Lexar Hüs – ehemals Hs. Nr. 53 - Das Gebäude Oststraße 25 in Oberstdorf Baubestand und Baugeschichte (Teil 3)

von Stefan Uhl am 01.06.2012

Der Wirtschaftsteil

Der nördliche Bereich

Der nördliche Teil des Wirtschaftsteiles befindet sich unter demselben Dach wie der Wohnteil und stellt quasi dessen westseitige Verlängerung dar. Unter ihm liegt westseitig ein kleiner Gewölbekeller mit leicht verzogen-rechteckigem Grundriss, dessen Umriss nur grob Bezug auf den Grundriss der aufgehenden Bauteile nimmt. Die Wandungen des Kellers sind in kleinformatigem Wacken- und Bruchsteinmauerwerk aufgeführt. Überdeckt wird der Raum von einem stichbogigen Tonnengewölbe, das aus teils großformatigen Bruchsteinen gemauert ist und an der Unterseite breite Schalbretterabdrücke zeigt. Kellerwandungen und Einwölbungen vermitteln einen homogenen Eindruck und scheinen in einem Zuge entstanden zu sein. Der Kellerzugang liegt an der südlichen Stirnseite. Hier befindet sich eine teils mit Backstein abgemauerte Nische, in der eine Türöffnung mit gefalztem Blockrahmen und Brettertür mit Gratleisten des ausgehenden 19. Jahrhunderts steht. Sie ist über einen Treppenabgang aus dem Erdgeschoss herab erschlossen, der von in sehr kleinformatigen Wacken gemauerten Wandungen eingefasst wird.

Das Alter des Kellerraumes lässt sich an der vorhandenen Baukonstruktion nicht genauer ablesen. Der Umstand, dass die Wandfluchten des Kellerraumes nicht mit jenen des aufgehenden Baubestandes korrespondieren, lässt vermuten, dass der Keller schon angelegt wurde, bevor die aufgehenden Teile des Wirtschaftsbaues in ihrer heutigen Form aufgeschlagen wurden. Damit könnte er noch zum ursprünglichen Bestand des Gebäudes oder zu einer frühen Veränderungsphase gehören.

Der aufgehende Bestand des nördlichen Bereiches des Wirtschaftsteiles besteht vom Boden bis zur Traufe hinauf aus einem geschossübergreifend abgezimmerten Fachwerkgerüst. Dieses besitzt vom Boden bis zur Traufhöhe durchlaufende Bundständer, einzelne Geschossriegel innerhalb der Wandscheiben sowie zuoberst verlaufende doppelte Traufrähme. Die Aussteifung erfolgt zum einen über dünne, mit Ständern und Rähmen verblattete Kopfbänder, zum anderen über wandhohe, starke Streben, die mit den Rähmen verzapft sind. Zwischenböden sind auf unterschiedlichen Höhen und in unterschiedlichem Umfang eingelegt, so dass im Osten ein schmaler, flurartiger Bereich entsteht, während der Restbereich großzügig zu Lagerböden unterteilt ist. An der Ostseite schließt die Fachwerkkonstruktion stumpf an jene des Wohnteiles an. Allem Anschein nach handelt es sich um eine Fachwerkkonstruktion, die zwar im Kern aus ähnlich alten Bauhölzern wie der Wohnteil besteht, in der heutigen Form jedoch neu und unabhängig vom Wohnteil aufgeschlagen und mit zusätzlichen neuen Balken und Streben ausgesteift wurde.

Leider konnte für den Kernbestand des Fachwerkgerüstes des Wirtschaftsteiles kein dendrochronologisches Datum ermittelt werden, so dass dessen Zeitstellung vorerst ungewiss bleibt. Aus gefügekundlicher Sicht wäre für den Kernbestand eine Zeitstellung vom 16. bis zum 18. Jahrhundert denkbar. Da sich die dem Kernbestand des Wirtschaftsteiles entnommenen Bohrproben, im Gegensatz zu jenen des Wohnteiles, nicht auswerten und auch nicht mit jenen des Wohnteiles synchronisieren ließen, ist es momentan aus dendrochronologischer Sicht nicht weiter wahrscheinlich zu machen, dass die Bauhölzer der beiden Konstruktionen gleich alt sind, während andererseits die konstruktiven Übereinstimmungen an Ständergerüst, ursprünglicher Aussteifung und Dachwerkausbildung eine Gleichzeitigkeit möglich erscheinen lassen. Damit ist momentan nicht sicher zu entscheiden, ob es sich beim Kernbestand des Wirtschafsteiles um die Substanz einer vom Bestand des Ursprungsbaues unabhängigen nachträglichen Reparaturmaßnahme handelt, oder ob diese Erneuerung des Wirtschaftsteiles unter Zweitverwendung der ursprünglichen Bauhölzer erfolgte.

Die nördliche Außenwand des Wirtschaftsteiles ist außen mit einer Deckelschalung verkleidet. Ihre Fachwerkkonstruktion stößt im Osten stumpf an die Konstruktion des Wohnteiles an, und zudem weicht die Wandscheibe deutlich aus der Flucht der Nordwand des Wohnteiles nach innen zurück. Auch das doppelte Wandrähm schließt stumpf, leicht überlappend, an das doppelte Rähm der Traufwand des Wohnteiles an. Der Aussteifung dienen in Traufnähe befindliche, verblattete Kopfbänder aus der Zeit des Ursprungsbestandes sowie lange, starke Streben aus der Zeit des Wiederaufbaues.

Die westliche Außenwand steht mit der Nordwand in schlüssigem Verband. Auch hier besteht die Aussteifung aus verblatteten Kopfbändern des Ursprungsbestandes und einer wandhohen, starken, nachträglichen Strebe. Die südliche Längswand stößt im Osten wiederum stumpf an den Wohnteil an. Der Aussteifung dienen hier nur verblattete Kopfbänder des Ursprungsbestandes. Außer im Erdgeschossbereich weist diese Wandachse keine Riegel auf, die eine einstige Wandbildung belegen würden.

Im Erdgeschossbereich des Wirtschaftsteiles sind im westlichen Abschnitt der Südwand und in der gesamten Querachse Bretterwände vorhanden. Im Querbund befinden sich unter einem durchgehenden Brustriegel waagerechte Verbretterungen, die nur im Bereich einer mittigen Türöffnung ausgesetzt sind. Oberhalb des Riegels befindet sich im nördlichen Bereich eine Füllung aus stehenden Brettern, während der südliche Wandteil oberhalb des Riegels offen ist. Zwei einzelne Stiele mit Holznagellöchern weisen jedoch darauf hin, dass auch hier einst eine – vielleicht nachträgliche – waagerechte Verbretterung vorhanden war. Der Treppenabgang zum Keller ist mit einem eigenen Bretterkasten umschlossen, der gegen Osten mit einer Brettertür mit profilierten Langbändern abgeschlossen ist. Die Bretterwand im westlichen Abschnitt der Südwand reicht nur bis zu einem Brustriegel empor und lässt ebenfalls eine schmale Druchgangsöffnung frei. Ihre Bretter sind mit kräftigen Holznägeln auf dem Riegel befestigt. Ein Zapfenloch an der Ostseite des Mittelständers der Südwand zeigt, dass deren Verriegelung sich (zumindest im Urzustand) einst weiter nach Osten fortsetzte und somit zumindest im Erdgeschoss eine geschlossene Wandscheibe (zumindest unterhalb des Riegels) vorhanden gewesen sein wird.

Die westliche Zone des Innenraumes des Erdgeschosses des Wirtschaftsteiles wird von einer Zwischendecke überdeckt, deren längslaufende Balken auf Geschossriegeln in der westlichen Außenwand sowie im inneren Querbund aufliegen. Die schmälere östliche Zone wird hingegen über die ganze Länge von einem Zwischenboden überdeckt, dessen Gebälk auf demselben Geschossriegel des Querbundes aufliegt, während es an der Ostseite in der Blockwand des Wohnteiles verankert ist. Die Decke liegt deutlich höher als die Erdgeschossdecke des Wohnteiles, so dass aus der schmalen östlichen Zone heraus der Zugang zur Türöffnung im ersten Obergeschoss des Wohnteiles möglich ist.

Im Bereich des ersten Obergeschosses ist im inneren Querbund eine Wandachse ausgebildet. Im südlichen Wandfeld treffen wir auf einen Geschossriegel und einen mittigen Wandriegel sowie eine waagerechte Verbretterung. Im nördlichen Wandfeld hingegen treffen wir auf einen nachträglich eingeblatteten Geschossriegel und einen nachträglich über eine Schleifnut eingezapften Mittelriegel, hingegen fehlt eine Wandfüllung. Eine Decke ist über dem ersten Obergeschoss nicht vorhanden. Lediglich über der schmaleren östlichen Zone sind einzelne Balken gelegt, die sich im Westen wieder auf den Geschossriegel des Mittelbundes stützen, während sie im Osten in der Blockbohlenwand des Wohnteiles verankert sind. Im zweiten Obergeschoss des Wirtschaftsteiles sind keine Innenwände vorhanden und auch eine Decke zum Dachraum ist nicht ausgebildet.

Das Dachwerk über dem Wirtschaftsteil zeigt ein Pfettendach mit einem doppelten, stehenden Stuhl wie über dem Wohnteil. Die Pfetten der beiden nahe beieinanderliegenden Stühle sind verdoppelt und durch eingekämmte Querbalken miteinander verbunden. Der Längsaussteifung dienen dünne verblattete Kopfbänder, während die Queraussteifung nur über zwei Steigbänder an der westlichen Giebelscheibe erfolgt. Die Sparren waren an den Firstpunkten mit leicht angeschrägten Enden nebeneinandergelegt. Ein Großteil des Gespärres ist bei einer jüngeren Reparatur erneuert worden, so dass sich heute auf dem Dach nur noch wenige alte Sparren befinden. Im Osten stößt die Dachkonstruktion des Wirtschafsteiles stumpf an jene des Wohnteiles an. In konstruktiver Hinsicht ist sie mit der Dachkonstruktion über dem Wohnteil praktisch identisch. Demnach könnte es sich bei ihr wie beim Traggerüst der darunterliegenden Teile des Wirtschaftsteiles um eine jüngere Erneuerung, aber auch um eine Wiederherstellung der ursprünglichen, mit dem Wohnteil gleich alten Dachkonstruktion handeln.

Lexar Hüs - Heft 60

Kellerraum unter dem Wirtschaftsteil.

Blick nach Süden auf die Zugangstür.

Wandungen und Gewölbe sind in Bruchstein gemauert. Vermutlich geht der Kellerraum ebenfalls noch auf die Entstehungszeit des Gebäudes im 16. Jahrhundert zurück.

Lexar Hüs - Heft 60

Blick durch den nordwestlichen Bereich des Erdgeschosses des Wirtschaftsteiles nach Norden.

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Erdgeschoss des südseitigen Anbaues am Wirtschaftsteil.

Blick durch den Innenraum nach Südwesten.

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Erstes Obergeschoss des östlichen Bereiches des Wirtschaftsteiles.

Blick durch den Innenraum nach Norden.

Rechts die auf eine nachträgliche, aber frühe Veränderung zurückgehende Blockwand des Wohnteiles.

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Obergeschossbereich des westlichen Teiles des Wirtschaftsteiles.

Blick nach Norden mit geschossübergreifend abgezimmerter Fachwerkkonstruktion und zuoberst dem Ansatz des Dachwerkes

Lexar Hüs - Heft 60

Obergeschossbereich des westlichen Teiles des Wirtschaftsteiles.

Blick entlang des inneren Querbundes nach Norden.

Darüber gut erkennbar die Dachkonstruktion, die bei einer Reparaturmaßnahme im 18. oder 19. Jahrhundert, unter Verwendung der Originalteile, wiederhergestellt wurde.

Der südseitige Vorbau des Wirtschaftsteiles zeigt eine geschossübergreifend abgezimmerte Fachwerkkonstruktion, die stumpf an jene des nördlichen Teiles angesetzt ist. Ihre Westseite ist umfangreich modern erneuert. Die Südwand zeigt ein geschossübergreifend abgezimmertes Fachwerk, dessen Ständer mit dem Traufrähm über verblattete dünne Kopfbänder ausgesteift sind, während zusätzlich noch eine Aussteifung über wandhohe Streben vorhanden ist. Auch hier ist zu vermuten, dass hier eine ältere Holzkonstruktion zweitverwendet und durch Streben verstärkt wurde. Darauf weist auch der Umstand hin, dass sich an der Außenseite des Rähms eine zusammenhanglose Blattsasse befindet, die auf eine Vorverwendung hinweist. Der weite Sparrenüberstand an der Südseite wird durch eine vorgelegte Ständerstellung gestützt, die ebenfalls über wandhohe Streben ausgesteift ist. Die Ostseite des Vorbaues öffnet sich im Erdgeschossbereich in einem großen, zweiteiligen Tor und einer kleinen Türöffnung, die beide über Wendebohlen angeschlagen sind. Im ersten Obergeschoss befindet sich eine größere Ladeluke, ansonsten ist die Wandfläche duch eine Verbretterung geschlossen.

Die Dachkonstruktion des Vorbaues zeigt ein vom Hauptdach her abgeschlepptes Pultdach. Die Sparren sind im Norden auf dem Traufrähm des Hauptbaukörpers aufgelegt und laufen zunächst als kurze Balkenstücke nur bis etwa zum nördlichen Drittelspunkt des Anbaues nach Süden. Hier sind sie auf einer alten Längspfette aufgelegt, die außenseitig modern durch einen zweiten Balken verstärkt ist. Die meisten der von Norden herablaufenden Sparren sind knapp südlich der Pfette gekappt. Einer der Sparren steht etwas weiter vor und zeigt ein profiliertes Kopfende, so dass es denkbar ist, dass der Anbau zunächst in dieser Achse endete und erst später nach Süden hin verlängert wurde. Das südlich anschließende Gespärre besteht aus Reparatursparren des 19./20. Jh., die auf die verdoppelte Pfette und die südliche Außenwand aufgelegt worden sind. Dies dürfte im Zusammenhang mit der Verdoppelung der Pfette geschehen sein, wobei auch das Dach nach Osten hin verlängert wurde. Der Innenraum des Anbaues wird über dem Erdgeschoss von einer auf nur zwei starken Balken ruhende Geschossdecke überdeckt.

Die dendrochronologische Datierung

Zur genaueren zeitlichen Einordnung der ältesten Bauphasen des Gebäudes wurden den zugehörigen Konstruktionsteilen mehrere Bohrproben zur dendrochornologischen Auswertung entnommen (Probenentnahme S. Uhl. Auswertung Jahrring J. Hofmann, Nürtingen).

Probe 1:
2. Obergeschoss, Wohnteil, Mittelständer in der östlichen Außenwand.
Fichte, Waldkante. Fällung Winter 1536/37.

Probe 2:
2. Obergeschoss, Wohnteil, nordöstlicher Eckraum, Rähm der Spundwand.
Fichte, Waldkante. Nicht datiert.

Probe 3:
2. Obergeschoss, Wohnteil, Mittelständer des Querbundes.
Fichte, Waldkante. Fällung Winter 1537/38.

Probe 4:
2. Obergeschoss, Wohnteil, unterer Balken des inneren Längsunterzuges.
Fichte, Waldkante. Fällung Sommer 1537 (mit Vorbehalt).

Probe 5:
1. Obergeschoss, Wohnteil, südwestlicher Eckständer.
Fichte, Waldkante. Fällung Winter 1537/38.

Probe 6:
1. Obergeschoss, Wirtschaftsteil, Mittelständer der Südwand.
Fichte, Waldkante. Nicht datiert.

Probe 7:
1. Obergeschoss, Wirtschaftsteil, Mittelständer der Nordwand.
Fichte, Waldkante. Nicht datiert.

Probe 8:
1. Obergeschoss, Wohnteil, unterer (nachträglicher) Teil des nordöstlichen Eckständers.
Fichte, Waldkante. Nicht datiert.

Die dem ursprünglichen Baubestand entnommenen Proben 1, 3, 4 und 5 ergeben übereinstimmend Fälldaten von Winter 1536/37 bis Winter 1537/38. Da Bauholz im historischen Bauwesen nach Möglichkeit saftfrisch verzimmert wurde und an den beprobten Hölzern keine Hinweise auf eine längere Lagerung oder eine Zweitverwendung des Bauholzes zu erkennen sind, ist mit einiger Wahrscheinlichkeit von einem Abbund der untersuchten Holzkonstruktion noch im Jahr 1538, allenfalls unmittelbar danach, auszugehen. Damit stammt der Kernbestand des Wohnteiles des Gebäudes Oststraße 25 aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.

Die restlichen Proben, insbesondere jene aus der ältesten Konstruktion des Wirtschaftsteiles, konnten nicht datiert werden. Damit lässt sich die Zeitstellung der wesentlichen Holzelemente des Wirtschaftsteiles nicht genauer klären, so dass die Frage offen bleibt, ob sie vom ursprünglichen Bau stammen und bei einer Erneuerung des Wirtschaftsteiles zweitverwendet wurden oder ob sie mit dem ursprünglichen Bau gar nichts zu tun haben und grundsätzlich auf die spätere Erneuerung des Wirtschaftsteiles zurückgehen.

Die Baugeschichte im Überblick

Die vorhandene historische Bausubstanz, die an ihr vorhandenen Baubefunde und die Ergebnisse der dendrochronologischen Datierung gestatten es, die wechselvolle Baugeschichte des Gebäudes über weite Strecken relativ detailliert nachzuzeichnen.

Phase I: 1537/38

Wie die bauhistorische Untersuchung und die dendrochronologische Datierung ergeben haben, stammen die ältesten Reste des Gebäudes Oststraße 25 in Oberstdorf aus der Zeit um das Jahr 1537/38 (d). Im Bereich des Wohnteiles scheint sich im Erdgeschoss allenfalls noch der östliche Teil der Deckenbalkenlage aus der Ursprungszeit erhalten zu haben. Für den Ursprungszustand dürfen wir wahrscheinlich von hölzernen Außenwänden ausgehen, die heute jedoch gänzlich abgängig sind. Zur ursprünglichen Innengliederung des Erdgeschosses liegen keine Hinweise vor. Im ersten Obergeschoss des Wohnteiles entstammen der Ursprungszeit die geschossübergreifende Ständerkonstruktion der Westseite des Wohnteiles sowie größere Partien von Blockbauwänden an der östlichen Außenwand, an Nord- und Westwand der Stube und möglicherweise auch in der südlichen Außenwand. Für den damaligen Zustand dürfen wir eine große Stube in der Südostecke, eine nordseitig daran anschließende Kammer und westseitig vielleicht eine die ganze Hausbreite durchziehende Flurküche annehmen. Das zweite Obergeschoss des Wohnteiles war im Unterschied dazu zur Gänze als Fachwerkkonstruktion mit Spundwänden abgezimmert. In der Südostecke des hier sehr umfangreich erhaltenen bauzeitlichen Bestandes war durch Spund- und Bretterwände eine geräumige Kammer abgetrennt. Hinweise auf weitere feste Unterteilungen liegen nicht vor.

Noch fast vollständig erhalten hat sich das bauzeitliche Dachwerk über dem Wohnteil, dessen Pfetten im Osten weit vorkragten. Auch nach Westen hin liefen sie über den Wohnteil hinaus, so dass sicher belegt ist, dass sich die ursprüngliche Hauskonstruktion einst nach Westen weiter fortsetzte.

Im Wirtschaftsteil haben sich Reste eines dreigeschossigen Fachwerkgerüstes mit kopfzoniger Aussteifung und große Teile einer Dachkonstruktion erhalten, die den Resten des ursprünglichen Ständergerüstes an der Westseite des Wohnteiles und dem dortigen Dachwerk entsprechen und möglicherweise aus zweitverwendetem Material des ursprünglichen Baues bestehen. Fehlende Hinweise auf bauzeitliche Trennwände und Decken, Fenster und Türen im Wirtschaftsteil machen es wahrscheinlich, dass es sich bei ihm von Anfang an um einen Wirtschaftsteil handelt. Im Hinblick auf die Gesamtsituation ist es wahrscheinlich, dass seine ursprüngliche Konstruktion in den Fluchten der nördlichen und der südlichen Traufwand des Wohnteiles an diesen anschloss, über etwa rechtwinkligem Grundriss aufgeschlagen war und etwas weiter nach Westen reichte als heute. Damit dürfte auch der unter der Nordwestecke des Wirtschaftsteiles gelegene Gewölbekeller noch dem ursprünglichen Bestand zuzurechnen sein, denn seine Wände sind nicht auf die heutigen Wandfluchten des Oberbaues, sondern auf die vermuteten ursprünglichen Außenfluchten bezogen.

Damit haben wir es beim Ursprungsbau vermutlich mit einem großen dreigeschossigen Wohn- und Wirtschaftsteil umfassenden Gebäude zu tun, dessen Traggerüst im wesentlichen als Fachwerkgerüst abgezimmert war, jedoch an der Ostseite einen in Blockbau errichteten Einschuss mit Stuben- und Küchenbereich und evtl. auch Stall besaß.

Phase II: 18./1. Hälfte 19. Jh.

Umfangreiche, jeweils im Einzelnen bislang nicht genau zu datierende Veränderungen am Gebäude lassen sich dann der Zeit vom 18. bis in das 19. Jahrhundert zuweisen. Sie fallen in eine Zeit, als sich das Gebäude schon stark nach Norden geneigt und auch auf der Nordseite gesetzt hatte.

Wohl als eine der frühesten dieser Veränderungen wurden im Wohnteil die Außenmauern und die Innenwände des Erdgeschosses sukzessive in Mauerwerk ersetzt und der Herdstandort des ersten Obergeschosses untermauert. Im ersten Obergeschoss wurde die Westwand durch das Einziehen einer Blockwerkwand erneuert. Im benachbarten Küchenflur wurden Küchenraum und Eingangsflur durch eine Blockwand voneinander getrennt und der Küchenraum durch eine neue Blockwand gegen die Kammer in der Nordostecke abgetrennt. Ebenfalls nachträglich entstand auch der große Rauchfang in der Südostecke der Küche, und wohl erst im 19. Jahrhundert der Lehmofen in der Stube. Im zweiten Obergeschoss wurde gleichfalls die Westwand durch den Einbau einer Blockbohlenfüllung erneuert. Die Decken der beiden Obergeschosse wurden wieder etwa waagerecht gelegt, ansonsten kam es im zweiten Obergeschoss des Wohnteiles offensichtlich nur zu geringen Veränderungen, während das Dachwerk des Wohnteiles weitgehend von Änderungen verschont blieb.

Umfangreiche Umbauten können wir auch im Wirtschaftsbereich feststellen. Hier könnte die ursprüngliche Konstruktion zu einem uns nicht genauer bekannten Zeitpunkt abgebrochen worden oder eingestürzt sein und anschließend unter weitgehender Wiederverwendung der alten Konstruktionshölzer und unter Einbau neuer Streben wieder aufgerichtet worden sein. Das neue Traggerüst des Wirtschaftsteiles war dabei etwas kürzer und schmäler, vor allem schiefwinkliger als das alte Gerüst und wurde stumpf an den Restbestand des Wohnteiles angeschlossen. Später erhielt der Wirtschaftsteil zunächst einen schmalen südlichen Vorbau, der dann nochmals später weit nach Süden hin erweitert wurde.

Phase III: 19./Anfang 20. Jh.

Weitere umfangreiche Veränderungen können wir dem schon weiter fortgeschrittenen 19. und dem frühen 20. Jahrhundert zuweisen. Im Wohnteil gehören jener Zeit die Futterstände im Erdgeschoss an, die Erneuerung der Nordwand des ersten Obergeschosses als Blockwand, vielleicht jetzt erst die Entstehung des Lehmofens in der Stube sowie im Dachwerk Veränderungen am Gespärre. Im Wirtschaftsteil kam es in jener Zeit zu verschiedenen kleineren Änderungen, u. a. zuletzt zu einer umfangreichen Erneuerung des Gespärres.

Phase IV: 20. Jh.

Dem 20. Jahrhundert schließlich lässt sich eine ganze Reihe von Veränderungen zuweisen. So wurden im Wohnteil im ersten Obergeschoss die meisten Innenwände mit einfachen Nut/Feder-Schalungen verkleidet, Decken gebrettert oder abgehobelt, Türen und Fenster erneuert und einzelne leichte Trennwände eingestellt, womit ein Großteil der historischen Ausstattung des Gebäudes verloren ging. Im zweiten Obergeschoss wurden Türen und Fenster umfangreich erneuert, es wurde jedoch im wesentlichen nicht umfangreich in die historische Substanz eingegriffen. Im Wirtschaftsbereich kam es zu einzelnen Reparaturen und Veränderungen, insbesondere im südlichen Teil der Westseite.

Seit den 1950/60er Jahren hat das Gebäude keine größeren Veränderungen mehr erfahren. Diesem Umstand ist es letztendlich zu verdanken, dass es trotz seiner wechselvollen Baugeschichte einen Großteil seiner historischen Substanz bewahrt hat. Damit stellt es auch heute noch, über 470 Jahre nach seiner Errichtung, ein wichtiges und überraschend frühes Beispiel des ländlichen Hausbaues in Oberstdorf und den benachbarten Regionen des Allgäus dar.

Baualterspläne

Die in den Baualtersplänen verwendeten Farben bedeuten:

dunkelgrünPhase I1537/38 (d)
hellgrünPhase II18.-1. Hälfte 19. Jh.,
hier: wiederverwendete Teile verm. von 1537/38 (d)
rotPhase II18.-1. Hälfte 19. Jh.,
hier: Neuteile
braunPhase III19./Anfang 20. Jh.
gelbPhase IV20. Jh.
Lexar Hüs - Heft 60

Baualtersplan;

Grundriss Kellergeschoss

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Baualtersplan;

Grundriss Erdgeschoss

Lexar Hüs - Heft 60

Baualtersplan;

Grundriss 1. Obergeschoss

Lexar Hüs - Heft 60

Baualtersplan;

Grundriss 2. Obergeschoss

Lexar Hüs - Heft 60

Baualtersplan;

Grundriss Dachgeschoss

Lexar Hüs - Heft 60

Baualtersplan;

Querschnitt Mitte

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Baualtersplan;

Querschnitt Ost

Lexar Hüs - Heft 60

Baualtersplan;

Längsschnitt

Abbildungsnachweis:
Pläne: Aufmaß S. Uhl, B. Willburger, Th. Weithmann, 2008.
Photos: S. Uhl 2008

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