Im Jahre 1427 lebten im Allgäu, im Tannheimer Tal und um Oberstdorf, mindestens 86 tirolische Familien! Merkwürdigerweise hat die Allgäuer Geschichtsforschung von der Quelle, die diese Tatsache überliefert, bisher keine Kenntnis genommen. Die Tiroler Forschung hat sie dagegen vielseitig ausgewertet. Für die politische Geschichte 0. Stolz, für die Familiennamenkunde K. Finsterwalder, zuletzt auch für die Bevölkerungsgeschichte H. Schedle. Schedle nimmt an, daß alle diese Familien aus dem tirolischen Lechtal ins Allgäu eingewandert seien und schließt dementsprechend auf einen starken Bevölkerungsüberschuß im Lechgebiet.
Er glaubt in diesem Zusammenhang feststellen zu dürfen: „Jedenfalls: die Lechtaler waren unternehmungslustiger als die Allgäuer im Hinterlande von Oberstdorf, bei ungleich günstigeren Vorbedingungen: 80 Familien waren es bis zum Jahre 1427, die aus dem Gericht Ernberg kommend, in der Fremde eine neue Heimat gefunden hatten.” Die ganze Pfarrei Breitenwang umfaßte damals nur 86 Familien, die Pfarre Bichlbach gar nur 71! Wie nehmen sich solche Schlußfolgerungen von der Allgäuer Seite her aus?
Wir sehen, nachdem dieses Verzeichnis fürs Allgäu neu entdeckt wurde, unsere Aufgabe zunächst darin, seinen Inhalt, soweit er das Allgäu betrifft, der Allgäuer Geschichtsforschung zugänglich zu machen. Weiter soll gezeigt werden, daß die im Feuerstättenverzeichnis unter „Oberstorff angegebenen Familien damals tatsächlich in und um Oberstdorf gewohnt haben - für das Tannheimer Tal besteht an der Sachlage ja kein Zweifel. Außerdem wollen wir darlegen, daß die Bewohner des Traufbergs, einer ehemaligen Dauersiedlung in der Gemeinde Oberstdorf, nicht in den oben genannten 80 Familien enthalten, sondern als Mitglieder des Oberlechtales mitten unter den dortigen Bewohnern aufgeführt sind. Endlich wird eine Antwort auf die Frage versucht: Wie kamen diese österreichischen „Eigenleute” ins Tannheimer Tal und in die Umgebung Oberstdorfs?
Die Allgäuer im Tiroler Feuerstättenverzeichnis von 1427 Handschrift 12 im Innsbrucker Landesarchiv (Tiroler Landesarchiv)
Oberstorff
(1) Peterli, sein weib und kind: Peter, Cristan, Eis, Anna, Greth
(2) Michels weib und ire kind: Waltpurg, Henni, Haintz
(3) Conraten Mosli weib und kind: Anna, Hennsl, Barbera, Counratt, Eis
(4) Wilder Haintz und sein weib
(5) Haintz Gesterbar und sein weib
(6) Hanns Gerstaber, sein weib und kind: Eis, Anna
(7) Michel Gerstaber und seine kind: Michel, Hennsl
(8) Hannßen Spekchlins weib und ire kind: Eis, Anna, Hennsl, Peter, Oßwalt, Greth
(9) (Haintz Naters weib Eis), gestrichen
(10) Conrat Fries, sein weib und sein (wa), gestrichen- swester
(11) Haintz Peterli, sein weib und kind: Hanns, Conrat, Ulrich, Anna, Greth
(12) Hanns Peterli, sein weib und kind: Hennsl, Peter, Conrat, Jost, Haintz, Anna, Berchtold
(13) Klaws Etschmann und sein weib
(14) Hanns Swegerli und seine kind: Greth, Jacob
(15) Conrat Swegerli und seine kind: Hennsl, Kuntz
(16) Greth Switzlin und ir kind: Anna
(17) Anna Swegerlins tochter
(18) Nes Oswalts weib und ire kind: Aelli, Ursl, Conrat, Hennsl, Haintz
(19) Hanns Teintz und sein weib und kind: Conrat, Eis, Andres, Hennsl und noch zwi
(20) RufTPrakch und seine kind: Michl, Hennsl, Ruff
(21) Haintz Prakch und seine kind: Hennsl, Michl, Conrat, Eis, Hennsl, Pientzli
(22) Pientz Saemler und sein prueder Hennsl, Kuntz, Ursl und ir mueter
(23) Conrat Rormuser, sein kind (Ruf, Hennsl), gestrichen- Greth, Eis und Elsen ledigs kind Peter
(24) Ruffen Hanns und seine kind: Greth, Hanns
(25) Haintz Swentz und seine kind: Hennsl, Eis
(26) Metzen Haintz weib und ire kind (und ire kind), doppelt
(27) Kuntz Schedler und seine kind und zwai kind
(28) des Schedler swester Greth und 3 kind
(29) ir swester Anna und 1 kind
(30) aber ir swester Barbera
(31) Eis Kramerin und ire kind: Hanns, Anna
Lechtal
(Es wird nicht ausdrücklich zwischen Unterem und Oberem Lechtal unterschieden, doch die Liste für das Lechtal ist in zwei Gruppen unterteilt, was auf eine Teilung zwischen Oberem und Unterem Lechtal schließen läßt. Die folgenden Namen finden sich in der zweiten Gruppe. Die Zahl der darin aufgeführten Eigenleute entspricht in etwa der angegebenen Zahl der Feuerstätten für das Obere Lechtal (165). In dieser Gruppe sind also die Bewohner des Oberen Lechtals aufgeführt.)
(32) Kristan Perman, sein weib und kind: Hennsl
(33) Pertsch Kraenwitter, sein weib und kind: Hennsl
(34) Hanns Hindenlankch, sein weib und kind: Oßwalt, Hennsl, Peter, Haintz, Kristen
(35) Kuntz Hindenlankch, sein weib und kind: Hennsl, Haintz, Peter, Conrat, Elli, Anna
(36) Haintz Hindenlankg, sein weib und kind: Haintz, Hennsl, Berchtold, Dorothe, Elli, Anna und noch zway
(37) Jekl Scheyber, sein weib und kind: Hennsl
(38) Hennsl (Feger), gestrichen Perfeger, sein weib (und kind), gestrichen
(39) Küntz Los, sein weib
(40) Haintz Saeld, sein weib und kind: Barbera
(41) Kathrein Hertzlerin und ire kind: Klaus, Oßwalt
Die Zahl der Feuerstätten wird am Anfang dieses Verzeichnisses für Oberstdorf und Tannheim zusammen pauschal mit 59 angegeben. Wörtlich: „Im Malgäe zu Oberdorff und zu Tanhaim 59.” Vergleicht man diese Zahl mit der Zahl der angegebenen Familien (ohne Traufberger Familien: 80), so bedeutet dies, daß auf eine Feuerstätte rechnerisch 1,3 Familien trafen. Errechnet man dieses Zahlenverhältnis für das Lechtal, so treffen nur 1,1 Familien auf 1 Feuerstätte. Man kann daraus schließen, daß der Oberallgäuer Raum wesentlich dichter besiedelt war als das Lechtal und damit auch expansionskräftiger war, was bei den folgenden Ausführungen beachtet werden sollte.
Nachweis der Oberstdorfer Personennamen in anderen Quellen
Anmerkungen zu 1, 11, 12:
Anm. zu 3:
Anm. zu 4:
Anm. zu 5,7:
Anm. zu 8:
Anm. zu 9:
Anm. zu 10:
Anm. zu 11 und 12: siehe Anm. 1
Anm. zu 13:
Anm. zu 14,15,17:
Anm. zu 16:
Anmerkung 17
Anm. zu 18:
Anm. zu 19:
Anm. zu 20, 21:
Brack ist einer der meistvertretenen Familiennamen Oberstdorfs im 15. - 17. Jh.
Anm. zu 22:
Anm. zu 23:
Anm. zu 24:
Anm. zu 25:
Anm. zu 27-30:
Anm. zu 31:
Teil Oberlechtal:
Anm. zu 32:
Anm. zu 33:
Anm. zu 37:
Anm. zu 41:
Anm. zu 38-40:
(Fortsetzung folgt)
Dieser Beitrag erschien erstmals im " Allgäuer Geschichtsfreund" (Kempten 1978). Er ist hier gekürzt wiedergegeben. Die Kürzung besorgte Dr. Thaddäus Steiner.