Karl Hofmann - dem Ehrenbürger zum Gedenken

von Eugen Thomma am 01.06.1986

Als am 1. August 1985 die Totenglocke das Ableben eines Mitbürgers im Markt verkündete, geschah dies für einen Mann, der nach dem Zweiten Weltkrieg maßgeblich an der Wiederbeschaffung des Kirchengeläuts beteiligt war: Karl Hofmann.

Carl Viktor Hofmann - so hieß er mit vollem Namen - nannte sich selbst schlicht Karl, und so wollen wir es auch halten.
Karl war am 22. Dezember 1899 als Sohn des Buchdruckermeisters Andreas Hofmann und dessen Ehefrau Emilie, geb. Schraudolph, in Oberstdorf zur Welt gekommen. Zwei Jahre zuvor hatten die Eltern das Anwesen Nr. 153 am Marktplatz erworben und darin eine Buchdruckerei mit angeschlossenem Ladengeschäft eingerichtet. Vater Hofmann war in diesem Jahre auch einer der drei Unternehmer, die in der Oberen Mühle Oberstdorfs erstes Elektrizitätswerk gründeten.

Diese Dynamik, diesen Einsatz und den Mut zum Neuen, das hat Karl mit Sicherheit von seinem Vater geerbt. Er war ein aufgeweckter Schüler. Für den vorgesehenen Beruf - er sollte die elterliche Druckerei übernehmen - erwarb er sich an der Realschule in Landsberg am Lech das notwendige schulische Rüstzeug. Nach der Ausbildung im väterlichen Betrieb führten ihn die Fortbildungs- und Wanderjahre u. a. nach Frankfurt und Leipzig. Allerdings war dem jungen Handwerker nicht vergönnt, diese Ausbildungszeit in einem Stück zu durchlaufen. Im Ersten Weltkrieg meldete sich „Vater” Staat und holte den Siebzehnjährigen zu den Waffen. Nach der militärischen Ausbildung wurde Karl Hofmann als Angehöriger eines Gebirgs- Patrouille-Zuges im 1. Jägerregiment an die serbische Front abgestellt. Erst 1919 erfolgte die Entlassung aus dem Alpencorps. Dann konnte sich Karl wieder seiner beruflichen Fortbildung widmen. Im April 1925 legte er in Leipzig die Meisterprüfung im Schriftsetzerhandwerk ab.

Im gleichen Jahr heiratete der junge Meister die Oberlehrerstochter Albertine Krumbacher. Die Ehe war mit fünf Kindern gesegnet, von denen zwei schon im Kindesalter starben.

Mit voller Schaffenskraft stieg Karl Hofmann in den Betrieb des Vaters ein. Neben der Gebrauchsgraphik forderte der dynamische junge Mann besonders die Verlagstätigkeit, so daß mehrere Bücher, Schriften und Führer im eigenen Verlag erscheinen konnten. Das Schreiben war eine Passion des Karl Hofmann. Seine im besten Deutsch verfaßten Aufsätze zeugen neben Sachkunde von einem hohen schriftstellerischen Niveau. Er wagte sich dabei an Tabus heran und scheute vor „heißen Eisen” nicht zurück.

Dabei denke ich besonders an das leider vergriffene Büchlein „Oberstdorfer Hexen auf dem Scheiterhaufen”. Zudem war Karl noch Hauptschriftleiter der Zeitung „Oberstdorfer Gemeinde- und Fremdenblatt”, als dessen Herausgeber Vater Andreas Hofmann zeichnete.

Viele Aufsätze in Zeitungen und Zeitschriften flössen aus der Feder Karl Hofmanns. Unzählig sind aber die Arbeiten, die unter anderem Namen erschienen und in Wirklichkeit von Karl Hofmann erst in eine druckreife Form gebracht wurden.

Es ist schwer, all die Aktivitäten aufzuzeigen. Noch schwerer ist es, sie entsprechend ihrer Bedeutung zu würdigen. War er doch über Jahrzehnte hinweg in vielen Gremien des öffentlichen Lebens tätig. Ob im Gemeinderat oder in der Kirchenverwaltung, Karl war durch seine bestimmte Sachlichkeit ein dominierendes Mitglied. In seine Zeit als Kirchenpfleger fiel auch die Neubeschaffung der Kirchenglocken in den fünfziger Jahren.

Dem später in der Kolpingfamilie aufgegangenen katholischen Gesellenverein gehörte er mehr als 60 Jahre an. Er war über Jahre hinweg aktiv dabei, wenn dieser Verein zweimal jährlich Theater spielte.

Bis ins hohe Alter war Karl ein sportlicher Mann. Er war schon über 80, als ich ihn mit geschulterten Skiern der Nebelhornbahn zuschreiten sah. Der Skilauf war eine Leidenschaft von ihm. Fast 70 Jahre gehörte er dem Skiclub an, dessen Langlaufmeister er zum Beispiel 1921 war. Für seine Verdienste im Skisport ernannte der SCO ihn schon 1946 zum Ehrenmitglied.

Nicht nur dem Skisport, auch dem Turn- und Rasensport widmete sich Karl in jüngeren Jahren. Rund 65 Jahre war er Mitglied beim TSV Oberstdorf, der ihn mit der goldenen Ehrennadel auszeichnete.

Es war fast selbstverständlich, daß der Teilnehmer beider Weltkriege zu den Gründern des Allgäuer Versehrten-Sportvereins in den vierziger Jahren gehörte.

Eine andere sportliche Aktivität Karl Hofmanns war das Bergsteigen. Ich glaube, es gibt keinen Gipfel in unserem Gemeindebereich und der Umgebung, auf den er nicht seinen Fuß gesetzt hat. Schon vom Vater - der 1925 Gründungsvorstand der AV-Sektion Oberstdorf war - frühzeitig herangeführt, unternahm Karl bereits als Bub Klettertouren. Ich entsinne mich genau, als er mir einmal erzählte, wie er als Fünfzehnjähriger mit Johann Rietzler II die Trettach-Südwand durchstiegen hat. Später wirkte Karl über lange Jahre als Wegewart, Hüttenwart, Vorstand und zuletzt im Ältestenrat der Oberstdorfer Sektion.

Skilauf und Bergsteigen waren die Basis für Karls besonderes Steckenpferd, die Landschaftsphotographie, und darin war er Meister. Was er an Schönheiten der Natur gesehen, hat er mit der Kamera festgehalten. Es gehörte schon ein Künstlerauge dazu, diese Motive zu finden. Was sein Auge in der Natur erfaßte, davon zeugte u. a. eine Reihe von Wurzeln, die Gesichter oder Tiermotive darstellen.

Tausende von Touristen waren an diesen Zufällen der Natur vorbeigegangen, Karl Hofmann hat sie gesehen. Noch als Achtzigjähriger hielt er Lichtbildervorträge und begeisterte mit seinem großen Wissen um die Heimat und mit seinen herrlichen Bildern die Besucher.

Ein weiteres Bindeglied zu Umwelt und Natur war für Karl Hofmann die Fischerei. Als langjähriger Gewässerwart lag ihm sehr viel an der Reinhaltung unserer Bäche und Seen. Für seinen Einsatz in dieser Sache verlieh ihm der Fischereiverein die Ehrenmitgliedschaft.

Bereits 1921 war Karl zur Freiwilligen Feuerwehr gestoßen. Zunächst tat er dort als Steiger und später als Zugführer seinen ehrenamtlichen Dienst.

Bei Kriegsbeginn 1939 wurde der gediente Soldat des 1. Weltkriegs zur Wehrmacht einberufen, aber 1940 wieder entlassen. Er führte dann innerhalb der „Feuerwehr-Bereitschaft Oberstdorf’ den schweren Löschzug, der nach Bombenangriffen auf Sonthofen, Immenstadt, Kempten, Kottern, Augsburg, Ulm und München eingesetzt wurde. Tagelang anhaltende Löscheinsätze zwischen immer neuen Angriffen hatten die Männer unter Karl Hofmanns Führung durchzustehen.

Bis zu seiner erneuten Einberufung zur Wehrmacht 1944 bekleidete er diese schwierige Position. Erst 1946 wurde Karl Hofmann aus Kriegsgefangenschaft entlassen. Für die großen Verdienste um den Feuerschutz ernannte ihn die Oberstdorfer Wehr zu ihrem Ehrenmitglied.

Nicht nur in Vereinen, politischen und kirchlichen Gremien war Karl Hofmann tätig. Fremdenverkehrsorientierte Institutionen und wirtschaftliche Gruppen folgten auch gerne seinem Rat. Im Verschönerungsverein, den er lange als Vorstand leitete, war sein Urteil gefragt, ebenso beim Breitachklammverein.

Karl Hofmann - Heft 9

Karl Hofmann auf dem Baugerüst
des Oberstdorfer Kirchturms
Renovierung 1980

Er war Mitbegründer der Sesselbahn-AG (heute Söllereckbahn) und der Kur- und Verkehrsbetriebe AG (lange Zeit deren Aufsichtsratsvorsitzender). Zehn Jahre befand sich Karl Hofmann im Aufsichtsrat der Raiffeisenbank, davon vier Jahre als dessen Vorsitzender. Für seine besonderen Leistungen während dieser Zeit erhielt er die Würde des Ehren-Vorsitzenden zuerkannt. Der Bayerische Raiffeisenverband verlieh ihm die silberne Ehrennadel.

Für die Verdienste im Handwerk wurde Karl Hofmann mit dem Goldenen Meisterbrief ausgezeichnet.

Im Familienkreis konnte das Ehepaar 1975 die Goldene Hochzeit feiern.

Bei den vielen Ehrenämtern muß man sich fragen: Wann hat der Mann Für sich gearbeitet und wann hat er geschlafen? Dabei weiß jeder, der Karl Hofmann näher kannte, daß dieser einen Posten nicht nur verwaltete. In all den Gremien, in denen er saß, war er es, der neue Ideen einbrachte und selbst dann deren Verwirklichung vorantrieb. Ständige Einsatzbereitschaft gepaart mit einem Bienenfleiß, bestimmte sein ganzes Leben.

Für den Schluß habe ich die ehrenamtliche Arbeit Karl Hofmanns aufgehoben, von der ich glaube, daß sie ihn am meisten mit innerer Freude erfüllte: das Heimatmuseum. Solange es ihm die Gesundheit erlaubte, war er für das Museum und die Heimatpflege tätig. Er gehörte zu den Gründern des Museums. Mit Wilhelm Math, Thaddä Jäger und Seppl Joas sammelte er ab 1926 heimisches Kulturgut und war bei der Einrichtung des Museums 1932 maßgeblich beteiligt. Neben der praktischen Arbeit übte er auch noch den Posten des Schriftführers aus.

Der Erforschung der Heimatgeschichte und dem Erhalt des Hergebrachten widmete Karl viel seiner knappen Freizeit. Die meisterlich verfaßten Artikel zeugen von großem Wissen und scharfer Beobachtungsgabe. Im 4. Teil der „Geschichte des Marktes Oberstdorf’ bearbeitete er u. a. die Entwicklung des Fremdenverkehrs unserer Heimatgemeinde. Ich behaupte, es wäre niemand in der Lage gewesen, dieses Kapitel besser darzustellen. Hier konnte Karl Hofmann aus seinem Erfahrungsschatz schöpfen. Für ihn war das die Niederschrift erlebter Geschichte.

Nach dem Zweiten Weltkrieg waren es wieder die vier Museumsgründer, die das während des Krieges „eingemottete” und zweckentfremdete Museum aus dem Dornröschenschlaf erweckten. Bei den vielen monatlich abgehaltenen Zusammenkünften des Museumsausschusses beeindruckten mich immer aufs neue die präzisen Fragen und die treffenden Antworten unseres „Karle”. Trotz seines zuletzt hohen Alters zeigte er stets Wagemut und war der Befürworter von Neuerungen. Noch mit 82 Jahren verfaßte er die Festschrift zum 50. Gründungsjubiläum des Museums (1982) und beleuchtete beim Festakt im Kurhaus das Werden des Museums. Er setzte sich selbst damit ein weiteres Denkmal.

Vom Träger des Museums, dem Gebirgstrachten- und Heimatschutzverein, war Karl Hofmann für seine Verdienste um die Erhaltung des Volkstums die Ehrenmitgliedschaft und das Ehrenzeichen verliehen worden.

Der Markt Oberstdorf zeichnete diesen verdienten und profilierten Bürger mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde aus. Doch können alle Ehrungen nicht das ausdrücken, was Karl Hofmann für seine Heimat geleistet hat.

Kontakt

Verschönerungsverein Oberstdorf e.V.
1. Vorsitzender
Peter Titzler
Brunnackerweg 5
87561 Oberstdorf
DEUTSCHLAND
Tel. +49 8322 6759

Der Verein

Unser gemeinnütziger Verein unterstützt und fördert den Erhalt und Pflege von Landschaft, Umwelt, Geschichte, Mundart und Brauchtum in Oberstdorf. Mehr

Unser Oberstdorf

Seit Februar 1982 werden die Hefte der Reihe "Unser Oberstdorf" zweimal im Jahr vom Verschönerungsverein Oberstdorf herausgegeben und brachten seit dem ersten Erscheinen einen wirklichen Schub für die Heimatforschung. Mehr

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