wurden zeitweise ganze Prozessionen aus allen Himmelsrichtungen ins Bachtel gelockt.
Noch heute erzählt man sich so manche Anekdote über den Wunderheiler und seine unergründlichen Heilkuren. Manche sagten hinter der vorgehaltenen Hand: „Dea ka mea as ondr.” Andere sagten es frei heraus, dass der auch hexen könne. Das hing hauptsächlich mit den oft unerklärlichen Fernheilungen zusammen. Dieser oder jener Kranke, der selbst nicht kommen konnte, schickte einen Boten, meist mit dem Urin des Patienten, und erfuhr prompt Heilung. Bei solchen Fernbehandlungen sei er jedesmal eine Weile in seiner Stube allein gewesen und danach wie abgekämpft zurück gekommen. Sein Kommentar für den Boten sei ungefähr gewesen: „So, iez gosch huim und bis umma segse müeß es besser weare. Wenn’s nomohl kut, no gisch br glei Bricht.”
Den „Weahdag neahme”, Blüetschtille”, „de Brond lesche”, „Magr- und Blähsucht”, das waren so Krankheiten, die er aus der Ferne heilen konnte. Da wollte er nur das ungefähre Alter und die Körpergröße wissen und wie es zu einem Unfall gekommen sei. Dann zog er sich zurück und was dann in der Stube vor sich ging blieb immer ein Geheimnis. Auch wenn viele meinten, dass dies bloß Hokuspokus oder Hexerei sei, aber in Notfällen kamen auch diese zum Bachtlmändle.
Wenn Vieh und Ross unter Hitzschlag, Koliken, Verrenkungen oder dem „Millröubar” litten, er konnte fast immer helfen. Sobald so eine Nachricht überbracht wurde, sagte er zu wartenden, aber besonders eiligen Patienten: „Du kaschs vrwarte, abr do bressiert ’s.”
Es wurde ihm auch die Gabe der Bilokation unterstellt, ja manche wollten dies ganz gewiss gewusst haben, dass er zur selben Zeit an zwei verschiedenen Orten gewesen sei, oft weit von einander entfernt. Dies brachte ihm in der Volksmeinung besonderes Ansehen und Respekt ein.
Auch bei Diebstahl oder Verlorenem kamen viele und suchten Hilfe, um die Sachen wieder zu bekommen. So erzählte der alte Dornach, dass er einmal vom Wirt heim zu seinen Geldbeutel verloren habe und trotz sofortiger Suche diesen nicht mehr gefunden habe. Nach anfänglichem Zögern sei er deshalb zum Bachtlmändle gegangen, der das Anliegen ernst genommen habe. Er rief nach dem Krumm, er solle ihm den „Erdspiegel” bringen. Der kam mit einem Glasbrocken, oder war es gar ein Bergkristall. Das Bachtlmändle wischte mit dem Ärmel darüber und zog sich hinter die Küchentüre zurück. Schon nach einer Minute kam er zurück und sagte: „Der flacked bu dir dohuim im Schopf.” Der alte Dornach bedankte sich, ging schnell heim, suchte im Schopf und schon sah er den Geldbeutel am Holzschweller zum Hausgang in einem alten Holzschuh stecken. Aber wie kam der dahin, da hatte er doch schon vorher gründlich nachgeschaut? Dann erinnerte er sich, dass er da den Kittel ausgezogen und an den Nagel gehängt hatte, da muss er wohl rausgefallen sein. Aber wie das Bachtlmändle das in dem Glasbrocken erkannt habe, dazu habe er keine Erklärung; doch Hauptsache, der Geldbeutel war wieder da.
Geagls Marte (Jäger) von Hs.Nr. 271 wusste von seinem Vater auch eine komische Geschichte. Da sei das Bachtlmändle droben am Ried im Tännelesgarten mit dem „Dachumarmändle” zusammengetroffen und habe sich mit ihm über den „Millröubar” unterhalten. Da habe der Dachumar vor mehreren Leuten gesagt: „Bu ming Bläss bringscht du kuin Schoppe Mill rüs.” Daraufhin habe das Bachtlmändle eine Axt in eine Tanne gehauen und mit einigen Melkbewegungen aus dem Axthelm echte Milch in seinen Hut gemolken und mit überlegener Miene gesagt: „So, und iez frogesch ding Wiib huit z’ obed, ob dr Bläss it doch a wink Mill geabe hot.” Was hier Dichtung und Wahrheit ist, sei dahin gestellt.
Manche behaupteten, dass das Bachtlmändle nicht lesen und schreiben konnte, der Krumm habe das für ihn erledigt. Hierzu kann mit Gewissheit gesagt werden, dass dies nicht so war, jedoch ließ er alle in diesem Glauben. Diese Behauptung kam auch daher, dass er jeden Zettel nur kurz anschaute, dann in die Stube ging und das Richtige mitbrachte. Aber bevor er hineinging, gab er den Zettel dem Krumm, damit dieser das Entgelt festlegen und die Rechnung stellen konnte. Darin waren die beiden ein eingespieltes Duo.
Seine Stube war voll mit Guttern aller Größen aus Ton oder Glas, die Tische und Bänke überlagert mit halboffenen Awergsäckle mit Kräutern und Blüten. An der Innenwand zum Gade hin stand ein breiter Glaskasten voll mit Büchern, Bibeln und Kalendern, vom mittelalterlichen Hausschatz und dem „Klugen Hausvater” bis zu den kuriosesten Mond- und Tierkreiszeichenbüchern. Ob die berühmten Hexenbücher oder Mosesbücher dabei waren, das wusste niemand mehr zu sagen, doch vermutet wurde es von vielen. Auf der alten Truhe und der Ofenbank lagen ganze Stapel von Zetteln und herausgerissenen Kalenderseiten, die auch der Krumm nicht wegräumen durfte. Zum Putzen kam die Nann sowieso nicht in Stube und Gaden.
Wozu jemand all diese Literatur benötigte, der angeblich nicht lesen konnte, das ergibt keinen Sinn. Aber woher hätte das Bachtlmändle sonst seine ganze Weisheit erlernt, wenn nicht mit dem Lesen. Die Aussage einer Verwandten aus Tiefenbach, die gesehen haben will, dass er in der Kirche das Gebetbuch verkehrt herum in den Händen gehabt habe, war eine bewusste Irreführung.
Er war zwar sehr religiös, aber in die Kirche ging er nicht. Mit den meisten Pfarrern lebte er auf Kriegsfuß, weil diese behaupteten, dass sein Wirken nur Hokuspokus oder gar Hexerei sei.
Dass das Bachtlmändle durchaus lesen konnte wird dadurch bestätigt, dass er Briefe oder Benachrichtigungen sorgfältig durchsah, bevor er diese an den Krumm weitergab. Er konnte dabei fuchsteufelswild werden, wenn in der Anrede das Wort „Herr” fehlte oder eine falsche Titulierung verwendet wurde. Die mitgebrachten Zettel las er, gab sie dann dem Krumm, ging in die Stube und kam mit irgend einer Flasche oder Salbe zurück. Dabei sagte er zu seinem Gehilfen: „Gell, ih ho schu das Reacht.” Der nickte zur Bestätigung, berechnete dann den Preis und stellte die Rechnung.
Eine Zeitlang hatte er wöchentlich einen Sprechtag in Oberstdorf im aufgelassenen Wirkkeller beim „Kadeasse Donar, am End vur Mägerlesgasse”.
Er war immer früh dran, wenn er mit dem Krumm auf dem Gaiwägele ankam. Meist standen schon einige Leute vor dem Haus, denn sie wollten bei den Ersten sein. Gelegentlich machte er auch Hausbesuche, aber er versuchte immer, dass er bis Mittag wieder im Bachtel war.
Auch die von ihm bestellten Heilmittel ließ er beim Kadeasse Donar anliefern. So weiß man von „Lexe Xavere”, dass er die gesammelten Kräuter und Wurzeln dort hinbringen musste. Dabei sei vermerkt, dass der Xavere strikte Anweisung erhielt, zu welchen Mond- oder Tierkreiszeichen er diese Heilmittel zu besorgen habe. Xavere kannte alle Kräuter besser als mancher Apotheker. Bevorzugt wurden Kräuter und Wurzeln in der Zeit der „Drischnes”, vom 15. August bis zum 15. September, auch genannt die „Frauen-Dreisig”, denn da hatten die Heilkräuter die stärkste Zusammensetzung der Wirkstoffe. Dabei soll es vorgekommen sein, dass bei der Prüfung der gelieferten Kräuter das Bachtlmändle einige Blätter mit den Fingern verrieben hat und feststellte: „Ja, die sind schu elter as wies Zeiche güet isch.”
Eines Tages gab sein altes Pferd den Geist auf und ein neues wurde nicht mehr angeschafft. So wurde die Filiale bei Kadeasse Donar aufgegeben, zu Hausbesuchen ließ er sich dann von den Bittstellern abholen.
Kamen dann im Hoibat zu viele Hilfesuchende oder Boten zu ihm, konnte er manchmal ganz grantig sagen: „Ih ka doch nuiz, gend zu nam Bessre.” Aber dann richtete er sofort wieder Salben und Mixturen her wie immer, denn Hilfe hat er niemandem verweigert. Weil er so uneigennützig jedem seine Hilfe angedeihen ließ und die Nann mit seinem „Beattl” allein war, schickten oftmals Patienten einen Knecht oder eine Magd für einen oder zwei Tage zur Aushilfe, denn es war ja fast nur ein Bichel zu heuen.
Seine Hauptmittel waren, neben den undefinierbaren Kräutermitteln, der Holundersaft, Lakritzensaft oder -stengel (Bärendreck), Bergwurz, Bibernell und Beinwell, Salbe aus dem Fett von Hund, Dachs, Murmele sowie Unschlitt, Bienenwachs, Leinöl und manch anderes mehr. Böse Zungen behaupteten, dass er mancher Salbe oder Mixtur sogar das Tropfwachs der Kerzen zugemischt habe.
Bei vielen Patienten und auch bei Rössern verlangte er deren Urin, aus dem er nach kurzem Schütteln vieles herauslesen konnte. Andere Patienten mussten sich auf einen erhöhten Stuhl setzen und er machte seine Augendiagnose. Seine Kommandos seien kurz gewesen: „Lüeg üe, iez aie, iez umme und iez rum!” Dann drehte er sich ab und sagte meist den einen Satz: „So, iez weiß e all’s.” Ob er bei der Untersuchung ein Gerät oder eine Lupe verwendet hat, wusste niemand zu sagen. Dann ging’s in die Stube, dort richtete er sein Mittel her und der Krumm hat wie üblich kassiert. Es waren meist nur lausige Kreuzerbeträge, denn reich ist er trotz des großen Zulaufes nie geworden.
Den Heinzenschopf, ein einfacher Anbau, hatte er voll gestapelt mit Flaschen aller Größen bis hin zum Schnapsballon, Schächtele und Dosen aller Art standen auf den Gesimsbrettern.
Am einfachsten sei für ihn das Abheilen der „Hitz” bei Mensch und Vieh gewesen, das habe er sofort im Griff gehabt. Ob er es mit Handauflegen oder einem undefinierbaren Säftle getan habe, weiß man nicht zu sagen. Auf alle Fälle sei das Fieber nach wenigen Stunden völlig weg gewesen.
So soll er auch ziemlich schnell bemerkt haben, wenn jemand nur simuliert hat oder echt krank war. Mit den Simulanten hat er dann mit seinem hintergründigen Humor oft Merkwürdiges getrieben. Eines Tages kam ein Italiener, der sich beim Wasserbau an der Breitach einen Rheumatismus geholt habe. Nach seiner Augendiagnose wusste er, dass diesem aber nichts fehlte. Er ging in seine Stube, kam mit einem 15-Liter-Schnapsballon, der fast halbvoll mit einer bräunlichen Flüssigkeit gefüllt war, wieder und gab sie dem Italiener mit der Anweisung: „So, jedan Tag druimohl an groaße Schluck und ‘s Rematisch isch i acht Däg weg.” Der nahm den Ballon zögernd mit, er schämte sich vor den vielen Leuten, die am Haus vorbei den Wasachberg heraufkamen. Nahe dem Bachtelhaus war eine Boschenreihe und dort ließ er den Ballon den Hang hinab kollern. Der verfing sich weiter unten in den Stauden und der „Patient” hatte auch kein Rheuma mehr.
Oft kamen Leute, die ihn zu einem Hausbesuch holen wollten, doch da war er extra heikel, es musste schon ein Gaiwagen sein, auf jeden Lotterkarren setzte er sich nicht drauf. Dabei kam schon die Bemerkung heraus: „Mit deam Holprarkaare kasch zum Doktr hole fahre, abr it zu mir.” Doch solange er selbst ein Pferd hatte, musste der Krumm einspannen, denn er wollte immer sicher fahren.
In den Aufzeichnungen von F. A. Schratt findet man den Eintrag: „1870 – Wohl war im Großen und Ganzen der Hexenglaube im Allgäu gesunken, jedoch, wenn im Stall etwas fehlte, z. B. zwei an der Kette zusammen gebundene Kühe oder wenn eine Kuh plötzlich fast keine Milch mehr gab, so nahm man an, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging. Dann wurde sofort das Bachtlmändle geholt, welches ja auch im Rufe stand, solches Unwesen beseitigen zu können. Ob er dabei dieselbe Beschwörungsformel wie das Hexenmändle von Burgberg anwandte, bleibt dahingestellt. Denn das Burgberger Hexenmändle brauchte nur seine Hände zusammen zu reiben bis da ein erbsengroßes Kügelchen entstand und alles war wieder in Ordnung. Übrigens wurde Brutscher, auch ‘Edelmändle’ genannt, infolge seiner Heilkräuterkunde für kranke Leute eine viel in Anspruch genommene Persönlichkeit, auch in Oberstdorf wie im weiten Allgäu war er wegen seiner erfolgreichen Methode und Sachverständnis, besonders aber wegen seiner zahlreichen Hilfe in oft hoffnungslosen Fällen ein berühmter Mann im Allgäuer Volksglauben.” (Soweit die Schratt-Chronik.)
Diese vielen Heilerfolge veranlassten den damals in Oberstdorf praktiziereden Doktor Otto Mayer dem Bachtlmändle eine Falle zu stellen, da er wusste, dass dieses viel anhand des Urins bestimmte. Er schickte seinen Knecht mit einem Fläschle mit Urin von seinem Gaul ins Bachtel, mit der Maßgabe, dass sein Herr krank sei und nicht selber kommen könne, aber er dürfe ja nicht sagen, wer sein Auftraggeber sei. Als der Knecht an der Reihe war, übergab er den Urin mit dem Hinweis, dass man nicht wisse, was seinem Herrn fehle. Das Bachtlmändle, das den Knecht nicht kannte, nahm das Urinfläschle und füllte den Inhalt in ein offenes Glas, da das Fläschle zu dreckig war, um durchschauen zu können. Er schüttelte den Urin, schaute ihn an und dies wiederholte sich mindenstens drei bis vier Mal. Dann dreht er sich um zum Boten und sagte scharf, so dass es alle Wartenden hören konnten: „Deam sobba mea Habr gii, dea hod an gonz an nuizweartege Schtaal und du, du Esl, soddsch dean Roßsaich seal süüfe miesse, fir ding Hian wär des kui Schaade.” Dann wandte sich das Bachtlmändle an den Krumm und meinte: „Vu deam nimmscht de zwuinzig Kriizar fir Dummheit, die dearf schu nammas koschte und em Hearre fählt nuiz.” Der Bote zahlte so schnell er konnte und war sichtlich froh, so glimpflich dem „Hexer”, wie sein Chef sagte, entkommen zu sein. Unter dem Gelächter aller Wartenden war dieser schnell aus der Küche draußen und das Steigele hinunter.
Einmal fuhr Dr. Mayer mit seiner Chaise am Ried hinauf nach Birgsau und der Knecht war auf dem Bock eingeschlafen, so dass man über den Weg hinauskam und das Gefährt stürzte um. Der Knecht flog im hohen Bogen vom Bock und der Doktor war unter der Chaise. Das Ross erschrak und sprang noch einige Meter und da stand Philippe Michl, der neben der Straße Borzen aufgemacht hatte. Er fing das Ross ein, band es an und stellte das leichte Gefährt wieder auf. Dann half er dem lädierten Doktor auf die Beine, der jammerte, weil seine Achsel verletzt sei und er überall Schürfungen habe. Der Knecht hockte am Boden und konnte nicht mehr laufen, den hatte es am Knie erwischt. Michl richtete dann das Geschirr und die Chaise wieder zurecht, an der das meiste heil geblieben war. Dann lud er die zwei Maroden ein und sagte hilfsbereit: „Do gidds nuiz, as glei zum Bachtlmändle, dea ka des widr richte.” Er selbst hockte sich auf den Bock und gab dem ansonsten braven Ross die Zügel frei. Dr. Mayer aber wollte nicht und bat, man solle doch nicht zu dem Giftmischer fahren, das werde er schon selbst wieder hinkriegen. Doch Michl fuhr unbeirrt weiter. Im Bachtel angekommen, bat er den Krumm, dass man die Zwei doch gleich dran nehmen solle, denn „die hend an moards Weahdag”.
Er führte den Doktor und seinen humpelnden Knecht in die Küche und als das Bachtlmändle die beiden sah, meinte er mit ruhiger Stimme: „Hoi, ja wiin bringschte denn do, des sind ja dr Roßsaichdoktr und dr Knecht.” Er hatte sie durchs Fenster am Gespann sofort erkannt. Von der Geschichte wusste auch der Michl und mit einem Grinsen schob er den Doktor vor zur Behandlung.
Doch da ging nichts beim Bachtlmändle, er wollte zuerst den Knecht behandeln, denn „dea ka no warte, abr dieser ka fascht numma löuffe, zudeam sind des beid gonz üngfertege Kerle”. Nach kurzem Abtasten des Knies holte er eine dickklebrige Pechsalbe, schmierte es ein und machte einen groben Verband darum. Dann holte er einen Hafen, in dem eine Hennenfeder steckte, tunkte diese ein und strich eine grünliche Flüssigkeit auf die Schürfwunden, ohne diese auszuwaschen. Danach sagte er zum Knecht: „So, des losch’de offa und trickne und de Vrbond kasch i drii Däg öu weck tu, no soddes widr weare, i drii Däg kasch widr löuffe.”
Dann führte er den Doktor in den Zwischengang, half ihm aus dem Kittel und dem Hemd, hob seinen Arm hoch, so laut dieser auch jammerte. Zum Krumm sagte er: „Du hebscht iez dean a de Agsla fescht und no renke br dean widr ing.” Dem Doktor rann vor lauter Schmerzen der Schweiß von der Stirn, er hatte wohl auch Angst davor, was das Bachtlmändle jetzt mit ihm noch anstellen werde. Nun hob er des Doktors Hand über Schulterhöhe, streckte den Arm nach außen, dann zweimal seitlich und nach unten. Mit einem Ruck ließ er den Arm los, mit dem Kommentar: „So, die wär widr inggrenkt.” Der Doktor hat lauthals aufgeschrien, war aber heilfroh, dass es schon vorbei war. Dann holte er die schwarze Pechsalbe, schmierte die Achsel ein und wand ein grobwollenes Tuch darum. Bei den vielen „Flerga” wiederholte sich die Prozedur wie zuvor beim Knecht und er gab die Anweisung: „Des loschte trickne und nix dra tu und de Vrbond kaschte i acht Däg weck tu, no goht die Agsl schu widr, wenn’s it reacht tüet, no kusch nomohl rum.” Der Doktor Mayer kam nicht mehr, denn alles wurde in besagter Zeit gut.
Das Bachtlmändle schien gut gelaunt zu sein und sagte dem Krumm, dass er 30 Kreuzer nehmen soll für beide, weil diese beiden so „noatege Beaddlar” seien. Dies zahlte der Mayer gleich und der Michl fuhr sie wieder heim.
Über die Heilerfolge, die nun auch der Doktor Mayer persönlich kennen gelernt hatte, schrieb F. A. Schratt in seiner Chronik: „1869/70 – Wegen der Naturheilkunde und Heilerfolge von Josef Brutscher, dem ‘Bachtlmändle’, sah sich der Dr. Otto Mayer in Oberstdorf veranlaßt, seine ärztliche Praxis zu schließen und bis nach Hof in Nordbayern zu verlegen, er wäre sonst verhungert.”
Eine andere Erzählung berichtet, dass ein „besserer Herr” mit seinem Pferd ins Tal geritten sei und dieses plötzlich den Reiter abgeworfen habe. Der Mann sei schwer verletzt gewesen und weit und breit war niemand, den man um Hilfe bitten konnte. Da sei mit einem Mal das Bachtlmändle dagestanden und habe seine Hilfe angeboten. Er habe den Verletzten verbunden und wieder auf die Beine gebracht. Nach einem sonderbaren Lockruf sei der Gaul wieder hergekommen und habe seinen Herrn aufsitzen lassen. Hier kommt wieder die Nachrede der Bilokation zum Tragen.
In der Bevölkerung gab es einige, die behaupteten, dass die sog. Hexen einen heillosen Respekt vor dem Bachtlmändle hätten. Wenn irgendwo ein Gelichter vermutet wurde, schickte man sofort zu ihm. Mit ernster Miene machte er dann im betreffenden Haus allen möglichen Hokuspokus, ging mit seinem Beschwörungsbuch herum, in dem für jeden Raum ein anderer Vers stand, verspritzte Weihwasser und schlug nach dem Verlassen eines Raumes jeweils die Tür zu, dass man glaubte der Türstock fliege raus. Am Schluss der Zeremonie sagte er dann: „So, iez sind se duß!”
Leute, die zum Bachtlmändle kamen, um ihre Glückszahlen zur Lotterie zu erfahren, die musste der Krumm gleich hinauswerfen.
Eines Tages holte Maria Köcheler das Bachtlmändle zu ihrem Mann, der seit einem Jahr krank war und dem der Doktor keine Linderung oder Hilfe brachte. Als er den Kranken sah, meinte er mit nachdenklichem Gesicht: „Nui, fir die Kronkheit git ’s kui Krittle, do simbr z’ schbäät dra, ih ka bloas no de Weahdag neahme, a Wuche müesch no durhebe, no isches rum.” Als die Woche vorbei war, starb Johannes Köcheler. Zuvor hatte er seiner Frau gesagt, dass er die großen Schmerzen jetzt weg habe, er sterbe so leichter und stellte ergänzend fest: „Ma hed halt selle glei zum Bachtlmändle schdadd zum Doktr, des hobbr iez no a wink gholfe.”
Ja, es half allen und überall, ob sie zahlen konnten oder nicht. Da sei es auch vorgekommen, das ein altes Weiblein als Entgelt sagte: „Geald hone kuis, abr ih schluiß de is Nachtgebeat mit ing.” Da sagte der Josef Anton: „Abr it so fescht, mir tüets a bizle.” Kam jemand in sein Haus, von dem man wusste, dass dieser nicht gut über ihn geredet hatte, dann gab das Bachtlmändle dem Krumm einen Stups und meinte: „Deam det bressiert’s fei it, dean lämbr a wink warte, dea mecht kasing no a wink dumm schwätze.” Schlechte Äußerungen über seine Person steckte er meist mit Humor weg, denn er war der Meinung, „dea kut schu no amol zu mir” und ließ sich dabei aber nichts anmerken.
Der „Zollar”, war ein widerlicher Mensch, der immer viel gesoffen und geflucht und viel Streit an den Biertischen hatte, wo er vor allem über das Bachtlmändle lästerte. Dem ging es plötzlich ganz schlecht und kein Doktor konnte ihm helfen. Da kam auch er ins Bachtel und bat um Hilfe, ja, er sei doch erst vierzig und wisse sich keine Rat mehr. Die Leute sagten, dass er den Grünen Husten habe und schon den "Schwindbittl am Hals trage. Da hockte er nun und hustete in einem fort, war abgemagert und sah aus wie ein Häuflein Elend. Das Bachtlmändle schaute ihm in die Augen und traf die Feststellung: „Ja, mei güata Zollar, so wie du gleabt hosch, isches iez gschiedr, du gosch zum Pfarrar und tüesch det no nammas regle, viel dr Wiihl hosch du numma, siis wird es zu allem z’schbäät.” So kam es auch, einige Tage später fand man den Zollar tot in seiner Kammer.
Mit der Hauserin, der Nann, wurde es auch immer schlimmer, so fleißg sie war beim Hoibe und im Stall, beim Holzmachen, Borzen und Spreideln, keine grobe Arbeit war ihr zuviel. Trotz allem „Hinbäggre”, Wasser und Putzzeug scheute sie wie der Teufel das Weihwasser. Der gute Ruf der Allgäuer Bauernhäuser ob deren Reinlichkeit traf hier nicht zu. Alles redete schon von dem großen Dreck beim Bachtlmändle. Den drei Bewohnern schien dies nichts auszumachen, aber den Leuten grauste es direkt; die Nann ließ sich eben nicht mehr ändern. Sie sei auch so hässlich geworden und hatte das Gesicht voller Rufen und Schnupftabakreste. Die Leute gingen ihr aus dem Weg, obwohl sie harmlos war. Gut, dass sie nie im Haus sein mochte, wenn die Hilfesuchenden kamen.
Öfter sagte der Krumm, dass er den Morgenkaffee nicht mehr vertrage, er trinke von nun an nur noch Quellwasser. Auf die Frage warum das so sei, meinte er: „Dr Nann falled am Kaffeene allad Ruufa und Schnupftabak in Kaffee, die brücht kuin Figar und kuin Moodar mea ning tu.”
Als das Bachtlmändle 1895 an einem Schlägle mit 82 Jahren starb, war seine Nachbarin, die Büechenare, bei ihm, sie hatte das Brot für den Haushalt gebracht. Da bemerkte Josef Anton, dass es ihm ganz elend sei und legte sich kurz auf die Gütsche in der Küche. Als die Nachbarin das Brot im Schiebar verstaut hatte, merkte sie, dass er nicht mehr schnaufte. Sie hat sich noch vergewissert, dann rief sie den Krumm, dass er sich um den Verstorbenen kümmern solle. Sie ging dann vor das Haus und rief auch der Nann, die mit dem Borzenbinden beschäftigt war, der Josef Anton sei soeben verstorben.
Da ließ die Nann den Daashacker fallen, kam sofort herbei, schaute aber nicht zum Bachtlmändle, sondern ging in ihre Kammer, packte ihren Binggl und ging ohne Gruß aus dem Haus, den Wasachberg hinauf. Darüber war auch der Krumm erstaunt, denn sie hatte noch einen Lohn gut und so glaubte man, sie werde schon wieder kommen. Einige sahen sie noch durch das Dorf gehen und dann in Richtung Hirschsprung hinaus laufen. Sie kam nicht auf die Leich und auch in ihrer Heimat, in Kierwang, ist sie nicht erschienen. Viel- leicht ist sie zu ihrer Schwester in den Bregenzer Wald gegangen. In Obertiefenbach sah man sie nie mehr wieder.
Dieser Weggang erinnert etwas an die vielen Wilde-Mändles-Sagen, wo auch berichtet wird, dass sich Wildleute bei Bauern verdingten und wenn jemand die Nachricht brachte, dass „Salezza”, „Sallengga” oder „Stuzze Muzz” gestorben sei, diese sofort ihr Bündel nahmen, gingen und nie mehr auftauchten.
Der Krumm starb ein Jahr später und das Huimatle wurde versteigert, wie eingangs schon erwähnt. Zuerst hat es der Kurpfuscher Müller ersteigert, der glaubte, mit dem Namen des Bachtlmändle ein reicher Mann zu werden. Doch der Zulauf versiegte sofort, als man merkte, dass er als Heilpraktiker nichts taugte, ja nicht einmal die Kräuter und Tinkturen des Bachtlmändle kannte. Müller gab bald auf und hat das Gütle an den Nachbarn Büechene Baschtl verkauft.
Baschtl hat oft erzählt, dass er dem Krumm geholfen habe den Unrat aus dem Haus zu schaffen. In der Küche sei der Dreck so hoch gelegen, dass man diesen mit Spaten und Schaufel abgraben musste, um auf den Holzboden zu kommen.
Es kamen noch lange Zeit nach dem Tode des Josef Anton Brutscher Leute zu ihm herauf und fragten nach dem Verbleib der vielen Bücher und Einrichtungen. Aber da habe der Müller das meiste mitgenommen. Manchmal habe es ihn erinnert an einen Wallfahrtsort, man hat das Bachtlmändle lange nicht vergessen.
Wendelars Rosina hat uns noch erzählt, dass sie wegen ihres kranken Mannes den Hofrat Dr. Ulrich Reh im Hause gehabt habe, der sich aber keinen Rat wusste und fast hilflos am Bett stand. Auf ihre Frage, was man da tun kann, da habe er gesagt: „Das muss ich mir noch überlegen und in meinen Büchern nachsehen, ich kann vorerst nur etwas gegen das hohe Fieber tun.” Da sei sie richtig grantig geworden und habe dem Hofrat gesagt: „Ih siech schu, du bischt no lang kui Bachtlmändle, dea hot all’s gwißt wo’nes fehlt.”
In den folgenden Jahren gab es immer wieder Heilkundige, aber ein Könner wie das Bachtlmändle war nicht mehr dabei, sei es ‘s Walsermändle, d’ Kalchebacherin, d’ Rotburgl, d’ Katzemillerin, dr Hatt vu Madrhalm oder sonst welche. Den Bekanntheitsgrad hat keiner mehr erreicht.
Doch je mehr wir von der hier beschriebenen Zeit abrücken, umso mehr wird die Tatsache um den Naturheilkundigen Josef Anton Brutscher, vulgo Bachtlmändle, in die Überlieferungen der Sagenwelt abgedrängt und dort eingereiht.
Quellen: Erzählungen aus der Köcheler-Verwandtschaft; Niederschrift des Oberlehrers Ludwig Mayr, Tiefenbach; Erzählungen von Bergsmartars Ludwig (Ludwig Schöll); zusammengetragen aus langjährigem Umhören und Nachforschen in Tiefenbach und Oberstdorf.