Anmerkungen zum Oberstdorfer Wilde-Mändles-Tanz – gefunden in alten Chroniken

von Anton Köcheler am 01.12.2010

Ergänzend zu den Ausgaben des Sonderheftes „Der Wilde-Mändles-Tanz von Oberstdorf” von 1985, 1990, 1997 und 2009 hat der Autor in alten Chroniken weitere Aufzeichnungen gefunden, die sich mit dem Oberstdorfer Kulttanz befassen.

Allgemein wird angegeben, dass der Tanz von jeher im Turnus von fünf Jahren zur Aufführung kommt. Dies stimmt jedenfalls bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges nicht. Vermutlich geht diese Annahme zurück auf einen Bericht von Benefiziat Strohmeyer, der für diese Feststellung aber keinen Nachweis liefert. Es ist vielmehr so, dass in früherer Zeit die Aufführungen je nach Möglichkeit und Anlass stattfanden.

In der Chronik von J. Heim finden wir folgende Beschreibung:

„Der Wilde-Mändles-Tanz reicht bekanntlich bis in jene Zeit zurück, in welcher sich niemand mehr auf die Straße getraut hat, bis einige Beherzte die Furcht vor dem Schwarzen Tod bannten, als sie in scherzhafter Vermummung, d. h. als Wilde Männer, auf der Straße Tänze aufführten, damit die Furcht geringer wurde. Dieser Tanz wurde alle Jahrzehnte als Volksbrauch um die Sommersonnenwende aufgeführt, unter Wahrung der alten Formen.”

Mit dem Schwarzen Tod war die Pestzeit 1634/35 gemeint. In einem Nachtrag werden als Aufführungsjahre angegeben 1644, 1654, 1664 usw. Zu beachten ist bei dieser Angabe des J. Heim allerdings, dass der Wilde-Mändles-Tanz auf einer Bühne aufgeführt wird und nicht als Straßentanz durch ein Dorf. Eine weitere Angabe nennt das Jahr 1700 und einen Zeitabstand von 15 Jahren „auch zur Beseitigung fremder Conkurenz.” (?)

In der selben Chronik lesen wir in der Abhandlung (8, III 5651):

„Ebenso wurde das fröhliche Volksgemüth in Oberstdorf damals in der Faschingszeit gerne gefördert, wie sich der seit Mitte des 17. Jahrh. eingeführte Wilde Mändles Tanz als Satyrespiel altesten Styls derart bewährt hatte, daß der hohen Besuchern zu Ehren aufgeführt wurde. Die volkserfreuliche Aufführung der in Tannenflechten verhüllten Wilde Mändle von Oberstdorf (1700) immer wieder in bestimmten Zeiträumen, wann nicht jährlich, statt gefunden hat.”

In einem Zusatz heißt es: „Lied-Verbesserungen wurden erst in diesem Jahrhundert [19. Jh.] vorgenommen.”

Auch der Chronist Johannes Bach. hat sich mit dem Wilde-Mändles-Tanz befasst. So hat er in seine Chronik eingetragen:

„Es konnte in Oberstdorf für die Ankunft des Landesfürsten am Marktplatz vom Gerichtsammann Mathias Tauscher durch die Vorstellung der Wilde Mändle mit ihrer Tanzweise eine überraschende Begrüssung geboten werden, als ein gewisser Bach Freudenlieder und Chor hierfür gedichtet hatte, z. B.

»Wenn wir schon wilde Männer sind, ringsum mit Moos bedeckt, so ehren wir den Fürsten doch, der den Menschen Gutes thut«”
Die Noten für die Musik zum Tanz hat J. A. Bach im Jahr 1811 geschrieben.

In der selben Chronik finden wir den Eintrag:

„Als am 29. August 1793 der Landesfürst von Dillingen und Augsburg, Bischof Clemens Wenzeslaus, in Oberstdorf weilte, wo er der Gemeinde eine schwarz-gelbe Fahne stiftete, wurde ihm zu Ehren von 12 wilden Männern der sog. Wilde-Mändle-Tanz vorgeführt. Derselbe Fürst soll in dem kleinen Häuschen am Faldenbach gewohnt haben, denn das dane- ben befindliche Eisenschmelzwerk war Eigentum des Domherrn Hornstein von Augsburg.”

Wilde - Heft 57

Clemens Wenzeslaus
(geb. 1739 – gest. 1812),
Fürstbischof von Augsburg
von 1768 bis 1812
und Kurfürst von Trier.

Fürstbischof Clemens Wenzeslaus verlor durch die Säkularisation zwar die weltliche Macht, doch als Bischof von Augsburg-Dillingen war er weiterhin in Amt und Würden. So hat man ihm zu Ehren den Tanz auch aufgeführt 1797, 1799, 1810 und 1811, u. a. auch in Marktoberdorf (seinem Sterbeort) und in Hindelang. Zur Aufführung im Jahr 1811 hatte der Bischof auch geladen ihre kgl. Hoheit Kunigunde und die Fürstin Amalie Auguste von Zweibrücken.

Auf Wunsch des Bischofs, der von den mit Tannenflechten behangenen Wilde Mändle offenbar sehr beeindruckt war, wurden einmal sogar an drei aufeinander folgenden Jahren Aufführungen gegeben. Aus Zeit- und Personalmangel wurden einige Male aber nur drei bis vier Kurzszenen des Tanzes aufgeführt, wie z. B. die „Glocke”, der „Huldigungstanz” und der „Kolbentanz” (Keulentanz). Auch der Lobgesang auf den Landesfürsten begeisterten Clemens Wenzeslaus und sein herrschaftliches Gefolge; dabei soll es vorgekommen sein, dass hinter den Kulissen stehende Sangesfreunde in der Schlussszene den Klang des Lobliedes verstärkten.

Aufführungen des Wilde-Mändles-Tanzes in Lindau und Konstanz

In den Chroniken von J. Heim und Hans Bach sind Einträge zu finden, dass die Oberstdorfer Wilde Mändle 1750 und 1760 in Lindau, Konstanz und in der Schweiz ihren Tanz aufgeführt haben sollen. Nähere Erläuterungen dazu gibt es nicht. Deshalb ist zu bemerken, dass der Wahrheitsgehalt solcher Angaben mit Vorbehalt zu genießen ist, zumal es sich hier um Nachträge handelt.

Im Jahr 1811 soll wieder so eine Aufführungsreise stattgefunden haben. Auf Vermittlung von Fürstbischof Clemens Wenzeslaus fuhren die Oberstdorfer Wilde Mändle erneut nach Lindau und nach Konstanz.

In Konstanz wird dabei eine Familie Schratt erwähnt, die hier ansässig war und bei der Vermittlung geholfen habe. Leider ist über diese Familie weiter nichts eingetragen, der Name lässt aber vermuten, dass sie aus Oberstdorf stammte.

Die Reise der Tänzer erfolgte mit drei Schaalwagen, worauf Querbretter als Sitzfläche aufgelegt waren. Hinzu kam noch ein Wagen, der eine große Burde Heu und auch Habergsod für die Rösser geladen hatte. Mitgeführt wurden auch sämtliche Requisiten, wie Tafeln, Keulen und die leichten Lattenkulissen. Laut Chronik von J. Heim nannte sich die Gruppe „Wilde-Mändle- Gesellschaft”. Erwähnt wird auch, dass sie die „Comödie der zwölf Wilde-Mann” aufgeführt haben. Es dürften aber immer der „König” als Dreizehnter und auch Ersatzleute dabei gewesen sein. Wo die Gruppe in der Schweiz aufgetreten ist, weiß man nicht. Einmal wird Kreuzlingen ohne Zusammenhang erwähnt, was vermuten lässt, dass sie von Lindau über Bregenz, Rohrschach und weiter nach Konstanz gefahren sind. Ob damals bereits eine Fähre über den See nach Konstanz übersetzte, ist mir nicht bekannt.

Von weiteren Auftritten der Wilde Mändle aus Oberstdorf in Lindau und Konstanz (?) im Jahr 1818 berichten die Aufzeichnungen von Dr. Bach und Dr. Joseph Groß. Dazu gibt es eine ergötzliche Geschichte zu berichten: Bei einer Nächtigung (vermutlich in Kreuzlingen) vor dem Auftritt in Konstanz kam es zu einer Rauferei unter den Gruppenmitgliedern oder aber auch mit den einheimischen Schweizern. Bei dieser Auseinandersetzung ging u. a. ein wertvoller Spiegel zu Bruch. Um für den angerichteten Schaden nicht aufkommen zu müssen, zog man sich, heimlich an Konstanz vorbei, in Richtung Radolfzell und Stockach um den Untersee herum zurück. Man wollte damit der berittenen Schweizer Gendarmerie entkommen. Demnach hat also im Jahr 1818 in Konstanz kein Wilde-Mändles-Tanz stattgefunden. Leider gibt es dazu keine Namennennungen, man weiß auch nicht, wer damals Obmann bzw. König dieser Gruppe war.

F. A. Schratt erwähnt auch für 1820 einen Auftritt in Konstanz, was aber wenig wahrscheinlich sein dürfte. Es ist nicht recht vorstellbar, dass die Oberstdorfer Wilde Mändle so bald schon an den „Tatort” zurückgekehrt sind.

Wilde - Heft 57

Auf der Rückseite des Originalfotos ist notiert: „Aufnahme vom Wilde Männles Tanz Sommer 1911”.

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