Unter dem Vorwand der Austragung von Käse besucht Simon der Senn Mathild, um seine „Feel”, das Gretele zu sehen.
„Alls bloas weags de Hearelit” oder „weags de Theatrlit”? – was überlegte sich wohl Eugen Thomma, als er wieder daran ging ein neues Stück zu schre ben?
Die Geschichte rund um Oberstdorf kennen nur wenige so gut wie er. Er versetzte sich gedanklich in die Jahre nach 1872, als weitblickende Männer in Oberstdorf den Verschönerungsverein gründeten. Stillschweigend fing er wieder an ein Stück Heimatgeschichte zu beschreiben. Diesmal waren der Bau des „Gesellschaftshauses” am Lindenacker und die Anlage der „Moorwasserbadeanstalt” im Rauhen in den Jahren 1882/83 Mittelpunkt des Geschehens.
Im Dezember 2010 war das Stück fertig und wir hätten es im Frühjahr 2011 aufführen können. Doch, nach verschiedenen Überlegungen, entschloss man sich den Drei-Jahres-Rhythmus einzuhalten und erst wieder im Mai 2012 zu spielen.
Es fasziniert immer wieder, wie Eugen sein Wissen, gewürzt mit feinsinnigem Humor, zu Papier bringt. Schon beim Schreiben einer Rolle stellt er sich die dazu passende Person mit deren Aktion auf der Bühne vor. Eine besondere Herausforderung für Eugen ist es, dass alle Mitglieder der über 20 Köpfe zählenden Gruppe eine Rolle erhalten; es wollen doch alle spielen. Sehr großen Wert legt unser „Schreiber” auf Authentizität der Jahreszahlen, Namen der historischen Personen, Kleidung und Utensilien. Nicht zuletzt achtet er auf sauber gesprochenen Dialekt. Auch die passende Bühnenausstattung wird von ihm fein säuberlich beschrieben.
Das Stück war spielbereit, nun lag es in den Händen unseres „Sünthofar” Regisseurs Eugen Wutz, dem Spiel die richtige Würze zu geben. Als alter „Theaterhase”, der sich mit Leib und Seele in das Stück einbringt, kann er die einzelnen Szenen gestalten und aus seiner reichen Erfahrung den Akteuren effektvolle Tipps geben. Unser „Eugen II” lebt jede Szene mit und bringt mit seinen gekonnten Regieanweisungen zusätzlich Witz und Freude ins Spiel. Unterstützung bekam der Spielleiter von Herbert Hiemer, der ihm als „Co” über die Schulter schaute, um später einmal die Regie zu übernehmen.
Nachdem unser Probenraum der letzten Jahre in der Hauptschule nicht mehr zur Verfügung stand, trafen wir uns ab Januar wöchentlich zweimal im Keller des BRK-Altenheimes. Da war es zwar warm, aber viel zu eng. Wir zogen um und probten in der Werkstatt der Zimmerei Lipp. Als es die Jahreszeit zuließ, wechselten wir auf die Bühne der Oybelehalle, wo wir trotz Einsatz von Heizstrahlern nicht unter Hitze zu leiden hatten. Nur zwei Proben mit Licht, Ton und den Originalkulissen konnten wir auf der Kurhausbühne abhalten, dann öffnete sich der Vorhang für die Premiere.
„Theatrzit – a schiine Zit!” Wir hatten 2012, wie auch schon in den vergangenen Jahren, eine harmonische und lustige Zeit auf und hinter der Bühne. Hoffentlich schreibt unser Autor bald wieder was für uns. Oder – brütet er gar in seinem stillen Kämmerlein schon etwas aus und macht wieder ein Stück Oberstdorfer Geschichte lebendig?
Vorspann
Als Trachtenvereinsvorstand Werner Griesche auf die Bühne tritt und die Gäste begrüßt, herrscht hinter dem Vorhang Hochspannung. Spielerinnen und Spieler gehen in Gedanken ihre Rollen durch und insbesondere der erste Satz nach dem Stichwort wird nochmals intensiv eingeprägt. Die Nerven sind äußerst angespannt. Ich denke, dass ein erfahrener Kardiologe bei der nun herrschenden Pulsfrequenz ein Belastungs-EKG sofort abbrechen würde.
Einen kurzen Aufschub vor dem Auftritt verschafft den Akteuren noch Franz Bisle, der mit seinem Prolog gekonnt die Besucher in die Zeit des Geschehens, als in die Jahre 1882/83 einführt. Eine Zeit, die noch unter den Folgen des Zusammenbruchs der Leinenweberei, des Hochwassers von 1851, des großen Brandes von 1865 und unter den Folgen der Kriege von 1866 und 1870/71 leidet.
Die Handlung
Das Herz klopft bis zum Hals, als der Vorhang aufgeht und sich die Hausfrau Mathild (Liesl Lipp), das Mägdle Gretele (Agnes Schleich) und das Maale (Monika Sehrwind) in der Stube der »Färbe« unterhalten. Das Gespräch spiegelt die Anfänge des Tourismus wider und zeigt das Für und Wider in der Meinung der Bevölkerung auf.
Erfrischend die heimliche Liebschaft des hübschen Gretele mit dem forschen Sennen Simon (David Berktold), der sich mit Käsaustragen einen Vorwand geschaffen hat, um „sing Feele” zu sehen.
Es kommt unerwarteter Besuch. Die Dorfratsch Balbina (Regina Schleich) und ihr ewiger „Schatten” Käthr (Liesl Titscher) bringen die, in der »Färbe« schon bekannten, Neuigkeiten vom Abbruch des „Sommergartens” und dem geplanten Neubau eines Kurhauses mit.
Die Ankunft der Sommerfrischler, das Pastorenehepaar von Dryander (Mathias Häckelsmiller und Thea Fiala), gibt einen Einblick in die Art der Gäste und das Verhältnis von Gast und Gastgeber zu jener Zeit. Etwas ungestüm ist der junge Fuhrmann Ludwig Brack (Lorenz Lipp), der, mit einem riesigen Koffer auf dem Rücken, dem Gast einen kräftigen Schubser gibt.
Abends treffen sich die Honoratioren von Ortsgemeinde und Verschönerungsverein in der Färbe-Stube, um sich über anstehende Investitionen zu beraten. Kaufmann Joseph Anton Vogler (Herbert Hiemer), Dorfarzt Dr. Ulrich Reh (Hubert Zimmermann), Zimmermeister Leonhard Huber (Ger- hard Schmid), Hausherr Alois Kappeler (Fritz Schwarz), Hirschwirt Leo Becherer (Mathias Vogler) und auch der Ortspfleger Thomas Brutscher (Helmut Thaumiller) begrüßen die geplanten Neuerungen. Ihnen steht die Opposition mit dem Weidmeister Max Burger (Michl Hiesinger) und dem unter dem Kuratel seiner Angetrauten Balbina stehenden Glaser Xaverle (Elmar Jäger) entgegen. „It alls bloas no fr de Hearelit tuu”, ist der Tenor des Max, als es um einen Platz für ein zwingend notwendiges Schwimmbad geht. Durch etwas zu viel von Mathildens Most mutig gemacht, pflichtet ihm Xaverle bei und bekräftigt seine Worte immer wieder mit dem Satz: „Woll, Balbina hots öü gseit!”
Im Krämerladen des J. A. Vogler haben die beiden Ladnerinnen Theres (Trudi Kraus) und Lääna (Petra Schall) ein kleines Wortgefecht mit dem Hausknecht Lukas (Thomas Boxler), u. a. wegen dessen Hang zum Kautabak. Worauf der erwidert, die Frauen wissen nur nicht was gut ist, „a Kuß vu am Maa mit am Freaßtabak, des isch nammas bsündrs!” Als das Gretele erscheint und u. a. Pfeifentabak und eine teure Porzellan-Tabakspfeife kauft, wüsste der Hausknecht zu gerne für wen diese wohl sind. Aber das Mädchen meint belustigt: „Des haißt ba d Lit üüsgfrooget!”
Von den beiden Ladnerinnen wird die altbekannte Sommerfrischlerin, die Frau Kanzleirat von Sauerbier (Marieluise Häckelsmiller), besonders freundlich begrüßt. Ihre mit lateinischen Wörtern gespickten Wünsche geben den beiden Frauen kleine Rätsel auf. Aber die Dame gibt auch wiederholt und gerne die Quelle ihrer Lateinkenntnisse preis: „Mein Seliger, der Herr Kanzleirat, bediente sich oft dieser Sprache.” Charmant begrüßt Kaufmann Vogler selbst die ihm bestens bekannte „verehrte gnädige Frau” und gibt bereitwillig Auskunft über den Bau des Moorschwimmbades. Worauf sich die „Gnädige” überschwenglich als Sonnenanbeterin kund tut.
Fast etwas Hemmungen hat der sonst so flotte Senn Simon, als er ein sehr schönes und nicht ganz billiges „Umschlagtüech” für seine Liebste erwirbt. Es passt ihm nicht, dass ausgerechnet jetzt Balbina und Käthr dazukommen. Es muss ja nicht jeder wissen, für wen das Geschenk ist. Daher fällt seine Antwort auf Balbinas neugierige Frage: „Isch dees fr Müettr?”, mit einem kurzen „Nui!” fast gar grob aus.
Aber dann ist Balbina in ihrem Element. Der gestrige Veteranenball, der Sekt trinkende Doktor, der betrunken heimtransportierte Nachbar und schließlich die neue Badeanstalt sind Neuigkeiten, die, unter Assistenz der stotternden Käthr, unters Volk gebracht werden müssen. Von dem belustigten Vogler aufgefordert, sich doch selbst an der Baustelle des Bades, oder dem „Sindepfüehl” wie sie es nannte, zu informieren, meinte die Neuigkeitskrämerin: „Dr Töüsed Gotts Wille, nui, die Sinda mecht br ii it üüflade”. Am Ende des Disputs hat Balbina doch tatsächlich vergessen was sie eigentlich einkaufen wollte und auch die Käthr kann da nicht helfen.
Nach einem Zeitsprung zum Spätnachmittag kommt das eingeschüchterte Xaverle in den Laden, um sich ein Päckchen Schnupftabak zu kaufen. Nur alle vierzehn Tage darf er sich, nach dem Willen seines „geliebten Weibes”, diesen Luxus leisten. Der gute Mann ist auch verzweifelt, weil er nicht weiß, wie er als Mitglied des Weideausschusses abstimmen soll, ob für oder gegen den Grundstücksverkauf fürs neue Bad. „Sag ii nui, hone de Verschineringsverein gegs be, schtimm ii ja, hone dahuim d Höll. Ii henkbe no üüf!” Vogler, der das Xaverle bestens kennt, nimmt diese Aussage nicht so ernst und meint humorvoll: „Abr doch it iezt mit am frische Päckle Schnupftabak”.
Es ist Abend, Theres schließt die Ladentür ab, doch gleich klopft es. Wer ist draußen? Natürlich Balbina mit ihrem ewigen Schatten. Die beiden konnten ja, nach Balbinas Aussage, nicht früher kommen: „Ma khut ja voar lüüüütr Aarbat schier it ums Rädle!” Und dann auch noch das Missgeschick, Balbina hat den falschen Einkaufskorb dabei. Der Korb mit der Schüssel für das Sauerkraut ist beim Spengler geblieben und im mitgebrachten Korb ist die Bettflasche, die gelötet werden soll. Balbina hat zwar den falschen Korb, „aaaaber” – sie hat eine große Neuigkeit parat. An der Baustelle des Kurhauses sind „Üüüüsländar” beschäftigt, „Italiäääänar”!! Sodom und Gomorrha!! Jetzt sei man ja des Lebens nicht mehr sicher, weil die so „scharf hintr de Wiibr hea sind”. Beruhigend aber nicht ganz charmant meint dazu die Theres: „Ii denk Balbina, daß du do schu uff dr sichre Site bischt!” Die stöhnt allerdings: „Was ba weags deana Hearelit bun iis noo als mitmache müeß!”
Die Ladentür geht auf und mit einem frischen „Buona sera bella donne” grüßend treten Roberto (Mathias Häckelsmiller) und sein Sohn Luigi (Magnus Geiger) ein. Im ersten Schreck entgleitet Balbina gleich die Bettflasche, die der junge Luigi sofort aufhebt und mit einem galanten „prego signora” übergibt.
Deutsche Sprache, schwere Sprache – zumindest ist sie das für Roberto, der zwar gestenreich, aber nicht verständlich seine Wünsche vorbringt. Aus Luigis „Übersetzungen”, dass bei „Signora Uuber”, wo sie beide wohnen, „molti topi, viele Mause”, in der Kammer sind und sie deshalb nicht schlafen können, zieht Balbina völlig falsche Schlüsse. Sie sieht sich bestätigt: Sodom und Gomorrha in Oberstdorf! Doch dank Luigis wort- und gestenreicher Übersetzung der „trapola per topi” erkennt Theres Robertos Wunsch nach einer Mausefalle. Erläuternd meint Luigi: „trapola Müüsfaale, besser wie Miau, weil fresse nix pane, Brot, nix carne, nix polenta”. Als die beiden Südländer auch noch Polenta kaufen können, ist ihr Glück vollkommen. Nach weiteren Missverständnissen entfährt Balbina der Stoßseufzer: „Was khut bloas noo alls iibr iis, und alls bloas weags de Hearelit. Ii tröu be ja garnumma uff Gasse!” Worauf Theres meint: „Des wär a Seage!”
In der Färbe-Stube genießen Herr Pastor von Dryander und seine Frau ein Gläschen Wein und erwarten Herrn Dr. Reh. Seit Jahren schon hat der Herr Pastor, der Oberhofprediger von Kaiser Wilhelm in Potsdam ist, in Oberstdorf evangelische Gottesdienste gehalten. Als der Doktor dann mit am Tisch sitzt, geht das Gespräch auch wieder darum, einen Gottesdienst im Sitzungssaal des Rathauses zu feiern. Gerade als der Doktor einen Bericht über den Plan eines protestantischen Kirchenbauvereins unterbreitet, wird das Gespräch unterbrochen. Der Arzt wird zu einem Unfall gerufen. Auch das Ehepaar von Dryander bricht auf.
„Hoi, sind die Lit schu furt?”, ergeht die Frage des Hausherrn Alois an seine Frau Mathild, die er allein in der Stube vorfindet. Aber das ändert sich sofort. „Clöüdese Sefantone”, wie Kaufmann Joseph Anton Vogler auch genannt wird, kommt zu einem kurzen Gespräch. Vogler ist der Oberstdorfer Vertreter der jungen Alpenvereinssektion Immenstadt und daher auch deren örtlicher Ansprechpartner. Jetzt geht es der Sektion darum, einen möglichst kurzen Weg von Oberstdorf zu ihrer neuerbauten Hütte, dem Prinz-Luitpold- Haus am Hochvogel, zu finden. Vom Gutenalper Hof im Oytal soll ein Steig durch das Geisbachtobel zum Himmelecksattel gebaut werden. Der Plan wird befürwortet, doch kann der Verschönerungsverein, der ja zusammen mit dem Alpenverein schon Wege durch den Hölltobel und das Pecherholz gebaut hat, keine finanzielle Hilfe leisten, weil ja alle Mittel für den Bau des Moorbades, der tüchtig voranschreitet, gebunden sind. Nachdem zwischen den Männern Einigkeit besteht, verabschiedet sich Vogler.
Eine kleine Feier soll heute im Hause noch stattfinden, weil das Gretele Namenstag hat. Mathild bittet Alois, ihr in der Küche mit einer Vorhangschiene behilflich zu sein.
In die Schürze heulend und laut ihre Gedanken dartuend kommt Gretele in die Stube: „Daß dea mii so aaluigt, des het ii im Leabe it denkt“” Unbemerkt von dem Mädchen war auch das Maale von der Küche herein gekommen und fragt die Heulende: „Was isch denn loas, Gretele?” Enttäuscht und zornig berichtet die Angesprochene, dass das schöne Umschlagtuch, das Pastors Dienstmädchen trägt, von ihrem Bräutigam, dem Simon, stammt. „Iezt des glöübscht doch seal it”, meint das Maale und geht schleunigst ab in die Küche, als sie durch das Fenster den Simon kommen sieht. Ihr Kommentar: „Uich Baadar, doo müeß ii iezt it drbii sing!”
Simon tritt freudestrahlend auf sein Gretele zu und wünscht ihr alles Gute zum Namenstag. Als diese ihm den Rücken zukehrt und weiterheult, fragt der Bursche verwundert: „Ja, was isch denn loas?” „Doo tät ii öü noo frooge, daß du iibrhöüpt noo s Gurache hosch zum doo ringgong”, erhält er zur Antwort. Sich keiner Schuld bewusst, besteht Simon auf Klarheit. Da bricht aus dem Mädchen die Wut und Enttäuschung heraus. Ihr die Heirat versprechen und Pastors Dienstmädchen ein Geschenk machen. Als Simon das in Abrede stellt, hält ihm Gretele als Beweis vor, dass ja Balbina gesehen habe wie er das Tuch kaufte und dies jetzt auch im ganzen Markt herum erzählt. Mit nicht ganz schmeichelhaften Worten über die „olt Hex” übergibt Simon sein Namenstagsgeschenk mit den Worten: „Voar de iezt nammas seischt, wo de nochat amend ruit, tüeschte zerscht des Päckle üüf!” Noch immer schmollend entnimmt das Mädchen genau das schöne Umschlagtuch, das es sich schon lange gewünscht hat und fragt dann ganz kleinlaut: „Simon, was isch dees?” Dieser antwortet lachend: „Dees isch des Tüech wo ii bum Clöüdesar für ming Feele zum Namestag köüft hoo!” Glücklich über die Wendung, fragt das Mädchen: „Simon, bischtbr iezt bäas?” Auf dessen Gegenfrage: „Worum sott ii, bischte ebba iifrsichteg gwea?”, kommt prompt, „ii iifrsichteg? Nui ii it.” Lachend schließt Simon das Mädchen in die Arme und bemerkt: „Gretele, wenn de s Liege it bessr kascht, denn laß es sing.”
Mathild und Maale kommen mit Kaffee und Kuchen aus der Küche. Das Maale meint mit Blick auf das strahlende Paar: „Ii mui, s Weattr hot se wiidr vrzoge”, und auf das Tuch blickend, das Gretele umgetan hat, „isch des a schiis Tüech.” Worauf das Mädchen stolz erklärt: „Des hone vu ming Simon zum Namestag khriet!”
Zu der Namenstagsrunde stoßen auch die Hausgäste, Frau Kanzleirat von Sauerbier und deren Freundin, Frau Oberbürgermeister Schröder (Petra Schall), die dem Mädchen noch ein Geschenk übergeben. Als auch Sophele (Lucia Schleich), die jüngere Schwester des Namenstagskindes, erscheint, ist für Frau Kanzleirat klar, dass die beiden Mädchen noch singen und jodeln müssen. Sie kennt das schon von früher her, als sich auch noch ihr „Seliger an dem Alpengesang ergötzte”. Mathild greift zur Gitarre und begleitet die Schwestern zu einem Lied vom „Kiehberg” und einem Naturjodler. Frau Oberbürgermeister Schröder ruft begeistert aus: „Das ist ja traumhaft, diese Naturstimmen, diese Nachtigallen!” Die Frau Kanzleirat setzt theatralisch noch drauf: „Solchen Kunstgenuß erleben wir hier im Hause und als weiteren Höhepunkt unserer diesjährigen Sommerfrische erleben wir am Wochenende noch die Eröffnung des neuen Schwimmbades!”
Das Moorbad im Rauhen ist kurz vor der Vollendung. Vor dem Kabinengebäude sind Mitglieder des Verschönerungsvereines unter der Anleitung vom Zimmermeister Leonhard Huber dabei, die letzten Arbeiten zu verrichten. Zur fälligen Brotzeit stiftet der Hirschwirt einen Kasten Bier. Darüber, dass es Literflaschen sind, freut sich besonders das Xaverle: „Herrschaft, a Mooß Bier, des lot se heare!” Dem von seiner Gattin kurz gehaltenen Glaser sind sonst solche Genüsse nicht gestattet. Und der arme Kerl muss, zu seiner Pflichtaskese hinzu, auch noch immer den Spott der anderen ertragen, wie hier, als Alois spitzig bemerkt: „Mier saget Balbinan nuiz.”
Für die aufs Wochenende bevorstehende feierliche Eröffnung des Bades wurde eigens geschlachtet und am Festplatz werden Tische und Bänke aufgestellt sowie Stände für Getränke und Essen. „Doo lant mier eis net lumpe”, erläutert der Hirschwirt dazu.
Mitten in die Brotzeitstimmung platzen der junge Fuhrmann Ludwig Brack und Weidmeister Max Burger mit ihrer Fuhre Bretter für die Umzäunung. Sie setzen sich dazu, denn auch sie haben Durst. Alois spricht dabei Max an, dass dieses Bad doch insgesamt eine gute Sache ist, „it bloas fr Hearelit” und sticht damit ins Wespennest. „Ii tüe mit, well all mittind, abr mit deana Hearelit khut es no so wit, daß ba Kiercheglogga numma litte dearf und Gassekieh khui Scheala me aahong sotte. Mier sotte zletscht öü no de Goggelar z Obed d Schnäbl züebinde, daß se am Moarge it schriie khinnet!” Als auf diesen Ausbruch Vogler den Max fragt, ob er etwa die Ansicht eines Sonthofeners habe, der meinte, die hoffärtigen Oberstdorfer werden mit ihrem Bad noch schön auf die Nase fallen; das geschehe denen auch recht. Max, zutiefst in der Ehre getroffen, kontert: „Was bi Gott. Die Sünthofar sotte se um ihre lotschege Schtroßa und marode Brugga khimmre und it iis drinschwätze. Doo mießet mier all zämetschtonde und doo bin ii öü drfiir.”
Zimmermeister Huber beendet mit seinen Anweisungen die Brotzeit, alle gehen an die Arbeit, nur Vogler, der Hauptinitiator des Bades, beschaut das Geschaffene. Er sieht dabei auch die neugierig um sich blickende Balbina daherschleichen, die trotz ihrer früheren Beteuerungen, den „Sindepfüehl” nicht zu betreten, an der Baustelle erscheint. Mit seinem Spruch: „Noo isch s Baad it fertig, kasch no it baade”, erschreckt er die unerwartete Besucherin. Nur weil ihr Mann, das Xaverle, seine Brotzeit vergessen habe, komme sie hierher. Sonst wolle sie mit dem Sündenpfuhl, wo die Jugend verderbt wird, nichts zu tun haben.
Nach einem Zeitsprung lauscht eine sonntäglich gekleidete Menschenmenge in dem festlich geschmückten Moorbad den flotten Klängen der „Bleachmuseg” und den Ansprachen der Honoratioren. Dr. Reh spricht für den Verschönerungsverein und übergibt das Wort einem der ältesten und treuesten Gäste, dem Herrn Oberhofprediger von Dryander. Nach einer Lobeshymne auf die große Errungenschaft wünscht er als Gast ein „Glück auf” und Gottes Segen. Als letzter der langen Reihe von Rednern, die immer wieder von Beifall und Tuschfanfaren der Musikkapelle unterbrochen werden, tritt Vogler als technischer Leiter des Vereins ans Podium. Er schildert den Werdegang des Bades und streicht besonders die persönlichen Bürgschaften der Vorstandsmitglieder heraus.
Als der Redner die herrliche Lage hervorhebt, gellt hinter der Bretterwand des Schwimmbeckens ein Hilferuf hervor. Offenbar ist jemand ins Herrenbecken gefallen und droht zu ertrinken. Auf den Hilferuf hin erscheint der „Badmaischtr” (David Berktold) im Schwimmdress damaliger Zeit mit Rettungsring und Stange. Auf die drängenden Worte zur Eile meint der Helfer gelassen: „So lang se schrit vrsüft se it.”
Die ganze Festversammlung hat Front zu den Hilferufen genommen und wartet jetzt auf eine Aufklärung. Da kommt der Ruf des Helfers: „Balbina isch is Wassr gfalle!”, was großteils mit Heiterkeit aufgenommen wird. Der Ortspfleger Thomas bringt es auf den Punkt: „Was tüet denn dea wündrgeala Koog do dined im Mannsbildrbaad?”
Triefend nass von Kopf bis Fuß kommt die „Verunglückte” ins Bild, greift sich in den Nacken und schreit: „Do isch nammas dinn. Xaverle hilf br!” Pflichtschuldigst schaut der liebevolle Gatte nach und zieht das Objekt heraus, „a Freschle”. Alois meint, dass nach dem unfreiwilligen Bad es jetzt nichts mehr wird aus der Taufe des „Clothilde-Beckens” durch den ersten weiblichen Badegast gleichen Namens. Max sagt lachend: „Nui, dänes it, abr mier khinnets allat noo Balbine-Gumpe haiße!” Die triefende und frierende Balbina drängt ihren Mann, sofort mit ihr heimzugehen. Doch da geschieht etwas bislang Undenkbares, Xaverle widerspricht energisch: „Nuiz doo, du gosch huim und ii bliib doo und süf noo a Mooß odr zwoa, wos huit a Friibier git. Und, daß de des waischt, ab huit nuiz mea Xaverle, ab huit Xavere!” Die völlig verdatterte Balbina stammelt: „Isch reacht Xaverle, ää Xavere”, und zum Publikum gewandt, „und des alls bloas weags de Hearelit!”
Der „Lohn des Künstlers”, ein herzlicher Applaus, wurde von den Zuschauern reichlich gespendet. Die fünf Aufführungen waren sehr gut besucht. Aber es sollen hier nicht nur die Akteure auf der Bühne genannt sein, denn ohne die vielen Helferinnen und Helfer hinter den Kulissen und im Umfeld wäre so ein Spiel nicht möglich. Ich mache es mir einfach und schreibe aus dem Theaterprogramm ab:
Regie: Eugen Wutz
Regieassistenz: Herbert Hiemer
Inspizientin: Annemarie Titscher
Souffleusen: Jule Schleich und Agnes Schraudolf
Kostüme: Liesl Lipp
Maske: Rosi Berwanger und Marlies Vogler
Technik: Harmonic Sound, David Kraus und Otto Schall
Bühnenbild: Mathias Häckelsmiller und Fritz Schwarz
mit freundlicher Unterstützung durch
Maler Sieber GmbH und Holzbau H. Geiger GmbH
Gesamtleitung: Trudi Kraus
Natürlich darf auch der Trachtenverein, unter dessen Dach wir ja organisiert sind, nicht vergessen werden. Bei ihm lagern unsere Kulissen und Requisiten. Der Verein stellte auch bei den Vorstellungen alle Helferinnen und Helfer. Wir danken allen, die zum Erfolg beigetragen haben und auch den vielen Besuchern. Ein ganz besonderer Dank gilt der Musikkapelle Oberstdorf, die mit ihrem flotten Spiel eine besondere Note eingeflochten hat.
Der Vorhang ist für die Saison 2012 geschlossen, aber wir kommen nach einer gewissen Zeit wieder.
Zu einer Besprechung in der Stube der »Färbe« treffen sich die Vorstandsmitglieder des Verschönerungsvereines und der Ortsgemeinde.
Von links: Dr. Ulrich Reh,
Kaufmann Joseph Anton Vogler,
Hausherr Alois Kappeler,
Hirschwirt Leo Becherer,
Glaser Xaverle,
Weidmeister Max Burger,
Ortspfleger Thomas Brutscher,
Zimmermann Leonhard Huber;
mit dabei Hausfrau Mathild Kappeler.