Nach dem großen Brand wurden im Bereich der Brandfläche die Grundstücke und damit auch der Straßenverlauf neu geordnet. Es decken sich Hauptstraße und Bäckengasse, wie auch die drei folgenden Straßen, nicht genau mit den alten Gassen.
Als nächste Sprosse nach der Bäckengasse folgt die ehemalige Färbergasse, benannt nach der „unteren Färbe”, die im Hause 197 (heute Walk) betrieben wurde (das Gegenstück zur „oberen Färbe”, HsNr. 48). Uns ist die Gasse heute als Luitpoldstraße bekannt. Als deren Namenspatron gilt zweifelsfrei Seine Königliche Hoheit Prinzregent Luitpold von Bayern. Prinz Luitpold hat 1850 die Gemeindejagd Oberstdorf angepachtet, selbst ausgedehnten Grundbesitz erworben und ging hier dem Waidwerk nach. Als der Prinz 1886 die Regentschaft über das Königreich Bayern antrat, wurde Oberstdorf Hofjagdstation, was dem Tourismus einen enormen Aufschwung brachte. Die Bevölkerung verehrte hier den Landesherrn u. a. auch wegen seiner großen Hilfe in den Notzeiten nach dem Brande.
Eine Leitersprosse tiefer verbindet die Fischerstraße die beiden Längsachsen. Als alter Name ist uns für sie der Name Zobelsgasse bekannt. Mitglieder dieser Familie betrieben in Oberstdorf an verschiedenen Stellen, so auch in dieser Gasse, eisenverarbeitende Berufe wie Schlosser und Schmiede. Oberstdorf wollte einem berühmten Sohn ein Denkmal setzen und so wurde die im Volksmund genannte Zobelsgasse in Fischerstraße umbenannt. Der Bauernsohn Josef Anton Fischer, ein dem Nazarenerstil anhängiger Maler, gehörte zum Künstlerkreis um König Ludwig I. In dessen Auftrag schuf er unter anderem auch die Kartons zu den berühmten „Bayern- Glas-Fenstern” im Kölner Dom.
Westlich der Fischerstraße verlief einst die Theatergasse. Dort stand bis zum Jahr 1847 der Theaterstadel, dessen Bretter für viele Oberstdorfer die Welt bedeuteten. Pfarrer Johann Nepomuk Stützle, kein Freund dieser ländlichen Bühnenkunst, kaufte den Theaterstadel und ließ ihn abbrechen. Eines konnte der geistliche Herr nicht wissen: dass er mit dieser Tat eine Baulücke schuf, die mithalf, 1865 den Großteil des unteren Marktes vor dem Flammenmeer zu schützen. Aus der Theatergasse wurde schließlich die Schraudolphstraße. Als Namensgeber gelten die Künstler-Brüder Johannes, Claudius und Mathias Schraudolph. Der bekannteste davon war Johann, Professor an der Akademie in München und von König Ludwig I. mit der Ausmalung des Kaiserdomes zu Speyer beauftragt. Für seine Verdienste wurde der Künstler in den Adelsstand erhoben. Bruder Claudius war seinem älteren Bruder in Speyer behilflich und schuf eine ganze Reihe von Gemälden in Kirchen seiner Allgäuer Heimat. Bruder Mathias war als Frater Lukas im Kloster Metten in Niederbayern künstlerisch tätig und hinterließ dort beachtenswerte Werke.
Im alten Oberstdorf vor dem Brande verlief zwischen der Zobelsgasse und der Theatergasse noch ein schmales Gässchen, das im Volksmund Bohlsgasse genannt, aber Ballusgasse geschrieben wurde. Es ist leicht möglich, dass sich in dem stillen Gässchen auch „Bohle” (Kater) zur Nachtmusik getroffen haben, aber mit der Namensgebung hatten die sicher nichts zu tun. Sehr wahrscheinlich handelt es sich bei der Ballusgasse um eine Verballhornung einer Vornamenabkürzung Ballus, Baltus oder dergl.
Eine Leitersprosse tiefer finden wir die Windgasse. Sie blieb als erste vollständig vom Feuer 1865 verschont. Wie auch die später westlich folgenden Bienen- und Blumengasse, scheint die Namensgebung ohne einen Bezug zu Bewohnern oder Berufen vollzogen worden zu sein. Das war früher anders, denn die Windgasse hieß Klotzengasse nach der Bäckerei Klotz, die sich ehemals in dieser Gasse befand. Aber es ist auch der Name Bildgasse überliefert. Diese steht im Zusammenhang mit einem früheren dort stehenden Bildstock.
In der Küferstraße hatten die Familien Rees und Blattner ihren Wohnsitz, die Fässer und Schlitten fertigten. Hier könnte ein Bezug vom Beruf zur Straßenbezeichnung hergestellt sein.
Die Buindgasse wurde wohl willkürlich betitelt, aber es könnte auch die heute noch bestehende herrliche Buind zwischen Küferstraße und Buindgasse dazu verleitet haben. Um 1900 wurde sie noch Pointgasse geschrieben, was wahrscheinlich darauf zurückzuführen ist, dass ein „bayuwarischer Landvermesser” diese Buind in seinem Heimatdialekt niedergeschrieben hat. Vorher wurde sie nach dem Beruf des Anwohners Weissenbach Glasergasse und noch früher nach der Walserfamilie Berchtold, die nach dem Dreißigjährigen Krieg vom „Bierg” bei uns einwanderte, Piergmannsgasse benannt. Hier finden sich übrigens noch uralte Bauernhäuser aus dem 17. Jahrhundert.
Wie schon vermerkt, fehlt zur heutigen Bienen- oder Blumengasse jeder Bezug. In alten Zeiten nannte man die Blumengasse nach einem dominierenden Anwohner Schratte-Fränzles-Gasse.
Eine Stufe tiefer spielt wieder das Gewerbe eines Bewohners bei der Namensgebung mit. Die Wurzergasse erhielt ihren Namen von den Wurzengrabern der Familie Blattner. Der letzte in dieser Reihe war Alois Blattner, der Enzian- und andere Wurzen ausgrub, um diese in seiner Schnapsbrennerei zu verarbeiten. (Seine Originalbrennerei befindet sich jetzt im Heimatmuseum. Leider ist sie nicht mehr in Betrieb! Das hielt aber den „Vater Staat” viele Jahre nicht davon ab, routinemäßig zu prüfen ob keine Zollvergehen vorliegen.) Als alter Name der Wurzergasse stand der Hausname der Familie Brutscher Pate: Nazeles-Gasse.