Hl. Kolumban – Ausschnitt aus einem Fenster der Abtei Bobbio.
Die Zeitschrift »Heimat Allgäu« hat in ihrer Nr. 6 vom Jahre 2008 einen Artikel über Oberstdorf gebracht („Tief im Süden – hoch hinaus”, S. 6 - 11). Darin schreibt Arno Pürschel über den Wilde Mändles-Tanz u. a.: „Die erste Beschreibung dieses urwüchsigen Tanzes findet sich in einer von Abt Columban verfassten Vita von 613 n. Chr.
Dazu ist zunächst zu sagen, dass Abt Kolumban von Bobbio nie eine Vita verfasst hat. Von ihm sind zwar Briefe, Gedichte und religiöse Schriften erhalten, aber keine Vita. Er starb im Jahre 615 im Kloster Bobbio, das er selbst 612 gegründet hatte.
Vermutlich hat der Verfasser des Artikels den Beschriebenen (Kolumban) mit dem Beschreibenden (Jonas von Bobbio) verwechselt. Jonas, der 618, also drei Jahre nach dem Tode Kolumbans ins Kloster eingetreten war, hat nämlich eine Vita Columbani verfasst und 643 veröffentlicht. In dieser Vita ist auch ein Bericht über ein Kultfest enthalten, das in Bregenz stattfinden sollte, vom hl. Kolumban aber vereitelt wurde. Sehen wir nun, was der Vitenschreiber Jonas von Bobbio dazu berichtet. Wir stellen dabei den lateinischen Text der Vita der deutschen Übersetzung gegenüber.
Latein | Deutsch |
Ad destinatum deinde perveniunt locum. [= Bregenz] | Schließlich erreichten sie den Ort für den sie sich entschieden hatten. [= Bregenz] |
Quem peragrans vir Dei non suis placere animis aiet, sed tamen ob fidem in gentibus serendam inibi paulisper moraturum se spondit. | Der Diener Gottes schaute sich dort um. Er wollte ihm zwar nicht gefallen, doch um unter den Bewohnern den Glauben zu verkünden, wollte er kurze Zeit dort bleiben. |
Sunt etenim inibi vicinae nationes suaevorum. | In jener Gegend wohnen die Schwaben. |
Quo cum moraretur et inter habitatores loci illius progrederetur, repperit eos sacrificium profanum litare velle, vasque magnum, quem vulgo cupam vocant, qui XX modia amplius minusque capiebat cervisa plenum in medio positum. | Während seines Aufenthaltes zog er unter den Bewohnern umher. Da traf er sie einmal, wie sie ein heidnisches Opfer darbringen wollten. Ein großes Gefäß, das sie dort „cupa” heißen und das etwa 20 Maß fasste, stand mit Bier gefüllt in ihrer Mitte. |
Ad quem vir Dei accessit sciscitaturque, quid de illo fieri vellint. | Der Mann Gottes trat zu ihnen und erkundigte sich, was sie damit machen wollten. |
Illi aiunt se Deo suo Vodano nomine, quem Mercurium, ut alii aiunt autumant velle litare. | Sie ließen ihn wissen, dass sie ihrem Gott opfern wollten, den sie Wodan, andere aber Merkur nannten. |
Ille pestiferum opus audiens vas insufflat, miroque modo vas cum fragore dissolvitur et per frustra dividitur, visque rapida cum ligore cervisae prorumpit; | Als er von ihrem schändlichen Tun hörte, blies er das Gefäß an, und – wie wunderbar! – das Gefäß löste sich aus seiner Halterung mit lautem Krach, sprang in Stücke und im Nu lief das Bier heraus. |
manifesteque datur intellegi diabolum in eo vase fuisse occultatum, qui per profanum ligorem caperet annimas sacrificantum. | Ganz klar ergab sich da, dass der Teufel im Gefäß verborgen war, der duch das irdische Getränk die Seelen verführen wollte. |
Videntes barbari, stupefacti aiunt magnum virum Dei habere anhelitum, qui sic possit dissolvere vas ligaminibus munitum; | Die Heiden sahen es und meinten verwundert, der Mann Gottes müsse einen starken Atem haben, weil er das Gefäß so aus seiner Halterung lösen konnte. |
castigatusque euangelicis dictis; ut ab his segregarentur sacrificiis, domibus redire imperat. | Mit den Worten des Evangeliums schärfte er ihnen ein, sie sollten von solchen Opfern abstehen, und dann befahl er ihnen, nach Hause zu gehen. |
Multique eorum tunc per beati viri suasum vel doctrinam ad Christi fidem conversi, baptismum sunt consecuti; | Durch Wort und Unterweisung des seligen Kolumban bekehrten sich viele von ihnen zum christlichen Glauben und wurden getauft. |
aliosque, quos iam lavacro ablutus error detinebat profanus, ad cultum euangelicae doctrinae monitis suis ut bonus pastor ecclesiae sinibus reducebat. | Andere, die zwar schon getauft, aber noch im Heidentum verblieben waren, führte er durch seine Ermahnung zur evangelischen Lehre und als guter Hirt in den Schoß der Kirche zurück. |
Wir sehen also, dass von einem Tanz bei diesem verhinderten Kultfest nicht im Geringsten die Rede sein kann. Im besten Fall erinnert die geschilderte Zusammenkunft in Bregenz an die Schlussszene des Wilde Mändles-Tanzes. Über Bekleidung, Holzbecher und sonstiges Verhalten der Kultteilnehmer erfahren wir aus der Vita Columbani allerdings auch nicht das Geringste.
Dazu kommt noch etwas, was überhaupt an der Geschichtlichkeit der Szene zweifeln lässt, sie eher als ein Urbild des Wirkens der Gottesmänner bei ihrer Mission im frühen Mittelalter erscheinen lässt. Der Übersetzer Karl Suso Frank gibt nämlich in seiner Anmerkung 130 an: Jonas erzählt in seiner Vita Vedasti 7 das nahezu gleiche Wunder von Bischof Vedastus [von Arras]. Darauf hat schon der Herausgeber Bruno Krusch 1896 (auf lateinisch) hingewiesen: „Miraculum persimile S. Vedasti idem auctor attribuit”. Der Hauptunterschied: Vedastus bringt durch ein Kreuzzeichen das Biergefäß zum Platzen.
Die Antwort auf die Titelfrage kann demnach nur lauten: Der hl. Kolumban hat nichts mit dem Wilde Mändels-Tanz zu tun.