„Lexar Hüs”, Haus Nr. 23, (heute Oststraße 25).
Mit diesem Bericht möchten wir einerseits die Bemühungen des Museumsvereins Oberstdorf um den Erhalt eines der ältesten Bauernhäuser für unsere Nachfahren schildern, nachdem in den letzten Jahren immer mehr dieser historischen Gebäude der Spitzhacke oder dem schleichenden Verfall zum Opfer fielen.
Andererseits soll im zweiten Abschnitt dieses Beitrages der Versuch unternommen werden, die Historie dieses Hauses zu beleuchten. Dabei werden die jeweiligen Besitzer, denen das Gebäude einmal Heimat war, aufgelistet.
Im nächsten Heft Nr. 59 wird dann die hervorragende Bauaufnahme des „Lexar Hüs” veröffentlicht, die Herr Dr. Ing. Stefan Uhl für den Museumsverein erstellte. Es ist uns nämlich ein wichtiges Anliegen, diese lesenswerte Arbeit nicht in unserem Archiv verstauben zu lassen. Wenn wir schon dieses „Denkmal” nicht mehr retten konnten, so soll wenigstens diese Dokumentation einer breiten Öffentlichkeit und damit auch der Nachwelt zur Verfügung stehen.
Zu den Anfängen
Seit der Eröffnung unseres Heimatmuseums im Jahre 1932 waren die jeweiligen Vorstandschaften immer bemüht, das Museum zu erweitern und zu verbessern. So sollten der Oberstdorfer Bevölkerung, aber auch unseren Gästen, möglichst umfassend die Geschichte unseres Ortes, die Tradition und die Lebensweise unserer Vorfahren dargestellt werden.
Viele Hindernisse mussten überwunden werden: der Neuanfang nach dem 2. Weltkrieg, die belegten Wohnungen in dem Haus in der Oststraße, so mancher Umbau, der Neubau des Sonderausstellungsraumes, die Anlage des Rundgangs, das Lager, die Bücherei und vieles mehr. Dies alles wurde in den letzten Jahrzehnten in ehrenamtlicher Arbeit, vor allem unter dem Museumspfleger Eugen Thomma, geschaffen. Dabei waren oft auch die nicht immer zeitgemäßen Aufbewahrungsmöglichkeiten in den „Schopfen” im Hof Ziel der Überlegungen.
So entstand dann in den 1990er Jahren der Gedanke einer Erweiterung des Museums durch einen Neubau im Museumshof. Schwerpunkt der neu zu schaffenden Ausstellungsräume sollte die Darstellung des Fremdenverkehrs mit seiner über 100-jährigen Tradition sein. Dazu würden auch notwendige erweiterte Lagermöglichkeiten entstehen. Pläne wurden angefertigt, denen sogar die Nachbarn, trotz der Grenzbebauung, zustimmten. Konzept und Plan wurden dann auch von Marktgemeinde und Landratsamt genehmigt.
Danach ging es um die Finanzierung, die der Verein, auch mit Unterstützung der Marktgemeinde, allein nicht bewältigen konnte. Um an EU-Mittel zu kommen, suchte man nach Partnern im angrenzenden Ausland. So wurden Kontakte nach Meran in Südtirol und anschließend nach Lech am Arlberg geknüpft. Nur wer sich auf diesen steinigen Förderungsweg begibt weiß auch, wie viele Umleitungen er laufen muss. Es wollte und wollte einfach nicht klappen.
Eine neue Idee stellte alle bisherigen Überlegungen auf den Kopf
Es begann mit einer Skitour, die unser Museumspfleger Karl Schädler mit Mathias Kappeler unternahm. Dabei kam man im Gespräch darauf, ob nicht die Translozierung des „Lexar Hüs” mit seiner alten Bausubstanz in den Museumshof eine Alternative für unsere Erweiterungspläne sein könnte. Karl brachte diesen Vorschlag in die Vorstandschaft und erhielt dort fast einhellige Zustimmung. Sensiblisiert durch den Abriss zum Teil sogar denkmalgeschützter Bauten, von denen dann einige auch noch ins „Unterland” versetzt wurden, war das für uns ein überlegenswerter Gedanke. Warum nicht, statt des Neubaus, dieses alte Bauernhaus in den Museumshof versetzen? Eine Aufgabe, die dem Museumsgedanken und auch unserer Satzung entsprach.
Nun ging natürlich der Prozess wieder von vorne los. Es wurden Gespräche mit der Besitzerin, den Nachbarn, einem Architketen, der Marktgemeinde, dem Landratsamt, den Förderstellen, der Regierung von Schwaben usw. geführt.
Unsere Idee erschien durchaus als durchführbar, insbesondere da dieses Gebäude 1972 nicht in die Denkmalschutzliste aufgenommen worden war. Die Pläne für die Versetzung entsprachen in der Kubatur fast denen des schon genehmigten Neubaus: Wir wollten wieder an die Grenze bauen, die Grundfläche war etwas geringer, nur das Haus selbst etwas höher. Um sicher zu gehen, auf welche historische Bausubstanz wir uns da einließen, wollten wir auf jeden Fall dieses Haus bauhistorisch dendrochronologisch untersuchen lassen.
Über unseren Museumspfleger Fritz Schlachter lernten wir Herrn Dr. Ing. Stefan Uhl kennen, der, nach mehreren Gesprächen, für uns diese Aufgabe übernahm. Die anstehenden Untersuchungskosten teilten wir uns mit der Marktgemeinde. Hocherfreut zeigten wir uns über das Ergebnis: die korrekte Aufnahme, die fundierten Unterlagen und Skizzen und den äußerst fairen Preis. Vor allem überraschte uns die Untersuchung der Balken bezüglich des Alters: Das Gebäude stammt ca. aus dem Jahr 1537!
Wieder einmal ging es um das liebe Geld –
die Finanzierung sollte gesichert werden
Schnell wurde klar, dass wir ohne staatliche Hilfe dieses Vorhaben nicht stemmen konnten. Doch durch unseren Zuschussantrag beim Kulturfonds der Bayerischen Staatsregierung kam der Stein ins Rollen.
Natürlich sollte auch der Denkmalschutz Stellung nehmen und wurde so erst auf dieses „Denkmal” aufmerksam. Das Ende vom Lied war, nach einigen Besichtigungen und mehreren Besprechungen, dass unsere gesamten Argumente einfach unter den Tisch gekehrt wurden.
Das „Lexar Hüs” wurde – sehr zu unserem Ärger, aber mehr noch dem der Besitzerin, die nun mit dieser Situation konfrontiert war – unter Denkmalschutz gestellt. Damit war klar: Das Haus darf nicht versetzt werden.
Hier bereitete uns die Unbeweglichkeit der Behörde, sich nicht auf die Einzelsituation einzulassen und sich in die Lage des Besitzers und des Museums zu versetzen, großes Unverständnis. Ein wirklich erhaltenswertes Haus zu versetzen, zwar aus seiner gewachsenen Umgebung heraus zu nehmen, schien uns ein gangbarer Weg, um es vor dem Verfall zu retten. Damit hätten wir unseren Kindern die außergewöhnliche Bauweise dieses ehemaligen Bauernhauses erhalten, unser Museum attraktiver gestalten und ein Stück „Alt- Oberstdorf” bewahren können. Vielleicht dienen unsere negativen Erfahrungen mit den entsprechenden Stellen auch anderen, sich in einem ähnlichen zukünftigen Fall schlitzohriger anzustellen, um ans Ziel zu gelangen. So ist es schade, aber rückblickend hätten wir Tatsachen schaffen müssen.
Doch nicht nur die Behörden behinderten unser Vorhaben, es tat sich noch eine weitere, unüberwindbare Hürde auf. Eine unserer Nachbarinnen war verstorben und das Anwesen wurde verkauft. Der neue Besitzer wollte wegen der Höhe der Grenzbebauung nicht mehr zustimmen. Das brachte das endgültige Aus. Traurig mussten wir von unserem Bestreben, in das wir so viel Zeit, Energie und Kosten investiert hatten, verabschieden.
Bevor wir uns nun der ehrwürdigen Geschichte des Lexar-Hauses zuwenden, möchten wir den ersten Teil des Beitrages mit einem Auszug aus dem Kommentar im »Allgäuer Anzeigeblatt« abschließen. Die Redakteurin Michaela Schneider schrieb in der Ausgabe vom 19. 5. 2010 treffend:
„Sicher mag der Vergleich mit der Versetzung der Felsentempel in Ägypten etwas hoch gegriffen sein, aber wir müssen ja nicht so weit blicken, schauen wir nur auf die Translozierung der Warmatsgundalpe, des Sattlerhofes und der vielen Gebäude, die nach Illerbeuren versetzt wurden. Aus Sicht des Denkmalschutzes mag es sinnvoll sein, Häuser nicht zu versetzen, um deren historischen Wert so umfassend wie möglich zu erhalten, aber beim ,Lexar Hüs’ tut es einem Geschichtsfreund schlichtweg weh, wenn das Kleinod weiter verfällt. Schade für den Museumsverein, der sich so massiv engagiert hat. Schade für Oberstdorf.”
Die Geschichte des Lexar-Hauses
In den alten Steuerbüchern sowie den Kauf- und Tauschbüchern und anderen Quellen finden sich viele Einträge zum Anwesen Hs.Nr. 23 im Oberen Markt. Doch leider konnten wir bisher noch nicht herausfinden, wer das Haus um 1537 erbaute. Sogar die ersten hundert Jahre bleiben uns noch verborgen. Ob jemand bzw. wer in den Pestjahren 1634/35 in diesem Haus sein Leben aushauchte, wissen wir nicht. Aber schon kurz danach wird, um 1637, im Steuerbeschrieb Hans-Martin Welsche, Cramer, als Besitzer von einem Haus zu 80 fl. erwähnt. Vermutlich war David Bader um die Mitte des 17. Jahrhunderts Besitzer und nachfolgend seine Kinder. Über die Familie Bader finden sich aber weiters keine Aufzeichnungen, so dass anzunehmen ist, dass diese Familie nicht lang in Oberstdorf wohnte. Danach werden über 100 Jahre die Besitzer mit dem Familiennamen Kappeler genannt:
1682 Jacob Kappeler hat von David Baders Kinder 1 Haus, in der Steuer zu 80 fl.
1716 Matheus Kappeler Haus ist „so schlecht”.
1724 besitzt Matheis Kappeler Witib das Haus mit einem stolzen Viehbestand: 1 Roos, 4 Khue und 1 Winterling (1 1/2-jähriges Rind).
1746 wird Michel Kappeler, Beck, erwähnt.
1767 finden wir bei einer Volkszählung bei Jacob Kappeler: 1Mann, 1 Weib, 1 Sohn, 1 Tochter.
1784 In der Steuerbeschreibung sind erstmals die Hausnummern angegeben: für das Anwesen Kappeler die Hs.Nr. 23 in Oberstdorf.
1787 Bei der Feuerbeschau wird bei Jacob Kappelers Kinder folgendes beanstandet: „§ 15 das Kamin ist gefährlich, weilen es an der hinteren Seitenwand solches keine Maur blos an die hölzerne Wand mit Mertel hingebaut wurde § 15 ist die Brandmaur an dem Ofen gefährlich und muss das Holz aus der Wand geschnitten werden”.
1790 In der Steuerbeschreibung der Pfarrei Oberstdorf ist bei dem Anwesen Hs.Nr. 23 eingetragen: „... Kappelers Jakobs Kinder
modo [Nachtrag] Johann Schibl ... haben Haus und Beind zu 1/2 L: Heu und Wurzgarten an Lukas Zobel und Mathias Huber.
4 Viertel Saat am Dellenberg
2 Viertel Saat zu Faulenbach
1 Leite Heu in der Ochsenstelle
2 Viertel Saat am Steinach
2 1/2 Viertel Saat zu Appach an Mathäs Wolf und Joseph Bader
1 Leite Heu im breiten bern
2 1/3 Viertel Saat im Winkel
3 1/2 Viertel Saat bei der Stigelen an Andreas Praxmayer und Kaspar Riezler
4 Viertel Saat im Oberöschle”
Nach den Einträgen im Kauf- und Tauschbuch von Oberstdorf geht das Haus über Fideli Seeweg, Josef Weissenbach und Lorenz [Vater] und Anton [Sohn] Berktold an Johann Schibl. Er hat 1790 die Maria Kappeler, Tochter des obigen Jakob Kappeler, geheiratet. In zweiter Ehe war Johann Schibl (Schiebel) mit Creczenz Neher von Imberg verheiratet.
1816 Die Witwe des Johann Schibl verkauft am11.Januar das Anwesen um 405 Gulden an den Kuhhirten Georg Huber („Nieseles Jergle”).
1819 Georg Huber leiht sich von der Frühmeßstiftung Elbigenalp 100 fl., als Sicherheit dient sein Haus Nr. 23, welches mit 200 fl. feuerverichert ist.
1837 Georg Huber vertauschte am13. November das Anwesen Nr.23 gegen das halbe Haus Nr. 57b.
Neuer Eigentümer von Haus Nr. 23 wurde Alexius Renn, mit einer Aufgabe von 375 fl.
360a Wohnhaus, Nebengebäude, Hofraum
360b Wurzgarten und Graspoint
Gemeinderecht zu einem ganzen Nutzanteil an den noch unverteilten Gemeindebesitzungen, dann das Weiderecht auf den Gemeinde-Viehweiden.
Das Haus blieb nun fast 120 Jahre im Besitz der Familie Renn.
Alex Renn, genannt „Sattlars Fronze Lex”, wurde 1801 in Oberstdorf geboren und ist 1872 im Haus Nr. 23 gestorben. Nach dem Ableben von Alex Renn erben die Witwe Maria Renn, geb. Zengerle, und deren Sohn Ludwig den Besitz, welcher mit 8.000 Mark angeschlagen wird.
1878 ist Sohn Ludwig Renn, nach Ableben der Maria Renn, alleiniger Besitzer. Nach seiner Heirat 1878 mit Rosa Blattner sind beide Besitzer. Rosas Bruder Alois war der letzte Schnapsbrenner in Oberstdorf.
1909 werden als Besitzer der Witwer Ludwig Renn und seine Kinder Rosina und Franz Josef genannt.
1919 wird Franz Josef Renn als Alleinbesitzer genannt. Er verstirbt 1934 und hinterlässt den Besitz seiner Frau Walburga, geb. Schmid, und den Töchtern Anna, Rosa, Berta und Maria.
Walburga Renn stirbt 1949.
1956 verkaufen die Töchter das Haus an den Nachbarn Franz Kaufmann – Heinrich Geißler.
Für Mitarbeit und Hinweise zur Geschichte des Hauses ein herzlicher Dank an Leo Huber und Alexander Rössle, Oberstdorf, sowie Agnes Schöll, Reichenbach.
Das kann man wahrlich eine bewegte Geschichte nennen, die das Haus Nr. 23 (heute Oststraße 25) in den letzten 500 Jahren über sich ergehen ließ. Wieviele Kinder wurden hier geboren, aber auch wieviele Menschen beendeten ihr Erdendasein in diesem Haus? Hinter der nüchternen Aufzählung von Besitzern stehen unzählige menschliche Schicksale, von denen kein Steuerbuch zu berichten weiß.
Im nächsten Heft werden wir dann Genaueres über die Baugeschichte und die Bauweise des Hauses erfahren.