Oberstdorf vor 100 Jahren

von Birgitt Schraudolf am 01.06.2010

1909

Januar

  • Für die Skiwettläufe setzt die Lokalbahn AG am 5. 1. einen Sonderzug von Immenstadt ein. Am 6. 1. finden die Skiwettbewerbe statt. Das Wettlaufbüro für die Anmeldungen und die zu entrichtenden Startgelder ist im Rathaus.
  • Es findet ein großer Abfahrtslauf, offen für alle, vom Schrattenwanger Köpfle statt, Ziel Ackerbauer. Dann ein Schnelllauf ohne Fell und Stock: Start Waldesruhe, Ziel Ackerbauer. Damenlauf: Start Wanne, Ziel Ackerbauer und Jugendläufe. Ein Schaulaufen mit Springen und Schwingen wird präsentiert. Die Preisverteilungen finden im Gasthof »Hirsch« und im Parkhotel »Luitpold« statt, später noch geselliges Zusammensein im Hotel »Mohren«. – Der Ackerbauer war August Wolf, „Wölfars Guschtl”. Sein Anwesen steht heute an der B 19 zwischen Reute und Kornau auf der rechten Seite. Damals lag das Anwesen noch abseits, denn die Straße ging noch durch Kornau.
100 Jahre - Heft 56

Nennzettel für den Damenlauf am Dreikönigstag 1909 für Frl. Elsa Vogler, der Tochter des Joseph Anton Vogler (dem Gründungsvorstand des Verschönerungsvereins Oberstdorf) und späteren Gattin des Tierarztes Stefan Schmidt

Februar

  • Die Oberallgäuer Telefonnetze werden zum Sprechverkehr mit schweizerischen Orten zugelassen.
  • Eugen Heimhuber und Leonhard Braxmair werden in Oberstdorf als Skilehrer aufgestellt.
  • Der Turnverein Oberstdorf moniert zum wiederholten Mal den Bau der in Aussicht gestellten Turnhalle.
  • Bei der Hauptversammlung des Verschönerungs-Vereins wird der Antrag, die letzte Wegstrecke zum Oytalhaus mit Bäumen zu bepflanzen, angenommen. Die Bepflanzung soll in den nächsten zwei bis drei Jahren stattfinden, die Kosten belaufen sich auf ca. 1.000 Mark.
  • Die Neuanschaffung von Prospekten in Bücherform wird beschlossen.
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Am Ziel des Damenlaufs, unterhalb des „Ackerbauer”. In Bildmitte Elsa Vogler, zeitgemäß noch mit Rock und Federhut.

März

  • Am 18. März 1909 gründen die Vertreter der Skiclubs Immenstadt, Kempten, Oberstaufen und Oberstdorf in Immenstadt den „Allgäuer Skiverband”. Der Oberstdorfer Arzt Dr. Clemens Boesl wird dessen erster Vorsitzender
  • In der Filiale der »Allgäuer Baumwollspinnerei und Weberei« in Oberstdorf bricht ein Streik aus. Hauptgrund der Arbeitsniederlegung ist die Forderung auf Einführung der 10 1/2-stündigen täglichen Arbeitszeit bei gleichzeitiger Lohnkürzung von 5 %. 220 Männer arbeiten weiter, 150 Männer streiken. Ihnen wird gedroht, wenn sie nicht unverzüglich die Arbeit wieder aufnehmen, werden sie ausgeschlossen. Einen Tag später arbeiten alle Männer wieder zu den alten Bedingungen.
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Dr. Boesl war Belegarzt im Oberstdorfer Krankenhaus und betreute ärztlich auch die Insassen des Armen- und Pfründnerhauses

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Der Oberstdorfer Weberei-Filialbetrieb der »Allgäuer Baumwollspinnerei und Weberei Blaichach«, an der Trettachstraße gelegen.

April

  • Der Verschönerungs-Verein diskutiert die dringend notwendige Verlegung einer Kanalisation und Wasserleitung. Klagen der Fremden seit vielen Jahren über die hiesigen Abortverhältnisse führt Hofrath Dr. Reh vehement vor. Wenn Oberstdorf den Fremdenverkehr fördern wolle, sei so eine Anlage unausweichlich. Durch schlechte Ableitung der Abwässer, der Abort- und Jaucheanlagen liegen die Krankheitskeime jetzt offen da.
  • Der Dorfbach sei ein besonderes Sorgenkind. Bereits in den 70ger Jahren hatte es Zuschüsse von 33 1/3 % vom Staat gegeben, jetzt, da viele Gemeinden das Problem haben, nur noch 20 %. Die hierdurch entstehenden Hydranten seien auch wegen der Feuergefahr notwendig. Hofrat Reh legt sich sehr ins Zeug, um uneinsichtige Mitglieder von dieser Maßnahme zu überzeugen. Diese Maßnahmen werden ja auch späteren Generationen zugute kommen und der Verein ist finanziell gut aufgestellt, so dass alles zu bewerkstelligen sei.
  • Auf dem Rückflug von Berlin nach Friedrichshafen überfliegt Ferdinand Graf Zeppelin mit seinem Luftschiff das Allgäu.

Mai

  • Oberstdorfer Bürger beabsichtigen die Grundlegung eines Vereines für ambulante Krankenpflege zu gründen. Am Gründungstag treten sofort 119 Damen und Herren als Mitglieder dem Verein bei. Vorstand wird Geistlicher Rat Alois Heinle.
  • Bei der Feuerwehr Oberstdorf werden, nach erheblichen Widerständen, die neuen Chargen-Bezeichnungen eingeführt. Aus dem Hauptmann wird der Abteilungs-Kommandant, aus dem Zugführer der Kompanieführer, der Obersteiger wird zum Steigerführer und der Spritzenmeister wird zum Spritzen-Zugführer umgetauft. In der Praxis bleibt alles beim Alten.
  • Prinz Ludwig, in Begleitung von ca. 90 Teilnehmern der landwirtschaftlichen Wanderversammlung, besucht auch die Breitachklamm bei einer Allgäureise. Die Führung durch die Klamm übernimmt Herr Hofrat Dr. Ulrich Reh persönlich für den Prinzen, die anderen Herrschaften werden von den Vorständen und Ausschussmitgliedern des Breitachklammvereines begleitet.
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Die Initiatoren des Oberstdorfer Krankenpflegevereins: Pfarrer Alois Heinle...

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...und Bürgermeister Ludwig Fischer.

Juni

  • Die Galtalp- und Hirtenhütte der Käsealpe brennt bis auf die Grundmauern nieder. Der Brand wird durch Studenten aus München, die ermattet von ihrer Bergtour einkehrten, verursacht. Die Hütte ist Eigentum der Alpgenossenschaft Schöllang und wurde vor einigen Tagen erst erneuert. Der Viehaufzug in 14 Tagen ist fraglich.
  • Bei einer Gemeindeversammlung wird der Beschluss gefasst, dem Regenten auch auf die nächsten fünf Jahre die Gemeindejagd für die Pachtsumme von 5.000 Mark zu überlassen.
  • Ein für das hiesige Elektrizitätswerk bestimmtes 100-pferdiges Lokomobil wird vom Bahnhof von 40 Männern und 6 Pferden an seinen Bestimmungsort gebracht. Ohne Unfall wird das 300-Zentner-Gerät geliefert.
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Die alte Hirtenhütte auf der Käseralpe.

Juli

  • „Wir schreiben nun den 1. Juli und, wie alte Leute zu erzählen wissen, pflegte es anno dazumal um diese Zeit herum recht hübsch warm zu sein, man konnte im Freien baden! Nun beginnt der Sommer erst, wenn die Schwalben den Schnee von den Flügeln schütteln. Täglich treffen bei uns mehr Leute ein, die die Sommerfrische genießen wollen. Die Berge hängen voller Nebel, eine weise Methode der Natur, dass man sich nicht über die weißen Gipfel so ärgern kann.”
  • Der bayerische Verkehrsminister von Frauendorfer verbringt hier seine Ferientage und der preußische Kriegsminister a. D. kauft ein Anwesen für seine Sommeraufenthalte.
  • Es regnet in diesen Tagen sehr kräftig. Die Breitach tobt in der Klamm und flößt den Besuchern durch ihre Wildheit unwillkürlich Grauen ein.
  • „Oberstdorf und Umgebung”, ein Führer für das Allgäu mit Plan von Oberstdorf, mit 5 Kartenbeilagen und 9 Panoramen wird wieder herausgegeben. 1 Mark kostet er und gehört entschieden zu den verlässlichsten Begleitern der Allgäuer Wanderer.
  • Eine seit einem Viertel Jahrhundert als Kurgast in Oberstdorf weilende Frau von Müller, mit Frl. Tochter, aus Meersburg erhalten vom Verkehrsverein schöne Blumenspenden.

August

  • Zur Erheiterung der anwesenden Kurgäste und Einheimischen findet die Gesangsposse „Lumpazi Vagabundus”, mit Tänzen, Operneinlagen usw., im Kurtheater statt. Das Fest beginnt abends um 1/2 8 Uhr und das Entree beträgt auf allen Plätzen 1 Mark 50.
  • Georg Leuchs und Gefolge legen eine neue Route durch die Trettach-Ostwand.
  • Dieser Tage macht sich ein Münchner Student den Spaß, das Rubihorn direkt über die 250 Meter hohe Nordwestwand zu ersteigen. Dies ist eine Erstbesteigung und hoffentlich auch seine letzte, denn er setzt damit sein Leben aufs Spiel.

September

  • Mit den Kanalisationsarbeiten wird im Laufe der Woche unten an der Stillach begonnen.
  • Mit Begleitung begibt sich die kgl. Hoheit Prinzregent Luitpold auf die Hirschjagd ins Warmatsgundtal. Die wichtigsten Persönlichkeiten werden mit dem Prinzregenten untergebracht im Jagdhaus.

Oktober

  • Fremdenliste: Von Mai bis Oktober besuchen 17.149 Gäste Oberstdorf, 1.464 mehr als im letzten Jahr.
  • Am 30. 10. werden zu einer wichtigen Besprechung abends sämtliche Gewerbetreibende in die »Sonne« eingeladen zur Beratung einer für das kommende Jahr geplante Ausstellung ortsansässiger Gewerbetreibender und Handwerker.
  • Am Schrofenpass kommt es zu einer Wilderer-Affäre. Zwei Jäger des Regenten – er hält sich gerade in Oberstdorf zur Jagd auf – betraten im Rappenalptal den Übergang ins Obere Lechtal, als sie auf zwei Wilderer stießen, die einen Hirsch erlegt hatten. Hierbei kam es zum Recontre, bei welchem ein Wilderer durch einen Kugelschuss getötet wurde. Der andere Wilderer wird von den Jägern festgenommen und nach Oberstdorf gebracht. Hier wird er von der Staatsanwaltschaft Kempten in Empfang genommen.
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Der Bildstock für den erschossenen Wildschützen am Schrofenpass.

November

  • Der Fürst zu Castell-Castell trifft zu seinem Jagdaufenthalt ein und begibt sich sofort in die Birgsau.
  • Der Verkehrs- und Kurverein bringt einen neuen Winterprospekt heraus. Durch die reichhaltige Bebilderung wird er wohl allen auswärtigen und einheimischen Wintersportfreunden erwünscht sein. Das Büchlein führt in prächtigen Skizzen die Schönheiten der Umgebung von Oberstdorf vor Augen. Gratis und franko wird es auf Verlangen verschickt.
  • Der Breitachklammverein kann bei seiner Hauptversammlung 6 % Dividende zur Ausschüttung bringen. 22.000 Besucher durchwanderten in diesem Jahr die Klamm.
  • Oberjäger Max Speiser erlegt im Höfatsgebiet einen Steinadler.

Dezember

  • Der Verschönerungs-Verein lässt an den Halden einen kleinen und einen großen „Sprunghügel” erbauen.

Quelle: »Allgäuer Anzeigeblatt«, Jahrgang 1909; Aufzeichnungen von Eugen Thomma.

Kontakt

Verschönerungsverein Oberstdorf e.V.
1. Vorsitzender
Peter Titzler
Brunnackerweg 5
87561 Oberstdorf
DEUTSCHLAND
Tel. +49 8322 6759

Der Verein

Unser gemeinnütziger Verein unterstützt und fördert den Erhalt und Pflege von Landschaft, Umwelt, Geschichte, Mundart und Brauchtum in Oberstdorf. Mehr

Unser Oberstdorf

Seit Februar 1982 werden die Hefte der Reihe "Unser Oberstdorf" zweimal im Jahr vom Verschönerungsverein Oberstdorf herausgegeben und brachten seit dem ersten Erscheinen einen wirklichen Schub für die Heimatforschung. Mehr

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