Das Ehepaar Reiser mit den Kindern Cassian und Lina
Bischöfl. geistlicher Rat - mütterlicherseits aus Alt-Oberstdorfer Geschlecht - geb. 1881 - gest. 1956
Cassian Reiser wurde am 24. Juli 1881 in Kornau geboren. Er war der Sohn des dort wirkenden Lehrers August Reiser und seiner Ehefrau Berta, geb. Brutscher (Oberstdorf, Fischerstraße). Seine Mutter war eine Tochter des Glasers Valentin Brutscher und seiner Ehehfrau Sybilla, geb. Thannheimer. Die Geschwister Pankraz, Titus, Anton, Kreszentia und Blandina blieben unverheiratet.
Die Filialschule Komau wurde 1879 neu gebaut, sie war eine sog. ganzjährige Schule. Der Lehrer August Reiser kam von Birgsau. An seinem neuen Wirkungsort Kornau gründete er eine Familie. Der bekannte Professor
Dr. Karl August Reiser war ein naher Verwandter.
Unter den Schulausgaben des Birgsauer Lehrers wurden interessanterweise damals neben den üblichen Anschaffungen wie Tinte, Alabasterkreide, Auslagen für Musikinstrumente usw. auch 2 Mark für „40 Stück Mineralien, zu unterrichtlichen Zwecken nach Gruppen geordnet und zur Sammlung angelegt” angeführt. Man sieht daraus, wie die Beschäftigung mit der Mineralogie und Geologie selbst bis in die kleinsten Bergschulen vorgedrungen war.
Zu Cassian gesellte sich 1882 in Kornau die Schwester Lina. Der Lehrer August Reiser wurde dann 1885 oder 1886 nach Bolsterlang (Gemeinde Fischen) berufen; dort wurde 1886 der Sohn Cajetan geboren. Später zog die Familie nach Stiefenhofen, wo der Vater als Hauptlehrer wirkte.
Der hochbegabte Cassian studierte Theologie. Lina trat in Vaters Fußstapfen und unterrichtete später an verschiedenen Allgäuer Schulen, zuletzt in den Kriegsjahren 1939/45 an der Volksschule Oberstdorf. 1949 verstarb sie im Altersheim Sonthofen.
Der Bruder Cajetan diente als Einjähriger 1911/12 beim 3. Inf.-Rgt. in Augsburg, dann war er als kaufmännischer Angestellter in der Jungfermannschen Buchhandlung in Paderborn tätig. In der Nacht zum 1. August 1914 wurde er zu den Waffen gerufen und fand den Heldentod am 22. September 1914 bei Brimont, unweit von Reims.
Am 24. November 1903 empfing Cassian Reiser die Priesterweihe, am 30. November desselben Jahres feierte er in der Pfarrkirche zu Grünenbach bei Stiefenhofen das erste hl. Meßopfer in zahlreicher Anwesenheit seiner ihm wohlwollenden Oberstdorfer Verwandtschaft. Seine Stationen begannen am 4. Dezember in Memmingen als Hilfspriester und später als Kaplan, ab 30. August 1904 als Kaplan in Pfersee, ab 8. Mai 1907 als Stadtkaplan in Augsburg - St. Ulrich und Afra, ab 19. November 1908 als Benefiziat in Augsburg - St. Ulrich (Segenmeßbenefizium). Vor allem musikalisch sehr begabt, studierte er in diesem Fach weiter, ganz und gar der „Sacra Musica” verschrieben.
Für das hiesige, neugegründete „Schulkloster” schrieb er 1912 ein Krippenspiel, das von den damaligen Schülerinnen, zwischen 9 und 12 Jahren, mit Begeisterung mehrmals aufgeführt wurde. Gerne erinnern sich noch heute ehemalige Mitwirkende.
Am 1. Januar 1916 wurde Cassian Reiser unter Bischof Dr. Maximilian v. Lingg zum Domkapellmeister am Hohen Dom zu Augsburg bestellt. Ab 8. November 1917 war er auch Benefiziat im Benefizium St. Bartholomäus, St. Kosmas und Damian, an der St. Margarethenkirche in Augsburg. 34 Jahre, auch unter dem Nachfolger, Bischof Dr. Josef Kumpfmüller, bis zum 31. Januar 1950, hatte er dieses oft sehr anstrengende Amt inne. Mit einer unbeschreiblichen Fähigkeit, Hingabe und Liebe ging er in seiner Aufgabe, deren Schwierigkeiten er wohl oft mit seinem goldenen Humor überbrückte, voll und ganz auf. Wenn er wegen seines Leidens nicht hochkam zu Orgel und Chor, wurde er verschiedentlich hinaufgetragen. Seine Umgebung gab ihm den Beinamen „Schlips”: Er pflegte stets einen weißen Schal zu tragen. Des öfteren dirigierte er auch auswärts bei befreundeten Chorleitern an Jubiläumsfesten. So steht Cassian Reiser noch in guter Erinnerung bei den Familien Gogl und Kuen. Vor etwa 10 Jahren wurde im „Schwabenspiegel” des Bayerischen Rundfunks die Sendung „Augsburgs Domkapellmeister” ausgestrahlt. Hier wurde der unvergessene Cassian Reiser hochgeehrt, sein großes Wirken, sein Mutterwitz, sein goldener Humor wurden herausgestellt.
Die Bombardierung Augsburgs in der Nacht vom 24. auf 25. Februar 1944 vernichtete auch seine Orgel, Instrumente und unersetzliche Notenwerte. Es war wohl der schwerste Schlag in seinem Leben. Seine Wohnung in der Spitalgasse bei St. Margarethen wurde zerstört. Später konnte er aber dort wieder einziehen. Er hat so schlicht und einfach gelebt, wie sich das viele heute gar nicht mehr vorstellen können. Umsorgt war er von seiner Cousine Cilli Reiser bis zu seinem Tode.
Schweren Herzens mußte er aus gesundheitlichen Gründen sein Amt als Domkapellmeister niederlegen, war aber weiter Benefiziat bei St. Margarethen. 1953 war es ihm vergönnt, das goldene Priesterjubiläum zu begehen. Die folgenden Jahre waren viel mit Krankheit gezeichnet, und er konnte oft nicht einmal an seinem Hausaltärchen die hl. Messe lesen. Schwer krank äußerte er den Wunsch, einmal noch oben zu sein bei seinem Domchor, mit dem Dirigentenstab.
Oberstdorf, Fischerstraße und seine nächsten Verwandten betrachtete er als seine Heimat. Mit den Großvettern und Basen hatte er immer guten Kontakt. Nur zu gut erinnere ich mich an die Besuche, die er mit Tante Blandina auch unserem Haus machte. Sein Herz war immer erfüllt von Liebe, Dankbarkeit und Humor. Sowohl bei einem Besuch als auch in Briefen erwähnte er das wertvolle, viel bewunderte Primizgeschenk und wünschte, es einmal mit ins Grab zu nehmen.
Nachdem Blandina 1937 als letzte der Glasers-Familie verstarb, war das Feriendomizil von Cassian, so wollte er von seinen Basen und Oberstdorfer Freunden genannt werden, das „Scheibenhaus”. Fast jedes Jahr verbrachte er dort die Ferien, bis es ihm nicht mehr gegönnt war, die Wohnung zu verlassen. Am 16. Juli 1956 wurde er von seinem schweren Leiden erlöst und fand in Augsburg seine letzte Ruhestätte.
„Lobt den Herrn mit Chorgesang,
lobet ihn im Orgelklang,
alles was Odem hat, lobe den Herrn!”
Psalm 150